Kultur

Ein fast minimalistisches Spiel

18.06.2024 • 23:00 Uhr
Hagen Quartett
Das Hagen Quartett. Schubertiade Gmbh

Am Montag waren bei der Schubertiade in Schwarzenberg das Hagen-Quartett und Konstantin Krimmel mit Daniel Heide zu erleben.

Ein Konzert mit dem Hagen-Quartett brachte am Montagnachmittag die Begegnung mit drei Spätwerken von Beethoven, Haydn und Schubert in ungemein dichten, abgeklärten Interpretationen, abends zeigte sich Bariton Kons­tantin Krimmel an der Seite von Daniel Heide wieder einmal als begeisternder Liedersänger.

Ernst und geistreich

Seit Kindertagen musizieren Lukas, Veronika und Clemens Hagen im Quartett, und auch Rainer Schmidt ist bereits seit 1987 der zweite Geiger des Ensembles. In dieser langen Zeit ist das Hagen Quartett vielleicht immer noch mehr verschmolzen: Das jüngste Schubertiadekonzert mit dem letzten Beethovenquartett op. 135, dem Quartett op. 76/4 von Haydn und dem „Rosamunde-Quartett“ von Schubert zeichnete sich durch ein fast minimalistisches, sprechendes, achtsames Spiel aus, das immer wieder aus dem Pianissimo aufsteigt, Pausen wirken lässt, von großer lyrischer Kraft und gleichwohl voller Spannung ist.

Ernst und doch geistreich etwa ist Beethovens Abschiedswerk mit seinen Fragen und Antworten im ersten Satz, dem drängenden Vivace-Satz an zweiter Stelle und dem aus tiefer Lage aufsteigenden Gesang der ersten Violine, der schon der Welt entrückt scheint und in leisen Herzschlägen pulsiert. Das Finale mit der vieldeutigen Überschrift „Der schwer gefasste Entschluss. Muss es sein? Es muss sein!“ erzählt nicht nur von Abschied, sondern auch von heiterer Gelassenheit und ist bei den Hagens in besten Händen.

Konstantin Krimmel, Daniel Heide
Konstantin Krimmel und Daniel Heide. Schubertiade GmbH

Licht und Schatten

Haydns op. 76/4 aus der Gruppe der letzten Quartette hat auf Grund seines dichten Beginns, in dem die erste Violine sich über die Akkorde der Unterstimmen erhebt, den Beinamen „Sonnenaufgang“ bekommen: Lukas Hagen genießt den Aufstieg, aber auch die Unterstimmen vertiefen das Spiel von Licht und Schatten in diesem ersten Satz. Fein differenziert ist das wie ein Gebet wirkende Adagio, Volksmusikantisches klingt im Menuett an, und wie sich Haydn seinen typischen Witz auch in den späten Quartetten bewahrt hat, hört man in den geistreichen Wendungen des Finales.

Auch Schuberts a-Moll-Quartett „Rosamunde“ klingt beim Hagen-Quartett liebevoll und frisch aufpoliert, sanfter als die anderen großen Quartette, aber durchaus auch bohrend und am Abgrund tanzend. Mit ihrer Zugabe, Puccinis „Crisantemi“, zeigen die vier auf ungewöhnliche und doch höchst stimmige Weise, welchen Weg das Streichquartett nach Schubert gegangen ist.

Publikumsliebling

Den Weg zu einer ungemein verdichteten Ausdruckskraft hat der Komponist auch in den Liedern des Schwanengesangs aufgezeigt, vor allem die Heine-Vertonungen gehören zum Stärksten, was Schubert im Lied hinterlassen hat. Publikumsliebling Konstantin Krimmel und sein wie stets inspirierender Klavierpartner Daniel Heide spannten einen riesigen Bogen von der hell sprudelnden „Liebesbotschaft“ zum mächtigen „Atlas“, der alle Last der Welt auf seinen Schultern trägt: Durch die neue Reihung der Lieder (sie wurde vom Komponisten nicht festgelegt) erzählten sie mit Rellstab und Heine Geschichten von Sehnsucht und (enttäuschter) Liebe und erwiesen mit einer Gruppe von Liedern nach Johann Gabriel Seidl dem Dichter der treuherzig naiven „Taubenpost“ ihre Reverenz.

Aus dem schlanken, tenoral hellen Klang zu Beginn entwickelte Krimmel klug disponierend die Farben und die Dynamik der kraftraubenden letzten Lieder. Mit sparsamer Körpersprache, (mit Ausnahmen) exzellenter Diktion und wunderbar fokussierten Vokalfarben machte er die Kunst des Liedgesangs zum Erlebnis. Zwischendurch blitzten Opernfiguren wie der Don Giovanni auf, den Krimmel in einer der nächsten Premieren an der Bayerischen Staatsoper singt, und als die Künstler nach der liebevoll behutsamen Zugabe „Schwanengesang“ (nach Senn) das (zunächst vernuschelte) „Ständchen“ wiederholten, war auch für sie die Welt wieder in Ordnung.

Von Katharina von Glasenapp