Optik und Akustik beim Spiel auf dem See „Der Freischütz“

Clemens Wannemacher, Leiter der Tonabteilung, erklärt, worauf es bei einer guten Akustik unter freiem Himmel auf der Seebühne ankommt.
Das Spiel auf dem See ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Worum geht es für einen Tontechniker vor allem?
Clemens Wannemacher: Wir haben den Anspruch, dem Publikum ein Hörerlebnis zu bieten, das jenem in einem Opernhaus sehr nahekommt. Auf der Seebühne haben wir keinen Orchestergraben, keine Decke und Wände, kurz gesagt: keine natürliche Raumakustik. Daher versuchen wir, mit Mikrofonen und Lautsprechern auf der Bühne und der Tribüne diesen Raumeindruck nachzubilden. Außerdem ist es extrem wichtig, den optischen mit dem akustischen Eindruck zusammenzubringen.
Was heißt das?
Wannemacher: Die Distanzen auf der Seebühne sind groß. Zwischen der Bühne und dem obersten Sitzplatz liegen bis zu 100 Meter. Mit bloßem Auge ist so nicht auszumachen, wer gerade singt. Dann wird es für das Publikum anstrengend. Daher ist es unsere Aufgabe, Orientierung mit dem sogenannten Richtungshören zu geben. Wir verstärken immer genau an jener Position, an der sich eine Sängerin oder ein Sänger gerade befindet. Wenn er oder sie sich bewegt, bilden wir das tontechnisch auch ab. Dafür haben wir allein im Bühnenbild 66 Lautsprecher untergebracht, insgesamt sind es 400 Stück. Je entspannter das Publikum zuhören kann, umso leichter fällt es, sich auf die Musik, das Geschehen und die Emotionen einzulassen.

Welche Rolle spielt die Tontechnik aus Ihrer Sicht?
Wannemacher: Wir sind ein elementarer Bestandteil der Aufführung. Das liegt schon daran, dass das Orchester im Haus sitzt und ohne Verstärkung gar nicht zu hören wäre. Wir tragen hier viel Verantwortung und können zum Beispiel Einfluss auf die Dynamik nehmen. Der offensichtlichste Faktor ist die Lautstärke. Wenn es die Umgebungsgeräusche zulassen, können wir an einer leisen Stelle etwas herunterpegeln und danach an einer lauten Stelle mehr Gas geben
Was sind die Besonderheiten der “Freischütz”-Produktion für Ihr Team?
Wannemacher: Anders als bei vielen anderen Opern wird auf Deutsch gesungen: Das Publikum erwartet, die Gesangspartien zu verstehen. Dazu kommen sehr viele Dialoge, etwa 40 Prozent Dialoge gegenüber 60 Prozent Gesang. Unsere Aufgabe ist es, vor allem die Dialoge gut zu verstärken – ohne andererseits Rückkopplungen zu riskieren.
Was ist Regisseur Philipp Stölzl beim Thema Ton wichtig?
Wannemacher: Er hat viele Filme gemacht und denkt auch diese Oper sehr filmisch. In der Praxis bedeutet das für uns: Es gibt mindestens drei Klangebenen. Die wichtigste ist der Dialog, dazu kommt Musik von Musikern direkt auf der Bühne und eine Art Klangteppich. Das kann in diesem düsteren Setting beispielsweise eine Krähe oder ein heulender Wolf sein. Es ist eine Herausforderung, diese Klangebenen so zu verbinden, dass sie Sinn ergeben. Vor allem dürfen sie niemals den Dialog zerstören. Außerdem gibt es spezielle Einspielungen, wenn zum Beispiel die Schlange aus dem Wasser steigt. Insgesamt sind es an die 200 Effekte. “Madame Butterfly” war das krasse Gegenteil: Da hatten wir mit dem Kanonenschuss nur eine einzige Einspielung.
