„Hass ist erst recht keine Lösung“

Bei der Eröffnung der 78. Bregenzer Festspiele tritt Bundespräsident Alexander Van der Bellen gegen ein spaltendes „Schwarz-Weiß-Denken“ auf.
Um einen wehmütigen Abschied, die Erinnerung zur Kompromissbereitschaft und das Wachrütteln eines müden und „endgenervten“ Österreichs drehte sich das Programm der Eröffnungsfeierlichkeiten am Mittwoch, an denen diesmal auch der Teufel (Moritz von Treuenfels als Teufelsfigur Samiel aus Der Freischütz) eingeladen war und der in anregenden Versen dem Publikum die Moderation in Reime verpackte.

Wahre Träume
Mit dem winterlichen Dorf im Bodensee „im heißen Sommer Eis und Schnee“ habe der Teufel „Träume wahr werden lassen“, freut er sich über das fantastische Bühnenbild von Philipp Stölzl, das für Carl Maria von Webers romantische Oper „Der Freischütz“ als neues Spiel auf dem See gestaltet wurde. Einblicke in die Musik gaben die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Enrique Mazzola mit der Ouvertüre zum Besten, bevor die Dirigentin Yi-Chen Lin und Sängerin Anna Goryachova das Publikum mit einem Ausschnitt aus dem ersten Akt von Tancredi begeisterten.
Weitere Eindrücke aus dem Festspielprogramm brachten David Pountneys Rezitation aus der Oper „Hold Your Breath“, die Opernsängerinnen und Sänger aus „Der Ehevertrag“ oder etwa ein Trailer zum Musiktheater „Unmögliche Verbindung“.

Gegen das „Entweder-Oder“
Nach den „perfekten“ musikalischen Kostproben unbequeme Worte zu finden, sei für den Bundespräsidenten thematisch kein Problem gewesen, immerhin gäbe es genug Gelegenheiten für Frust und Aufregung, beschreibt Alexander Van der Bellen und hebt ironisch die Spitzfindigkeiten der Menschen hervor, die im Schubladendenken „nicht ungefährlich“ werden können. „Wir müssen verdammt gut aufpassen, was, warum und wen wir da jeden Tag schubladisieren.“ Mit Humor und seinem Tiroler Dialekt unterstreicht er in Beispielen den Unsinn, die „einfache Welt des Entweder-Oder“ zu übernehmen und appelliert an die österreichische Gelassenheit und daran, als Mittel gegen die gesellschaftliche Spaltung, als „Spielverderber“ aufzutreten.

„Nicht jeder, der auf einem Rad sitzt, ist ein Ökofanatiker. Und nicht jeder, der ein Schnitzel isst, ist ein Klimasünder. Wir sind doch immer gut damit gefahren, wenn bei uns alles ein bisschen entspannter war. Wenn bei uns am Ende doch jeder so sein konnte, wie er ist. Widersprüche inklusive.“, sagt Van der Bellen. Spaltung sei Gift und passiere, „wenn viele mitmachen. „Spielen wir also nicht mit. Wir alle haben in der Hand, ob die Stimmung zwischen uns vertrauensvoll ist oder vergiftet.

Mahnende Worte fand der Bundespräsident auch für Gewalt und den Angriff auf den Ex-US-Präsidenten Donald Trump. „Verachtung ist kein Wahlprogramm. Und Hass erst recht keine Lösung für unsere Probleme. Gerade wir in Österreich wissen, wohin es führen kann, wenn wir Menschen einteilen, kategorisieren, an den Rand drängen.“ In diesem Sinne richtete er sich an die Zuschauerinnen und Zuschauer mit dem Appell, alle schon in Schubladen gesteckten Personen wieder dort herauszuholen, „damit wir wieder normal miteinander reden können – über Klima, Politik, Demokratie.“

Den Verstand gebrauchen
Bevor Van der Bellen die Einfachheit der skandalisierenden und sensationsgeleiteten Sprache in sozialen Netzwerken sowie in klassischen Medien kritisierte, sprach auch Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler von der „Quasi-Sucht nach Schreckensmeldungen und schlechten Nachrichten“, die zu Verunsicherung und Orientierungslosigkeit führen würde und thematisiert die „Lügenpropaganda“ im Netz. Statt sich auf die „Fehler anderer“ zu fokussieren, schlage er vor, „unseren Verstand zu gebrauchen“, denn „bekanntlich ist es ja nie zu spät, gescheiter zu werden.“

Insgesamt zeigte sich Kogler aber sehr positiv und (unter anderem mit einem Dialog von Charlie Brown und Snoopy) zuversichtlich gegenüber einer „gestaltbaren Zukunft“, notwendigen Kompromissen und der bereichernden Kunst als Gegenpol einer „betäubenden Demagogenrede“.
Chancen und ein Danke
Auch Festspielpräsident Hans-Peter Metzler hebt die tröstende und hoffnungsvolle Kraft von Musik und Kunst hervor: „Insbesondere die Oper spiegelt das Leben in all seinen Facetten wider und erinnert uns daran, dass jeder Moment, jede Aufführung eine Chance ist, zu fühlen, zu reflektieren und letztlich zu wachsen.“
Neben einer Lobeshymne an den Erfolg der Festspiele verabschiedete sich Metzler mit großem Dank von der Intendantin Elisabeth Sobotka, die nach dem heurigen Sommer an die Staatsoper „Unter den Linden“ nach Berlin wechselt. „Glücklicherweise liegt ein ganzer Sommer mit einem herausragenden Programm vor uns, und wie wir wissen, kommt das Beste immer zum Schluss.“