Kultur

Fulminantes Konzert von Daniel Cohen

12.08.2024 • 19:39 Uhr
Orchesterakademie
Eine Woche arbeitete der Dirigent Daniel Cohen mit den jungen Musikerinnen und Musikern anja koehler

Nach der einwöchigen Zusammenarbeit mit den Wiener Symphonikern präsentierten die jungen Studierenden der Orchesterakademie der Bregenzer Festspiele am Sonntag ihr Abschlusskonzert.

Spätromantische Klang­sinnlichkeit bei Arnold Schönberg und Richard Strauss und Farbenreichtum, gepaart mit rhythmischer Beweglichkeit und leidenschaftlicher Hingabe an Béla Bartóks „Konzert für Orchester“ prägten die sonntägliche Matinee im Abschlusskonzert der Orches­terakademie der Bregenzer Festspiele: Eine Woche lang hatten Musikerinnen und Musiker der Wiener Symphoniker mit den jungen Studierenden aus österreichischen und anderen Musikhochschulen gearbeitet, der 40-jährige Dirigent Daniel Cohen hatte die jungen Menschen an die Kompositionen von Schönberg, Strauss und Bartók herangeführt. Solistin in diesem ebenso anspruchsvollen wie fulminanten Konzert war die deutsche Sopranistin Marlis Petersen, die das Musizieren mit diesem hochmotivierten Projekt­orchester sichtlich genoss.

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Das Abschlusskonzert der Orchesterakademie anja koehler

Beeindruckender Auftakt

Arnold Schönberg komponierte seine in einem Satz durchkomponierte erste Kammersymphonie aus dem Jahr 1906 zunächst für 15 Soloinstrumente und arbeitete sie später für großes Orchester um: Man hört die spätromantische Fülle und Dichte, die dann zur Auflösung der Dur-Moll-Tonalität und zur Zwölftontechnik führen sollte. So konnte auch David Cohen, der selbst ausgebildeter Geiger ist und viele Jahre von Daniel Barenboim und dessen Arbeit im West-Eastern Divan Orchestra geprägt wurde, mit der großen Klangpalette von rund 80 Musikerinnen und Musikern arbeiten.

Gleichwohl schuf er aus dem blühenden Klang heraus feine Übergänge mit kammermusikalischen Soli der Bläser: Dies war ein beeindruckender Auftakt, der auch gut zu den folgenden Orches­terliedern von Richard Strauss passte.

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anja koehler


Richard Strauss liebte die Frauenstimmen und ganz besonders die seiner Gattin Pauline – und Marlis Petersen, die in Tuttlingen aufgewachsene Wahlgriechin, fühlt sich bei seinen dramatischen und lyrischen Sopranpartien so wohl wie der berühmte Fisch im Wasser: So überzeugte sie gleich mit dem Überschwang von „Cäcilie“ und dessen ekstatischen Aufschwung „Du lebtest mit mir“, ließ mit „Freundliche Vision“ ein poetisch zurückgenommenes Lied folgen, das mit leuchtenden Akkorden von Frieden und Schönheit erzählt. Wunderbar aus dem Pianissimo heraus aufsteigend breitete die Sängerin den Beginn von „Ruhe, meine Seele“ aus, stemmte sich in die großen Aufwallungen und Schicksalsklänge. Daniel Cohen gestaltete die Orchesterpartitur in differenzierter Farbenpracht und feinem Gespür für die Ausdruckswelt der Lieder, die für so ein junges Orchester sicher ganz besonders ist.

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anja koehler

Erfahrungsschatz

Von Melancholie und Weltschmerz erzählt die „Marschallin“ aus dem „Rosenkavalier“ in ihrem Monolog über das Vergehen der Zeit, wenn sie ahnt, dass sie ihren jungen Liebhaber bald an ein junges Mädchen verlieren wird. Marlis Petersen hat diese Rolle vor ein paar Jahren an der Bayerischen Staatsoper verkörpert und ließ sie mit ihrem Parlando, ihren fein strömenden Linien und dezenter Körpersprache entstehen. Sowohl mit dem Orchestertutti als auch zahlreichen Soli (etwa mit der Rankweilerin Karoline Wocher als Konzertmeisterin) zeigte Daniel Cohen seine reiche Erfahrung im Opernfach.

In Béla Bartóks vor 80 Jahren entstandenem „Konzert für Orchester“ konnte der Dirigent nochmals zeigen, wie die einzelnen Mitglieder und Instrumentengruppen innerhalb weniger Probentage auf begeisternde Weise zusammengewachsen sind. Es ist Bartöks letztes Orchesterwerk, in Auftrag gegeben vom Boston Symphony Orchestra und seinem Dirigenten Serge Kussewizki, Bartók war 1941 nach Amerika ausgewandert, fühlte sich nicht wohl in seinem Exil und war an Leukämie erkrankt. Der Titel deutet auf die zahlreichen Instrumentalsoli etwa der Posaune, des Englischhorns, der Flöten, der Streicherstimmführer, der Horngruppe oder der Schlaginstrumente, trotzdem ist auch der Klangkörper als Ganzer herausgefordert.

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anja koehler

Cohen breitete das Kaleidoskop der Klangfarben aus, zeichnete die Ironie im zweiten Satz („Das Spiel der Paare“) und im vierten („Unterbrochenes Intermezzo“) nach, führte das Orches­ter durch die temperamentvollen Rhythmen und zauberte in der zentralen „Elegie“ eine unwirklich schillernde Szenerie, die an Bartöks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ erinnerte. Ob schmerzliche Intensität oder brausender Furor in der enorm gesteigerten Stretta, das Publikum im Festspielhaus war begeistert und feierte den Dirigenten und das junge Orchester. Diese Orchesterakademiewoche war sicherlich unvergesslich für alle Beteiligten!

Von Katharina von Glasenapp