Kultur

Faszinierender Einblick in die Vielfalt der Vokalmusik

30.08.2024 • 15:34 Uhr
Konradi, Rennert, Grahl, Krimmel, Deutsch, De Nuccio
Schön musiziert, aber recht belanglos war der Ensembleabend. Schubertiade

Zwei berührende Liederabende mit Duos und ein eher belangloser Ensembleabend waren unter anderem bei der Schubertiade zu erleben.

Von Katharina von Glasenapp

Die ganze Vielfalt der Vokalmusik kann man in dieser Schubertiadewoche kennenlernen: Am Mittwoch gestaltete der türkisch-österreichische Tenor Ilker Arcayürek an der Seite von Ammiel Bushakevitz den Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Am Donnerstagnachmittag erlebte man die musikalische Symbiose von Bariton Andrè Schuen und seinem Klavierpartner Daniel Heide in Liedern von Brahms und Mahle. Am Abend walzte ein Vokalquartett mit Katharina Konradi, Sophie Rennert, Patrick Grahl und Konstantin Krimmel, getragen von Michela Sara De Nuccio und Helmut Deutsch durch die Liebeslieder von Johannes Brahms und andere Quartette.

Es ist Hochsommer draußen. Die Klimaanlage im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg läuft auf Hochtouren. Im eleganten Dreiteiler erzählt Ilker Arcayürek vom optimistischen Aufbruch, von der unglücklichen Liebe des Wanderburschen zur schönen Müllerstochter, von der Eifersucht auf den erfolgreicheren Jäger und von der Zwiesprache mit dem Bach, der ihn tröstet und aufnimmt. Man kennt jeden Ton und hört doch immer wieder Neues – das ist das Geheimnis großer Musik und der Hingabe der Interpreten, die sie zum Leben erwecken.

Ilker Arcayürek Tenor, Ammiel Bushakevitz Klavier
Ilker Arcayürek und Ammiel Bushakevitz am Klavier. Schubertiade

Ilker Arcayürek mit seinem schlanken wandlungsfähigen Tenor, den hellen Vokalen, den manchmal etwas schüchternen Hochtönen und dem wunderbaren Piano gestaltet sehr fein und sensibel, gibt sich hinein in die Emotionen der „Jägerlieder“, die Resignation und die Todessehnsucht. Ammiel Bushakevitz, der immer wieder mit seinem fein differenzierten Klavierspiel aufhorchen lässt, trägt ihn mit sprudelnden Wasserfiguren und temperamentvollen Jägerimitationen. In einer klugen Tempodramaturgie, die sie immer wieder still werden lässt (etwa in „Morgengruß“, „Tränenregen“ oder ganz zurückgenommen in „Pause“) nehmen die Künstler das Publikum mit – die lange Stille nach den verlöschenden Schlusstönen belohnt sie für diese berührende Interpretation.

Auflehnend und tröstend

Tags darauf tauchen Andrè Schuen und Daniel Heide in die Klangwelt der Spätromantik, erzählen von den letzten Dingen, die Brahms in seinen „Vier ernsten Gesängen“ kurz vor seinem Tod in Töne gefasst hat. Hitze und Hochsommer sind ausgeblendet. In großen Linien und starker Dynamik breiten die beiden die Botschaft der Bibeltexte aus, sich auflehnend und tröstend.
Aus der Gruppe der Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ haben sie Gustav Mahlers beklemmende Totentänze („Revelge“ mit seinen zackigen Trommelwirbeln im Klavier und dem beißenden „Tralali“ tönt immer noch nach!) und schauerliche Antikriegslieder ausgewählt.

André Schuen, Daniel Heide
André Schuen mit Begleiter Daniel Heide. Schubertiade

Daniel Heide tupft leere Klänge und zärtliche Linien („Wo die schönen Trompeten blasen“), versenkt sich in einen Trauermarsch mit Alphornjodelfigur („Zu Straßburg auf der Schanz“), trifft den Volkston von „Rheinlegendchen“ und breitet in „Urlicht“ die Farben eines Orchesters aus. Und bei aller stimmlichen Perfektion, die Schuen mit seinem großen Ambitus, der Kunst des An- und Abschwellens auf einem Ton und dem dunklen Pianissimozauber präsentiert, wirkt doch nichts „gemacht“, sondern alles „erlebt“ – in inniger Symbiose mit dem Pianisten und fortgeführt in der zweiten Brahmsgruppe.

Konradi, Rennert, Grahl, Krimmel, Deutsch, De Nuccio
Konnten als Ganzes nicht überzeugen. Schubertiade

Nach solch einer Sternstunde eines aufeinander eingeschworenen Liedduos hat es vielleicht jedes andere Konzert schwer. Liegt es an den Werken – Brahms‘ Liebesliederwalzer, die gesellig und freundlich sind, verbunden mit Quartetten des Schweizer Komponisten Hans Huber, die den Brahms-Ton aufnehmen und wenig eigenen Tonfall haben? Liegt es am Ensemble?

Am Montag hatten sich doch acht Herren zu einem harmonischen Chor gefügt, nun dominiert die Sopranistin Katharina Konradi über Sophie Rennert und ihre warm glühende Altstimme und die beiden Kollegen Patrick Grahl und Konstantin Krimmel, die doch beide leidenschaftliche Ensemblesänger sind. Auch Altmeister Helmut Deutsch und Michela Sara De Nuccio, seine italienische Klavierpartnerin mit dem raffinierten Rückenausschnitt, setzen wenig eigene Akzente. So wirkt dieser Abend zwar von großen Stimmen und Pianisten schön musiziert, aber recht belanglos.