Auf dem Gipfel suchen sie das „Wir“ in uns

Das Festival FAQ Bregenzerwald begann am Donnerstag seine neunte Auflage mit einer Kritik am Optimismus, melancholischem Rap und einem Plädoyer für die Neutralität des Journalismus.
Das Wetter könnte ein Omen für die kommende Zeit sein. „Wir starteten die Eröffnung auf der Bergstation Baumgarten mit herbstlichen Sonnenstrahlen und endeten mit Nebelschwaden und Schnee“, berichtet Aurelia Batlogg-Windhager vom Organisationsteam des Festivals FAQ Bregenzerwald.
Das zum neunten Mal stattfindende Event widmet sich dieses Jahr der Frage nach dem „Wir“: Wer sind wir und was verbindet uns im Denken und Handeln? Das Bestreben, die Natur des Gemeinsamen in unserem historischen Moment zu erörtern, geschieht in Form von Diskussionen, Dinners, Konzerten und Vorträgen an malerischen Orten im Bregenzerwald.
Hoffnung statt Optimismus
„Mir gefällt, dass die Eröffnung auf einem Berg stattfindet. Es gibt Ausblick auf das Kommende“, schwärmt Christof Abbrederis (45) aus Rankweil. Er ist der neue Direktor des Bildungshauses Batschuns und besucht das Festival seit vielen Jahren.
Zu Beginn sprach der Philosoph Fahim Amir über den Unterschied zwischen Hoffnung und Optimismus. Während es bei Letzterem um ein Gefühl gehe, das den Status quo betrifft, sei Hoffnung eine aktive Haltung.
Im Anschluss an den tiefgründigen Vortrag spielte das Jazz-Trio Haezz. Die aus Martin Eberle, Stepan Flagar und Tobias Vedovelli bestehende Kombo hat sich nach dem Vorarlberger Wort für Kleidung benannt. „Das Spiel der Musiker hatte eine intuitive Tiefe in sich“, schwärmt eine junge Besucherin, die nicht genannt werden möchte. Abbrederis gefällt der Umstand, dass im Anschluss der Rapper Bruno Kawelke auftrat: „Es war eine spannende, gewagte Kombination.“

Erklären, nicht belehren
Die vom Journalisten Christian Seiler moderierte Diskussion zwischen dem Kabarettisten Florian Scheuba, der Direktorin des Kunsthistorischen Museums Wien, Sabine Haag, und der deutschen Journalistin Eva Schulz markierte den Höhepunkt des Abends. „Es war ein wirkliches Gespräch. Sie haben sich zugehört, ausreden lassen und gut ergänzt“, lobt der Stammgast. Die anonyme Besucherin war gleichermaßen gefesselt: „Scheuba und Schulz zeichneten ein kritisches Bild des Journalismus. Es war ein Weckruf, der die Bedeutung der Neutralität in der Branche deutlich gemacht hat.“


Lisa Meusburger (24) ist in Bezau aufgewachsen. Wie der Rankweiler zählt sie zu den Stammgästen des Festivals. Von allen Rednern beeindruckte sie Schulz am meisten: „Sie sieht ihre Aufgabe nicht in der Belehrung, sondern in der Vermittlung der korrekten Datenlage. Es ist wichtig, dass Menschen selbst denken, auch wenn sie es nicht gerne tun. Wer keine eigenen Gedanken hat, ist leicht zu lenken.“ Das setzt die Fähigkeit voraus, in sich zu gehen, aber auch über sich hinauszuschauen. „Das Schwarz-Weiß-Denken nimmt immer mehr zu. Es ist aber wichtig, andere Meinungen zuzulassen, damit man die eigene revidieren kann. Vom Gespräch nehme ich mit, dass die Wahrheit ein Ziel ist, dem man sich nur annähern kann“, berichtet Abbrederis. Umgekehrt sei es wichtig, dass man aufzeigt, wenn etwas falsch ist: „Lügen sind keine Meinung.“

Wider die Ruinenlust diskutieren
Bevor das FAQ am Sonntag zu Ende geht, kann man dem Kiew-Korrespondenten der ARD, Vassili Golod, lauschen, die Vorarlberger Newcomer-Band Cordoba78 bestaunen oder mit AMS-Chef Johannes Kopf der Ruinenlust entgegen diskutieren. Ein großartiger Ausblick für Abbrederis, der gestern noch die Quiche der aufstrebenden Köchinnen Kim Bechinger und Elena Kubiena genießen durfte.