Keine Angst vor den tierischen Träumen

Art Galley Janschek zeigt die Frauen- und Tierwesen der in Paris lebenden Künstlerin Rūta Jusionytė.
Wer derzeit die Sylvia Janschek Art Gallery in Bregenz betritt, kann sich wahrscheinlich ein Lächeln nicht verkneifen. Denn hier herrschen im Moment Buntheit, Verspieltheit und ein fantastischer Einfallsreichtum vor. Es ist Rūta Jusionytė, geboren 1978 in Litauen und mit einem Kunststudium in Vilnius, die hier ihre Werke präsentiert.
Leicht und fröhlich
Zwei Besucherinnen hätten von „Kitsch“ gesprochen, erzählt die Galeristin Sylvia Janschek. Das sieht sie selbst ganz und gar nicht so. „Die Bilder von Rūta sind leicht und fröhlich. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass die Künstlerin erst vor Kurzem eine schwere Krankheit überwunden hat. Umso lebensbejahender erscheint sie jetzt, auch in ihren Bildern.“ Auch das Stichwort „oberflächlich“ hat Janschek bei Betrachtenden aufgeschnappt. Auch das trifft in ihren Augen in keiner Weise zu.
“Die Bilder von Rūta sind leicht und fröhlich. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass die Künstlerin erst vor Kurzem eine schwere Krankheit überwunden hat. Umso lebensbejahender erscheint sie jetzt, auch in ihren Bildern.”
Sylvia Janschek, Galeristin
Träume als Schlüssel zum Unterbewussten
Die Schau heißt „Anima – Animus“, Jusionytė hat sich dafür mit den Archetypen nach C.G. Jung beschäftigt. Anima ist für ihn der weibliche Anteil in uns allen, Animus der männliche. Für den Begründer der Analytischen Psychologie waren die Träume seiner Klientinnen und Klienten ein Schlüssel zu ihrem Unbewussten und den darin verborgenen Wünschen. Auch die Archetypen sind im Unterbewusstsein von uns allen verankert. In den Bildern der 46-Jährigen geht es um Koexistenz statt um menschliche Dominanz.

Jenseits der Wirklichkeit
Es sind jugendlich, fröhlich wirkende Frauenfiguren, die von fantastischen Tieren umgeben sind – von blauen Huthasen, Widdern und Hunden, von Elchen, Stieren mit Flügeln und einer Feuergans, von blau gepunkteten Hirschen. Die Tiere sind bunt gestreift, haben Halskrausen oder fliegen von oben oder links ins Bild, sind oft auch vom Bildrand abgeschnitten. Die Bilder haben keinen klassischen Aufbau oder Mittelpunkt, die Perspektiven sind aufgehoben, alles scheint möglich. Fast unnötig zu erwähnen, dass die Acrylfarben nicht die Farben wiedergeben, die die Wesen in der Realität haben. Mäuler erscheinen länger, Beine kürzer, die Wirklichkeit ist hier nicht der Maßstab.

Eine Traumwelt unter weiblicher Führung
Vielmehr geht es darum, eine Traumwelt zu erschaffen, die sanft und doch klar ist und in der Frauen das Regiment führen. Die Hintergründe der Bilder waren zunächst ebenfalls deutlich bunter, erzählt Janschek, die die Künstlerin in ihrem Atelier an ihrem Wohnort Paris besucht hat. Jusionytė habe die vordergründigen Figuren auf die Hintergründe gesetzt und im Anschluss diese Hintergründe verwischt und übermalt. Manches ist nach wie vor angedeutet: eine riesige, rosa-goldfarbene Blüte, bunt gestreifte Bälle, die von rechts und links ins Bild rollen. Die Hintergründe deuten ihr Eigenleben hintergründig an, Farben scheinen durch. „Oberflächlich“, das stimmt allein von der Arbeitsweise her nicht. Der wirkliche Knaller sind jedoch die Skulpturen. „Im Gegensatz zu den Bildern verkaufen sie sich sehr gut, die Leute sind begeistert von ihnen“, erzählt die Galeristin. Die Serie der unterarmhohen Figuren umfasst gut ein Dutzend Tonskulpturen. Eine Tonfrau reitet beinahe nackt auf einem blaugrauen Wal, wobei es nicht um die Nacktheit geht – eher um eine Unschuld –, sondern vielmehr um die Verschmelzung zwischen Tier und Mensch. Aus dem riesigen rosafarbenen Panzer einer Schildkröte erwächst ein Baumstumpf, den die Frau ergreift, die sich von der Schildkröte tragen lässt und wiederum ein lilafarbenes Drachenbaby auf den Beinen hat.
Traust du dich, auch ein Tier zu sein?
Bei den Arbeiten gibt es keine Entfremdung zwischen Tier und Mensch, keine Trennung zwischen Fantasie und Realität. Das Fesselnde an den Tonarbeiten ist ihr Ausdruck: Er stimmt zwischen Tier und Frau vollkommen überein, alle schauen den Betrachtenden frech und herausfordernd an: „Bist auch du bereit, dich als eins mit allem zu empfinden, und mag es noch so traumfremd sein?“ Letztendlich geht es auch bei C.G. Jung darum: als Frau den männlichen Anteil in sich zu akzeptieren und ins Gesamthafte unseres Wesens zu integrieren, um ein vollständiger Mensch zu werden. Die Künstlerin bezieht das auch aufs Tierische: “Traust du dich, auch ein Tier zu sein?”
Hier wird man porträtiert
Die Ausstellung in der Kaiser-Josef-Straße 3 in Bregenz läuft noch bis zum 24. Oktober. Am 5. Oktober porträtiert Gunther Gerger in der Galerie Interessierte und macht aus den Minibildern Broschen.