Wo junge Schauspieler ihr Handwerk lernen

Der Jugendclub des Landestheaters begibt sich improvisierend auf die Suche nach einem neuen Stück.
Wer sich vom Wert der gespielten Lüge für die Charakterbildung überzeugen möchte, dem sind die Jugendclubs des Landestheaters ans Herz zu legen. Die NEUE begab sich zu einer Probe der Altersgruppe 14-19 in die Kammgarn nach Hard, wo die Jugendlichen ihr schauspielerisches Können unter Beweis stellen.
„Alexa öffne dich“
Kurz vor Probebeginn begibt sich Nikolas Weber (18) schnurstracks Richtung Licht-Regler und erhellt den Raum, der sich langsam mit jungen Schauspielenden füllt. Unter ihnen befinden sich Neueinsteiger und lang erprobte Spieler. Etwa Mohammet Ensar Saglam (17). Er ist seit drei Jahren Teil der Gruppe und bereitet sich für die Aufnahme an der Schauspielschule Stuttgart vor. Dabei kann der 17-Jährige auf reichlich Erfahrung zurückgreifen. Denn seit 2016 nimmt er an Produktionen des Theaters Motif teil. „Als Kind dachte ich, was ich in Filmen sehe, sei echt. Nachdem mir klar wurde, dass es gespielt ist, dachte ich mir, das will ich auch machen. Es ist interessant, in fremde Charakteren zu schlüpfen und deren Leben zu spielen“, schwärmt Saglam, den hier alle Enso nennen. Josephine Müller (16) sieht es ähnlich. Sie nahm während der Volkschulzeit zum ersten Mal an einem Stück teil. „Es ist immer ein super Gefühl, wenn man auf der Bühne steht“, schwärmt die Schülerin.

Bevor die Einheit richtig losgeht, versammeln sich alle hinter Michael Schiemer (47) im Eingangsbereich. Er ist Theaterpädagoge und schlüpft für einige Minuten in die Rolle des Türstehers. Nur wer das Richtige sagt, kommt an ihm vorbei. „Alexa, öffne dich“ scheint nicht zu wirken. „Hast du einen neuen Pullover?“, oder „Neuer Haarschnitt?“ hingegen schon. Nach dem alle ihr Glück versuchten, klärt er die Gruppe auf. „Es ging um Zeitungen, wie die NEUE.“

Robin Hood und Ali Baba
Seitdem sie im September mit den Proben begannen, widmet sich der Club derartigen Improvisationsspielen. Sie helfen den Mitgliedern, sich gegenseitig kennenzulernen und schärfen ihr Vermögen, den Raum zu lesen. Gleichzeitig tasten sich die Schauspieler an den Stoff des nächstens Stücks heran. Bis Jänner soll dieses in seinen Grundzügen stehen. Jetzt ist aber schon klar, dass sich in ihm die Geschichten von Robin Hood mit der von Ali Baba und den 1000 Räubern verflechten. Die Premiere ist schon fixiert. Sie soll am 6. Juni über die Bühne gehen.
Schiemer lernte das Schauspielhandwerk am Theater an der Josefstadt in Wien. An seiner Passion schätzt der Pädagoge, dass sie einen kritischen Austausch ohne Zwang ermöglicht: „Es ist das beste Gefühl, wenn wir nichts wollen und dabei unglaublich viel erreichen.“

Freez
Wie locker und zugleich kreativ die Proben ablaufen, zeigt die Übung „Freez“. Die Gruppe ruft Wörter in den Raum, aus denen Schiemer eines auswählt – ein Wort, das als Ausgangslage für eine spontane Szene dient. Zwei Schauspieler treten dann in Aktion. Als „Erdmännchen“ festgelegt wurde, springt Selina direkt in ihre Rolle: „Ich bin keines, will aber eines sein.“ Mit trockenem Ton kontert Nida: „Oh, ein Furry. Aber du bist in einem Zoo?“ „Ich bin Security“, erklärt Selina rasch und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Nida reagiert mit einem Grinsen: „Du gehörst nicht in den Zoo, sondern in die Psychiatrie. Aber soll ich dich streicheln?“ Empört erwidert Selina: „Erdmännchen streichelt man nicht!“, und begab sich zurück in die Runde. „Bei der Improvisation ist es wichtig, an das anzuknüpfen, was andere machen“, erklärt Schiemer. „Jede Handlung ist wie ein Angebot.“