Das Kunsthaus Bregenz ist zum Schweigen verpflichtet

Im Zeichen „geteilter Innerlichkeit“ zeigt das KUB Bregenz 2025 alte Bekannte und ein Mysterium.
Mit fast 50.000 Besuchern blickt das Kunsthaus Bregenz auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Alleine die Ausstellung „Wish You Were Gay“ von Anne Imhof wurde von mehr als 20.000 Personen besichtigt. Dass die von ihr gestalteten Billboards homophobem Vandalismus zum Opfer fielen, dürfte sich im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie positiv ausgewirkt haben. Jetzt hat das KUB sein Programm für 2025 bekannt gegeben. Es bemüht den Versuch eines kritischen Blickes – auf das Verhältnis von Mensch und Artefakt, Innen und Außen.
Direktor Thomas D. Trummer rückt den Begriff der „geteilten Innerlichkeit“ an den Beginn seiner Präsentation. Das antimaterialistische Konzept verweist auf eine Beseeltheit, die über Menschen hinausgehend allen Lebewesen und Objekten eigen sein soll. Ob die Ausstellungen unter diesem metaphysischen Vorzeichen Erkenntnis bringen werden, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass Vielversprechendes geplant ist.

Giftige Pflanzen
Den Anfang macht die 1993 in London geborene Precious Okoyomon. Vor vier Jahren beehrte sie als bis heute jüngste Künstlerin das Kunsthaus mit einer Ausstellung. Seitdem feiert sie einen Erfolg nach dem anderen. Etwa bei der Biennale 2022 in Venedig. Damals brachte Okoyomon wild wachsende Pflanzen in eine Halle, die nach Monaten einem Dschungel glich. Diesen Sommer gestaltete sie den Garten der Foundation Beyeler in Basel. Ihre Installation „the sun eats her children“ beinhaltete giftige Pflanzen, Schmetterlinge und einen animierten Bären, der schmerzerfüllte Schreie von sich gab. Mit „But Did You die?“ veröffentlichte sie heuer einen Lyrikband, der aus 2015 fast zehn Jahre alten Handy-Notizen und Liebesbriefen hervorging. Es ist noch unklar, was Okoyomon ab Februar im KUB zeigen wird. Die Institution verrät nur, dass sie Besuchende „mit ihren Träumen und ihrer Menschlichkeit konfrontieren.“

Männer aus Wachs
Auf sie folgt Małgorzata Mirga-Tas. Wie Okoyomon, erregte die 1978 im südwestlichen Polen aufgewachsene Künstlerin große Aufmerksamkeit, als sie 2022 einen Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielte. Dort stellte sie mit „Re-enchanting the World“ große Textilcollagen aus gebrauchten Kleidern zur Schau. Diese entstanden in Zusammenarbeit mit Freunden und Verwandten und sind an die Fresken des Renaissance-Palasts Schifanoia in Ferrara angelehnt. Im Kontrast zu diesen wirft die Arbeit einen feministischen Blick auf die Geschichte der Roma und Sinti und deren stereotype Darstellung im Kanon europäischer Kunst. Ihre Schau in Bregenz ist ab 7. Juni zu sehen. Neben Textilarbeiten zeigt sie eine Serie neu entwickelter Wachs-Skulpturen von Bären und übergroßen Männern.

„Wichtigste Künstlerin überhaupt“
Wenn die Ausstellung „Michael Armitage, Maria Lassnig, Chelenge Van Rampelberg“ am 12. Juli eröffnet wird, kehrt mit Armitage ein weiterer Künstler ins KUB zurück. Im Sommer 2023 bespielte er das Obergeschoss der Institution. Damals offenbarte der Künstler, dass in seinen Augen Maria Lassnig „die wichtigste Künstlerin überhaupt“ sei, berichtet Trummer. So entstand die Idee, Werke der bedeutenden Malerin mit Arbeiten der Kenianer Armitage und Chelenge Van Rampelberg gemeinsam im Foyer auszustellen. Kontinente übergreifend, werfen alle Arbeiten ein Licht auf den menschlichen Körper, die im darauffolgenden Jahr auch in Nairobi strahlen sollen.

Ein Geheimnis
Wer womit ab dem 11. Oktober das Kunsthaus bespielen wird, ist ein Geheimnis. Eine Verschwiegenheitsverpflichtung, die das KUB mit der kunstschaffenden Person unterschrieben hat, garantiert, dass es auch so bleiben wird. Damit geht die Institution einen radikalen Weg, der identitäre Voreingenommenheit und Geniekult gleichermaßen infrage stellt. Stattdessen rücken die Werke mit ihrem Eigenleben in den Mittelpunkt der Kunstbetrachtung.
