Häusliche Gewalt verstehen und erleben

Das Theaterstück „Häusliche Gewalt erleben und verändern“, das im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ stattfand, erlaubt einen Einblick in die komplexe Thematik und möchte aufklären.
Einmal selbst häusliche Gewalt erleben: Ein Wunsch, den niemand hegen dürfte. Doch für viele Menschen ist häusliche Gewalt Alltag, und so auch für Familie Nachbaur. Genauer ist diese Familie Nachbaur ist eine fiktionale Kreation des Improvisationstheaters „Paroli“, welches im Zuge der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ ihr Stück „Häusliche Gewalt erleben und verändern“ aufführte. Veranstalter war das Gewaltschutzzentrum Vorarlberg sowie die ifs-Beratungsstellen, die sich für Gewaltschutz einsetzen. Die Aufführung fand zuletzt am 27. November im at & co in Hohenems statt. Geschildert wird der Alltag der Familie Nachbaur, der von häuslicher Gewalt erschüttert wird.

Ziel der Aufführung ist es, über häusliche Gewalt aufzuklären und die Komplexität der Situation zu demonstrieren. Des Weiteren liegt Mitgefühl im Fokus: Das Publikum soll sich in einer Situation häuslicher Gewalt wiederfinden, in die verschiedenen Perspektiven schlüpfen und auch die intensive Emotionalität nachempfinden.
Theater als Interaktion
Die Aufführung fand als „Forumstheater“ statt: Eine interaktive Vorführung, bei der das Publikum selbst zum Akteur wird. Entscheidend beim Forumstheater ist, dass durchaus ein Stück vorbereitet wird, dieses aber durch das Publikum stets verändert werden kann und dementsprechend improvisiert wird.

Während der Szene können Teilnehmende jederzeit die Aufführung unterbrechen, um Änderungen vorzuschlagen oder Schauspieler zu ersetzen und eine Rolle zu übernehmen. Diese Änderungen schlagen Wellen durch den Rest der Szene, verschiedene Interaktionen erhalten eine völlig neue Bedeutung. Das Ergebnis ist die Darstellung einer hochkomplexen Situation, wo ein verweigerter Blickkontakt, ein einzelnes Wort oder das Sitzplatz-Wechseln ein maßgeblicher, potenziell gefährlicher Wandel der Szene herbeiführt. Die Theatergruppe „Paroli“ verwendete diese Art der Aufführung, um die Undurchsichtigkeit von häuslicher Gewalt eindrücklich zu demonstrieren. Mithilfe der Zuschauer wird die Bedrohlichkeit von häuslicher Gewalt eingefangen und zum beklemmenden Erlebnis. Das Publikum versucht, die Situation zu entschärfen – manchmal mit Erfolg, und manchmal nicht.
Familienalltag
Ein Besuch bei Familie Nachbaur. Mutter Erika trägt ein blaues Mal im Gesicht, während Tochter Nicole stolz ihre neuen Schuhe zeigt und ihre Mutter zu einem gemeinsamen Shopping-Tag einlädt. Erika lehnt ab, da am Freitag Hausputz ist, was Vater Peter verlangt. Nicole reagiert enttäuscht und sagt, dass sich alles um den Vater drehe.

Als Vater Peter nach Hause kommt, bringt er Geschenke mit. Erika bedankt sich während Nicole anmerkt, dass dies wohl Peters schlechtes Gewissen sei. Als Peter Nicole auffordert, ihr Geschenk auszupacken, bricht sie in Tränen aus und flüchtet auf den Hausflur, wo ein Nachbar sie trösten will. Der Nachbar betritt die Wohnung und findet Mutter Erika verängstigt zusammengekauert, während Vater Peter zum Schlag ausholt.
Aufklärung und Mitgefühl
Nach anfänglicher Unsicherheit meldete sich die erste Zuschauerin, um selbst in die Rolle der Tochter zu schlüpfen. Nach und nach treten immer mehr Teilnehmende vor, um scheinbar kleine Änderungen in der Szene vorzunehmen und dann, oftmals hilflos, zu sehen, welche Konsequenzen sich entfalten. Es werden Wörter geändert und Sitzplätze getauscht, die Einladung zum Shopping-Tag angenommen oder der Vater direkt konfrontiert. Das Publikum ist in seinem Ersuchen unermüdlich, die beiden Frauen aus der Situation herauszuholen.

Im Anschluss wird stets eine Diskussion geführt, um die Veränderung zu analysieren und die Emotionen der Schauspieler zu beleuchten. Wie geht es Mutter Erika, wenn sie sich auf die Einladung einlässt? Wie fühlt sich Tochter Nicole, wenn sie den Vater konfrontiert? Was empfindet Vater Peter, wenn die Tochter auf seinem Platz sitzt? Die Diskussion wird von Vertreterinnen des Gewaltschutzzentrums sowie der Hilfestellen des ifs untermauert und erweitert. Es entsteht ein faszinierender wie bedrückender Dialog, der sich detailreich mit der Realität von häuslicher Gewalt befasst.
Lösungsansätze
Die letzte Wiederholung des Stücks endet mit dem Frauennotruf. So wird das Finale des Abends eingeleitet, wo Vertreterinnen des Gewaltschutzzentrums Vorarlberg und der ifs-Beratungsstellen die Diskussion fortführen. Noch klingt die Beklemmung im Publikum nach, es zeigt sich aber auch vorsichtiger Optimismus durch die Arbeit der Beratungsstellen und des Gewaltschutzzentrums.
So sehr das Thema „Häusliche Gewalt“ noch präsent ist, so sehr wird auch Aufmerksamkeit generiert und Hilfe angeboten: Unter anderem durch die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ oder die Gewaltschutzzentren, aber auch durch Vorführungen wie „Häusliche Gewalt erleben und verändern“. Und zu wissen, dass es Hilfe gibt, die man kostenfrei und sicher in Anspruch nehmen kann, mag vielleicht der erste Schritt sein, um Veränderung oder Lösung zu bringen.