Kultur

Diese Apparaturen glotzen auf das Eigentliche

19.12.2024 • 21:16 Uhr
Diese Apparaturen glotzen auf das Eigentliche
Die Serie “Planetomat”.Stiplovsek

Die Ausstellung von Wendelin Pressl im Bildraum Bodensee lädt zur verspielten Schau auf die Anschauung.

Objekte, die den Blick auf den Betrachtenden zurückwerfen, zeigt der Bildraum Bodensee in seiner aktuellen Ausstellung „Now we have the salad oder: Das Abbild des Eigentlichen“.

Narziss liebt sich selbst nicht

Die griechische Sage um den jungen Narziss, der als Gefangener seiner eigenen Schönheit zugrunde geht, ist von zentraler Bedeutung für die europäische Kunstgeschichte. Dabei wird sie oft missverstanden. Denn Narziss hat sich nicht in sich selbst, sondern in sein Spiegelbild verliebt. Wie unmittelbar realistisch dieser Tod ist, verdeutlicht der Umstand, dass immer mehr Personen beim Versuch, ein Selfie zu schießen, sterben.
Im Gegensatz dazu beleuchten die Arbeiten von Wendelin Pressl das Verhältnis der Menschen zu ihren technischen Apparaturen. Diese verwandelt der Künstler in „Parodien ihrer eigenen Funktion“, wie die Kunsthistorikerin Anne Zühlke festhält.

Wendelin Pressl, Der Antikommunikator, 2021, Pappe, Lack, Spiegel, 25 x 9 x 23 cm
Wendelin Pressl verschränkt seine Sinne im „Antikommunikator“. Bildrecht

So erlauben die „Antikommunikatoren“ die Betrachtung des eigenen Ohres und den Versuch, die Augen zu hören. Doch diese Koppelung der Sinne bringt keine unmittelbare Erkenntnis hervor. Diese setzt erst ein, wenn die Absurdität der neugierigen Handlung ins Bewusstsein gelangt und man sich die Frage stellt, wer hier eigentlich wen bedient.

Wendelin Pressl, Das EGOzentrische Weltbild, 2022, Permanentmarker auf Papier, Glas, gerahmt, Lampe, Ø 121 cm
Das „EGOzentrische Weltbild“. Bildrecht

„EGOzentrisches Weltbild“ dagegen rückt den weiten Blick in den Mittelpunkt. Spiegel und Sternenhimmel zugleich verdeutlicht die verglaste Filzstiftzeichnung die eigene Flüchtigkeit im Kosmos.
Was wir wahrnehmen, ist durch Ideen und Ideologien vermittelt. Dies zeigen die Arbeiten „Planetomat“ mit einfachsten Mitteln. Denn wer durch das schlichte Rohr blickt, könnte meinen, eine Mondlandschaft vor sich zu haben. Dabei handelt es sich um Felsen oder ein Stück Wand. Die witzigen Objekte sind mit den einfachsten Mitteln geschaffen und leben von den Vorstellungen, die die Betrachter mit sich in die Ausstellung tragen.

Artefakte einer fremden Zivilisation

Dieses Motiv setzt sich mit der Serie „Product Features“ fort. Sie umfasst Zeichnungen auf Gebrauchsanweisungen diverser Waren. Dabei verweisen nummerierte Pfeile an unbekannte Zwecke, wodurch die Werke wie Artefakte einer fremden Zivilisation erscheinen.
Pressl gelingt es, mit Humor das Problem der Entfremdung spielerisch anzugehen. Konkret geht es dabei um die Frage, ob die Menschheit als Werkzeuge verwendende Spezies mit dem Kapitalismus eine Gesellschaft hervorgebracht hat, die ihre Schöpfer wie Dinge behandelt. Diesen Umstand fasst der Künstler durch das Medium der Entstellung. Während die Werke neugierige Blicke wecken, drängen sie die Betrachter zur Reflexion über das Nichtsinnliche am Sinnlichen. Dabei kommt sie ohne Zeigefinger oder pädagogischen Duktus aus. Weiterhin eignet sich die Schau als Kulisse für Selfies. Vielleicht erlaubt sie damit Narzissten, einen neuen Blick auf ihr Selbstbild zu wagen.

Während der Bildraum vom 24. Dezember bis zum 6. Jänner geschlossen hat, ist die Ausstellung noch bis zum 5. Februar geöffnet.