Lichtthema und Tanz auf dem Vulkan für Kian Soltani

Im seit langem ausverkauften Meisterkonzert glänzten die Wiener Symphoniker gemeinsam mit dem charismatischen Cellisten Kian Soltani und dem Dirigenten Patrick Hahn.
Kian Soltani genießt seine Auftritte in der Heimat. Nun war er zum ersten Mal gemeinsam mit den Wiener Symphonikern auf ihrer jährlichen Bundesländertournee im Rahmen der Meisterkonzerte im Festspielhaus und brachte dazu das Cellokonzert des Feldkircher Komponisten Marcus Nigsch mit: ein umjubeltes Ereignis!

An seiner Seite der noch nicht 30-jährige Dirigent Patrick Hahn, dessen Karriere ebenso steil und erfolgreich verläuft und der außerdem als Pianist, Komponist oder Chansonnier eine enorme Bandbreite aufweist: Er bettete das Cellokonzert, das vergangene Woche in Wien uraufgeführt wurde, in zwei „Schlager“ der russischen Orchestermusik, nämlich die quirlige Ouvertüre zu Michail Glinkas Oper „Ruslan und Ludmilla“ und Peter Tschaikowskys fünfte Symphonie. Das Publikum feierte das Orchester, das alljährlich seine Sommer bei den Bregenzer Festspielen verbringt und heuer 125 Jahre wird, den Solisten, den Komponisten und den Dirigenten.

Glinkas Ouvertüre ist ein „Knaller“: gut gelaunt, mit eingängigen Themen, mitreißend und pulsierend weckt Patrick Hahn in den Wiener Symphonikern ihr musikantisches Feuer und lässt mit ungemein filigran und präzise gesetzten Figuren in diesem idealen Konzertauftakt aufhorchen.
Liebe zur Filmmusik
Der 33-jährige Kian Soltani und der 20 Jahre ältere Komponist Marcus Nigsch kennen sich gut, treffen sich in ihrer gemeinsamen Liebe zur Filmmusik und zur genreübergreifenden Musik. (Soltani hat ja während der Corona-Zeit eine ganze CD „Cello unlimited“ mit sich selbst im vielstimmigen Dialog und eigenen Filmmusik-Arrangements eingespielt). Nigsch hat Soltanis Klang auf dem wunderbaren Stradivari-Cello, das ihm von einer Stiftung zur Verfügung gestellt wird, intensiv nachgelauscht, nach vielen gemeinsamen Gesprächen und freundschaftlichen Begegnungen hat er ihm das facettenreiche Konzert in die Finger und das Instrument geschrieben: auf einen scharfen Akkord des großen Orchesters setzt Soltani mit einer ausgedehnten Solopassage bis hinein in höchste Lagen ein, Solist und Orchester begegnen sich in einem „heroischen“, ironisch gebrochenem Marsch. Ein kantables Cellothema „das ‚Lichtthema‘, angestimmt mit, so Soltani, „naivem Optimismus“, wird von den Blechbläsern gestört, setzt sich aber im Lauf der Zeit immer mehr durch.

Wunderbar frei von Kitsch
Nigschs Konzert mit dem Titel „Versus“ ist gut hörbar, musikantisch, der Solist ist bald Gaukler, bald strahlende Leitfigur und immer im Dialog mit den verschiedenen Orchestergruppen. Im langsamen Satz verschmelzen Solist und Orchester in einem sinnlichen Klang, mit vertrackten Rhythmen und einem hochvirtuosen Solopart entwickelt sich das Finale zu einem Tanz auf dem Vulkan. Nach einer von Wien über Graz und Salzburg nach Bregenz führenden Tournee sind Orchester, Soltani und Patrick Hahn bestens aufeinander eingespielt und genießen den Beifall des Publikums. Auch Marcus Nigsch freut sich über den herzlichen Beifall. „Etwas Ruhiges“ verspricht der Cellist und lässt als Zugabe, getragen von Harfenklängen, den „Schwan“ aus Saint-Saens‘ „Karneval der Tiere“ über das Wasser gleiten: singend und wunderbar kitschfrei!
Brodelndes Finale
Auch zu Peter I. Tschaikowskys fünfter Symphonie hat der junge Dirigent Patrick Hahn, der seit drei Jahren GMD in Wuppertal ist, einen frischen Zugang: dunkel, melancholisch sind die Themen der Bläser und tiefen Streicher, straff und organisch die Steigerungen im ersten Satz. Ohne Stab modelliert der zierliche Dirigent diese Symphonie: „con alcuna licenza“ – „mit einiger Freiheit“ lautet die Anmerkung im langsamen Satz, mit warmem Klang und großem Atem bringt er die wabernden Figuren zusammen. Der Walzer, der im 5/8tel-Takt keiner ist, hat feine Akzente, und ohne plakativ zu werden, arbeitet Patrick Hahn das brodelnde Finale bis zum letzten Beckenschlag aus.

Zum 125. Jubiläum und in Anerkennung für die bald 80-jährige Zusammenarbeit der Wiener Symphoniker mit den Bregenzer Festspielen überreichten die Kulturverantwortlichen der Stadt eine lebhafte Ansicht der Bregenzer Oberstadt aus den Händen von Tone Fink an den Intendanten Jan Nast. Zum Dank verabschiedeten sich Orchester und Dirigent mit zwei fulminant dargebotenen Polkas von Johann Strauß – auch das können sie!
Katharina von Glasenapp