Eine doppelte Reise durch Schuberts Kosmos

Während Liviu Holender beim klassischen Schubert bleibt, führen ihn „The Erlkings“ auf ein neues Klang-Terrain.
Zwei Liederabende der Schubertiade zeigten ein breites Spektrum der Interpretation: Bariton Liviu Holender gab am Mittwoch an der Seite von Lukas Rommelspacher sein Schubertiade-Debüt mit einem schön abgerundeten Schubert-Mahler-Programm, am Maifeiertag präsentierten The Erlkings rund um Bariton Bryan Brenner ihre sehr eigene Interpretation von Schuberts „Winterreise“.
Überraschende Klangwirkungen

So „klassisch“ der eine, so „anders“ der andere Liederabend: Würde man Liviu Holender ein bisschen mehr von der Lockerheit der „Erlkings“ wünschen, so bringen der amerikanische Wahlwiener und seine Partner auf Gitarre, Cello, Tuba, Drumset und Marimba zwar neue Farben und überraschende Klangwirkungen, doch bleibt dafür anderes auf der Strecke.
Liviu Holender – er ist der Sohn des langjährigen Direktors der Wiener Staatsoper und der Volksoper, der selbst ausgebildeter Sänger war – ist seit sechs Jahren im Ensemble der Oper Frankfurt, von dort hat er auch seinen Pianisten Lukas Rommelspacher mitgebracht. Im Lied ist er klar fokussiert, wortdeutlich, er verfügt über einen breiten Ambitus mit einer warm timbrierten Stimme, doch bleibt er – vielleicht aus Respekt vor dem Schubertiadedebüt – recht fest und angespannt.
Souverän, aber etwas zu laut
Die erste Mahler-Gruppe mit den „Liedern eines fahrenden Gesellen“ bringt mehr Farben, Dramatik und Eindringlichkeit, in den Rückert-Liedern von Schubert und Mahler nach der Pause mischt er zunehmend Pianofarben und Dynamik hinein. Lukas Rommelspacher, Dirigent und Korrepetitor, ist pianistisch souverän, doch in den zarteren Mahler-Liedern gern etwas zu laut und könnte sich noch mehr mit den vertonten Texten auseinandersetzen. Insgesamt war das ein Liederabend, der mit feinen Details erfreute, doch scheint der Sänger noch mehr Potential in der Gestaltung zu haben.
Experimentierfreudig
„The Erlkings“ rund um Bryan Benner, der sich selbst auf der Gitarre begleitet, die klassischen Lieder ins Englische übersetzt und im Cellisten Ivan Turkalj, dem Tubisten Simon Teurezbacher und Thomas Toppler an Schlagzeug und Vibraphon sensible und experimentierfreudige Mitstreiter hat, holen in Schuberts „Winterreise“ manches heraus, was in der Musik steckt und verstärkt wird.

Benners Übersetzungen (Nachdichtungen) ins Englische klingen überzeugend, auch nah an den Schubert‘schen Vokalfarben. Die Interpretationen sind liebevoll, überraschend, musikantisch und sehr sympathisch. Manchmal schmückt er die Gesangslinie mit gewöhnungsbedürftigen Schleifern. Wenn Benner die Texte zuerst übersetzt und dann wieder in seiner charmanten Moderation „rückübersetzt“, bringt das neue Aspekte in dem oft gehörten Zyklus auch für die, die ihn innerlich mitsingen und -sprechen.
Für manche im erfreulich durchmischten Publikum war das vielleicht eine erste Begegnung mit den so intensiv dargestellten Seelenzuständen des ausgestoßenen Wanderers und kam sehr gut an – wobei Pfiffe und Johlen nach dem „Leiermann“ auch nicht so recht passen mögen.
Doch für die „Kenner“ bleiben es doch 24 Einzelbilder, die sich nicht zu einem Ganzen runden wollen.
Katharina von Glasenapp