Lyrik in Streichern und Stimme

Das Aris Quartett und Christiane Karg präsentierten bei der Schubertiade Aribert Reimanns Hommage an Stimme und Literatur.
Am Dienstagnachmittag präsentierten die Sopranistin Christiane Karg und das Aris Quartett bei der Schubertiade ein Programm mit Liedbearbeitungen, die der im vergangenen Jahr verstorbene Komponist, Pianist und Musikwissenschaftler Aribert Reimann auf Werke von Schubert, Schumann, Brahms und Mendelssohn geschaffen hatte: Angeregt worden war er dazu ursprünglich von Juliane Banse und dem Cherubini Quartett – auch sie langjährige Schubertiadegäste, ebenso wie der Komponist, dessen lebenslange Liebe zur Literatur und zur menschlichen Stimme die Musikwelt bereichert hat und der unter anderem Brigitte Fassbaender und Dietrich Fischer-Dieskau bei Liederabenden begleitet hat.
Elfenspuk und Sturmgebraus
Im Programm erlebte man die verschiedenen Herangehensweisen Reimanns, die Werke der romantischen Komponisten zu Zyklen zu verbinden. Eingeleitet wurde es von der feinen Interpretation eines frühen Quartetts von Felix Mendelssohn Bartholdy, in dem Anna Katharina Wildermuth und Noémi Zipperling, die beiden Geigerinnen im eleganten Partnerlook, gemeinsam mit dem Bratschisten Caspar Vinzens und dem Cellisten Lukas Sieber eine mild wehmütige Einleitung zum lieblichen, sprechend ausformulierten Allegro präsentierten. Die zierliche Canzonetta mit geheimnisvollem Mittelteil (hier klingt bereits der Elfenspuk aus dem „Sommernachtstraum“ an) und ein inniger langsamer Satz machten dem feurig jugendlichen Sturmgebraus des Finales Platz.

Worteutlich und schlicht
In “Mignon“ hat Reimann die Klavierstimme der Schubertlieder nach Gedichten aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ behutsam so für Streichquartett transkribiert, dass die Violinstimmen über der Gesangsstimme liegen und diese, grundiert von den Unterstimmen, wie mit einem leuchtenden Schein umgeben. Christiane Karg schmiegt sich mit ihrer feinen, mühelosen Höhe und der ausdrucksreichen Mittellage hinein: wortdeutlich und schlicht in der Deklamation werden die Mignonlieder zu einem zarten Gespinst, das durch das Leitmotiv der „Sehnsucht“ verbunden wird. Im zweiten Teil unterstreichen die Lieder von Schumann und Brahms zum Teil in aphoristischer Kürze die Zerbrechlichkeit und das körperlos Unwirkliche der Ophelia aus Shakespeares „Hamlet“. In „…oder soll es Tod bedeuten“ bindet Reimann Lieder von Felix Mendelssohn nach Gedichten von Heinrich Heine so zusammen, dass ein melancholischer Zyklus entsteht. Eigene Intermezzi des Streichquartetts greifen die Charaktere der Lieder auf, vertiefen sie, führen weiter, sind behutsam gefasst und doch ungemein expressiv. Dem letzten Lied „Warum sind denn die Rosen so blass“, das, Fragment geblieben, in einem herzzerreißend offenen Schluss endet, lassen sie ein schimmernd tröstliches Abendlied von Schumann zum Abschluss dieses feinsinnigen und tiefgehenden Programms folgen.
Katharina von Glasenapp