Schuberts Vermächtnis ist in besten Händen

Der Konzertabend bei der Schubertiade begann mit einer Gedenkminute und entfaltet sich in dramatischer Energie.
Die russische Pianistin und Wahlwienerin Elisabeth Leonskaja, die der Schubertiade seit 40 Jahren verbunden ist und die im November ihren (kaum glaublichen) 80. Geburtstag feiert, musizierte gemeinsam mit dem britischen Pianisten Julius Drake, der als einer der einfühlsamsten Liedpianisten geschätzt wird, ein Programm mit Schuberts vierhändiger Klaviermusik. Zu Beginn bat sie das Publikum um eine Gedenkminute für den verstorbenen Alfred Brendel, um dann mit Vehemenz und Energie in die „Lebensstürme“ von Franz Schubert einzutauchen – so nah sind sich Tod und Leben!
Lebensstürme
Schubert hat viele seiner vierhändigen Werke für den Unterricht mit den heimlich verehrten Comtessen Esterhazy komponiert und man kann sich vorstellen, dass er in den intimen Tanz der vier Hände auch geheime Liebesbotschaften hineingewoben hat, ist doch das vierhändige Klavierspiel auf so engem Raum eine durchaus delikate Angelegenheit. Julius Drake übernahm, ganz Gentleman, den Secondo-Part in der Unterstimme mit federnd pulsierenden Klängen, während Elisabeth Leonskaja die hell leuchtenden und perlenden Oberstimmen beisteuerte. „Lebensstürme“ heißt das Werk aus Schuberts Todesjahr 1828, in dem es im Hauptthema buchstäblich stürmt, das aber auch ein wunderbar sanft lächelndes Seitenthema bereithält. Elisabeth Leonskaja und Julius Drake bildeten dieses Auf und Ab, die zahlreichen Varianten und Beleuchtungswechsel mit kraftvollen oder fein perlenden Figuren ab. Zwar musizieren die beiden nicht so ausgewogen wie andere Klavierduos, die seit Jahrzehnten aufeinander eingeschworen sind, aber die Liebe zu Schubert und die reiche Erfahrung schweißt sie zusammen. Zu erleben ist das in der ruhig strömenden f-Moll-Fantasie, der differenzierten Dynamik, dem Spiel von Licht und Schatten im langsamen Teil, der ausgelassenen Spielfreude im Scherzo und in der zum Teil recht massiv wirkenden Fuge, die sich zur Generalpause hin aufschaukelt und das Hauptthema dann neu leuchten lässt.

Himmlische Längen
Vielleicht eine Symphonie, in jedem Fall ein Werk mit symphonischen Ausmaßen und den berühmten „himmlischen Längen“ ist Schuberts „Grand Duo“ in C-Dur, das nach der Pause auf dem Programm stand. Auch hier gibt es weite Melodiebögen, Beleuchtungswechsel, Wanderungen durch die Tonarten, Zäsuren. Der zweite Satz bringt für Julius Drake eine schöne Baritonmelodie, die Elisabeth Leonskaja mit hellen Glockenklängen umspielt, das Lied „Der Einsame“ („wenn meine Grillen schwirren“) scheint immer wieder mal zusammen mit anderen Liedern zu grüßen in diesem dicht verflochtenen Satz. In rasendem Staccato bäumt sich das Scherzo auf, umrahmt ein sanftes Trio und im ausgedehnten heiteren Finale kann man nachvollziehen, dass Schumann in diesem Werk eine nicht instrumentierte Symphonie sah: Farben, Registerwechsel, ein nur selten unterbrochenes reges Treiben und dann eine humoristisch zugespitzte Stretta stacheln das Duo zu pianistischen Höhenflügen an. Jubel und ein kleiner Marsch als Zugabe, bei dem Julius Drake einmal den oberen Part übernahm.
Katharina von Glasenapp