Von leiser Innigkeit zur schaurigen Intensität

Schubertiade: Erika Baikoff und Daniel Heide gestalten einen Liederabend mit Werken von Alma und Gustav Mahler sowie Franz Schubert.
Zweimal war sie in den vergangenen beiden Jahren eingesprungen, nun präsentierte die russisch-amerikanische Sopranistin Erika Baikoff an der Seite von Daniel Heide einen ungemein facettenreichen Liederabend. Nach verschiedenen Ausbildungs- und Opernstudiostationen ist sie Mitglied der Bayerischen Staatsoper, bereits 2019 hat sie sich einen ersten Preis beim Helmut-Deutsch-Liedwettbewerb ersungen und nun war zu erleben, wie sie mit Stimm- und Vokalfarben zu gestalten weiß. Daniel Heide, der Duopartner von zahlreichen Sängerinnen und Sängern der jüngeren Generation, begeisterte wieder durch seine enorm differenzierte Gestaltung des Klavierparts.

Träumerische Linien
Lieder von Alma und Gustav Mahler bildeten den ersten Teil und regten zu interessanten Vergleichen an. Alma Mahler, geborene Schindler, hatte ja vor ihrer Verbindung mit Gustav Mahler große Ambitionen als Liedkomponistin gehabt und bei Alexander von Zemlinsky studiert, der mal träumerische, dann üppig ausufernde und dichte Klaviersatz, die weiten Gesangslinien und auch die Auswahl der Texte sprechen eine ganz eigene Sprache der späten Romantik. Stimme und Klavier sind eng verwoben, die Sängerin konzentriert sich ganz auf die träumerischen Linien und gestaltet das letzte Lied „Lobgesang“ nach einem Text von Richard Dehmel mit großer Intensität und Dramatik – nur schade, dass man da vom Text so gut wie nichts versteht!
Dramatische Wucht
Bei den fünf Rückert-Liedern von Gustav Mahler, die dieser wie Alma um die Jahrhundertwende geschaffen hatte und die ja ungleich bekannter sind, spannen die Sängerin und der Pianist einen riesigen Bogen zwischen feinem Gespinst („Ich atmet‘ einen linden Duft“), Innigkeit, dramatischer Wucht („Um Mitternacht“) und Entrückung. Immer mehr setzt Erika Baikoff hier ihre schlanke, manchmal fast tonlos geführte, sich dann zu mühelosen Glockentönen aufschwingende und auch raumfüllende Stimme im Dienste der Textausdeutung ein. Ihre individuellen Vokalfarben und die bewusst gesetzten Stilmittel sind höchst interessant im Reigen der Schubertiadestimmen.
Blumenballade
Dies setzt sich nach der Pause mit einer schönen und auch ungewöhnlichen Auswahl von Schubert-Liedern fort. Die reicht vom träumerisch silbrigen Hauch in „Heimliches Lieben“ über die verschiedenen Charaktere in „Alinde“, die auch Daniel Heide so liebevoll nachzeichnet, zur ausgedehnten Blumenballade „Viola“, in der er das Klavier im hohen Register fast wie eine Celesta klingen lässt und die Sängerin einen wunderbaren Blumenstrauß von Tönen bindet. Der Reihe heiter schwingender oder filigran entrückter („Des Fischers Liebesglück“) Lieder setzen die beiden mit „Auflösung“ nach Mayrhofer mit den fahlen Tremolofiguren und „Der Zwerg“ mit seiner schaurigen Intensität einen spannenden Gegenpol. Mit zwei lyrisch schimmernden Schubertliedern und einem Lied von Rachmaninow verabschieden sich die beiden von ihrem begeisterten Publikum.
Katharina von Glasenapp