Kultur

Schnittmuster der Zivilisation

30.07.2025 • 21:03 Uhr
Schnittmuster der Zivilisation
Carmen Pfanner vor den mit Tee gefärbten Vorängen im “Regnis Singer”. paulitsch

Die Sommerausstellung der Stadt Bregenz im Künstlerhaus Thurn und Taxis zeigt “Regnis Singer” von Carmen Pfanner. Eine Schau, die mit Handwerk, Humor und einer Hommage an die Singer-Nähermaschine zum verspielten Eintauchen in die Geschichte der Menschheit einlädt.

Die Fäden der Geschichte, von der Urzeit in die Zukunft, vom Intimen bis in die Industrie, fügen sich im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis zu einem Werk kolossaler Verspieltheit. Möglich macht das Carmen Pfanner (Jahrgang 1957), die im Rahmen der Sommerausstellung der Stadt Bregenz das ganze Haus von Kopf bis Sohle bespielt. Zu sehen sind Werke der nicht-studierten Künstlerin aus über 20 Jahren Schöpfungszeit, mit teils eigens für die Schau „Regnis Singer“ erstellten Arbeiten.

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Pfanner und Reichart. paulitsch

Der Name ist ein Palindrom: „Regnis“ ist „Singer“ rückwärts, die Umkehrung verweist auf das Prinzip der Reflexion, auf das rückwärtige Lesen von Biografie, Geschichte und Fortschritt. Kuratiert wurde sie von Judith Reichart, Leiterin der städtischen Kulturabteilung.

Akkord und Ankunft

Von 1973 bis 1975 besuchte Pfanner die Textilschule in Dornbirn, bis 1996 war sie in der einst ungemein bedeutsamen Textilindustrie tätig. Schüchtern, als hätte die Künstlerin etwas zu verbergen, worauf sie eigentlich stolz sein könnte, schildert sie ihren beruflichen Werdegang: vom Akkordnähen in der Schweiz, hin zur Raumausstattung und später in den Sozialbereich, wo Pfanner langzeitarbeitslosen Frauen das Nähen lehrte. An „eigenen Sachen“, gemeint sind Kunstwerke, arbeitete sie neben dem Brotberuf. Das Gefühl, eigene Kunst zu schaffen, kam erst 1996, mit ihrer ersten Schau in der früheren Seifenfabrik Lauterach, zu ihr. Ein Umstand, den man fast 30 Jahre später nicht erahnen könnte, so groß ist die handwerkliche und ästhetische Kraft ihrer Werke. Seit 1997 ist die gebürtige Dornbirnerin als bildende Künstlerin selbstständig tätig.

Hammer Zeit

Der urzeitliche Axthammer ist das zentrale Motiv im Keller des Palais. Wie alle Werkzeuge, ersetzte es dem „Mängelwesen Mensch“ fehlende Natureigenschaften, etwa scharfe Zähne oder Klauen.

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paulitsch

Das Erdgeschoss hingegen offenbart bunte Schaufeln und Plastikdeckel mit blendend reinen Farben. Zu den Nachfahren des steinzeitlichen Geräts gesellen sich großformatige „Baupläne“ rätselhafter Maschinen.

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paulitsch

Das Kunstwerk kann als Anleitung für eine raumgreifende „Möbelmaschine“ verwendet werden.

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paulitsch

Das eigentliche „Regnis Singer“ befindet sich im ersten Stock. Im „Königreich der Singer Nähmaschine“ ehrt ein mittelalterliches Wappen das ikonische Gerät, samt an Käferpanzer angelehnte Schnittbilder von Kleidern – der „zweiten Haut“. Ihnen gegenüber befinden sich kopflose Puppen aus DDR-Fabrikation. Deren vergrößerte Umrisse lassen sich in einem weiteren Raum erkennen. Humorvoll tragen die Objekte der Serie Namen bekannter Modedesigner.

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paulitsch

Normierung

Eine umfassende Beschreibung der Schau würde den Rahmen sprengen, zu groß ist die Vielfalt und Tiefe der gezeigten Objekte. Das Dachgeschoss darf dabei nicht unerwähnt bleiben. Dort ruht eine raumgreifende Installation, kalt und futuristisch mit Latex geschaffen. Die Möbel- und Kleidungsstücke versinnbildlichen die fortschreitende Normierung des Menschen.

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paulitsch

Ein gewaltvoller Prozess, der die Frage aufwirft, ob der steinerne Axthammer je wirklich überwunden wurde. Denn der Prozess der Normierung gleicht einem Hammer, mit dem die Gesellschaft ihre Mitglieder in „passende Stücke“ haut.

„Regnis Singer“ kann bis zum 31. August besichtigt werden.