Bregenzer Expertin für angewandte Lückenkunde

Poetin Veronique Homann widmet sich dem Abwesenden. Dabei bringt sie reichhaltiges Zutage.
Die Lücke ist das Metier der Bregenzer Lyrikerin Veronique Homann (geboren 1990). Das zentrale Motiv ihrer Installation „Dada, dass“ in der Feldkircher James-Joyce-Passage hingegen ist das Pflaster. Kuratiert durch Erika Kronabitter (literatur:vorarlberg), sind die im Durchgang ausgestellten Arbeiten Teil der Feierlichkeiten zur 100-jährigen Eingemeindung der Stadt Feldkirch. In Anspielung an deren Motto „zusammen wachsen“, verweist Homanns Werk auf die seelischen Wunden, ohne deren Heilung keine emphatische Nähe möglich ist: „Das Pflaster will nicht verbergen. Vielmehr ist es ein Hinweis auf Verletzlichkeit, fungiert als Trost“, schildert die Künstlerin. Bis Laura Nussbaumer die Passage im Oktober bespielt, kann das Werk noch besichtigt werden.

Lückologie. Ihre Praxis bezeichnet sie als angewandte Lückologie: „Das Abwesende ist der Gegenstand. Etwas, das vorhanden ist, aber fehlt. Die Lückologie darf aber nicht als Stilmittel verstanden werden, vielmehr greift sie dort, wo der Text einen Inhalt braucht.“ Dass Fußballfans ihr Werk als passende „Lücke“ für Sticker ausgewählt haben, findet Homann amüsant. „Dass Pflaster heruntergerissen wurden, finde ich aber übertrieben. Es muss wirklich eine Fuzzlerei gewesen sein, die professionell angebrachten Arbeiten herunterzuholen. Dabei sind sie überhaupt nicht provokant!“, wundert sich die Lyrikerin über die Taten unbekannter „Lückenreisser“.

Die Installation beruht auf den Gedichten „T“, „I“ und „Näher/Am Nächsten/Zu Nahe“ aus ihrem kurzen Band „Ave Paria“ (edition tagediebin, 2024). Mit „Sid Wischi Waschi“ (parasitenpresse, 2021) und „Akut“ (Les Éditions du Castel, 2025), die zweite ihrer bislang drei Publikationen, widmet sich die letztgenannte einer persönlichen Geschichte. Denn die mit deutschem Pass in Österreich aufgewachsene Künstlerin trägt einen französischen Vornamen, dem das Akut (´) über dem ersten „e“ abhandenkam.
Gedicht “I”
Aus “Ave Paria”
Dada, dass ein leeres Wort oder
Versprechen
etwas ohne Inhalt
ohne Substanz
zwischen zwei Menschen in der
Folge
Raum einnehmen und Gewicht
haben
kann.
Ein Gefängnis in Frankreich. Vor zwei Jahren schilderte Homann ihrem Vater, dass sie auf eine Residency in die französische Stadt Sarreguemines gehen wird. Davon hörend, soll sich sein Gesichtsausdruck merklich verändert haben. „In Sarreguemines bin ich Mitte der Achtzigerjahre eingesessen“, wird er im Buch zitiert. Absurd beiläufig fügt ihr Vater hinzu, dass er während der Zeit im Gefängnis den Namen Véronique, also mit Akut, im Fernsehen aufgeschnappt hat.

So begab sich die Künstlerin für vier Wochen in die Gemeinde mit unerwartet persönlichem Bezug. Akut ist in dieser Zeit entstanden. Den Lesenden offenbart sich die kleine Schrift von 30 Seiten, jeweils in Deutsch und Französisch gehalten, als Spaziergang spazierenden Einblick in ihre eigene Geschichte. Gleichermaßen humorvoll und ernst im Inhalt, überzeugt die intime Schrift mit ihren kurzen, dynamischen Sätzen.

Achsiedlung. Zuletzt nahm sie an einer Aktion von „WGN – Verein für Kunst und Kultur“ in der Bregenzer Achsiedlung teil. Ein Ort, an dem die Mutter ihres Vaters einst wohnte. „Als ich noch ein Kind war, gab mir ein Jugendlicher am Spielplatz eine Ohrfeige. Jetzt freut es mich aber, wenn ich dort hingehen kann.“ Ausgestattet mit Mikrofonen, begab sich der Verein zu den jungen Siedlungsbewohnern. „Wir haben den Kindern nahegebracht, wie sie Geräusche aus Natur und Umfeld in einer Geschichte verbinden können. Anschließend wurde gegrillt. Vor zwei Jahren waren wir schon einmal dort. Sie haben sich an uns erinnert, wir an sie. Das war sehr schön.“