Kultur

Märchenwald und Paradies

19.08.2025 • 10:28 Uhr
Symphonieorchester Vorarlberg
Das Symphonieorchester Vorarlberg unter Chefdirigent Leo McFall bei der Festspiel-Matinee mit Werken von Gustav und Alma Mahler sowie Oscar Fried. BREGENZER FESTSPIELE/CHRISTIAN LINS

Das Symphonieorchester Vorarlberg und sein Chefdirigent Leo McFall bescherten dem Publikum eine „mahlerische“ Sternstunde.

Am letzten Sonntag der Bregenzer Festspiele tauchten das Symphonieorchester Vorarlberg mit seinem Chefdirigenten Leo McFall, der ungarischen Mezzosopranistin Dorottya Láng und der finnischen Sopranistin Sonja Herranen in die Welt Gustav Mahlers, seiner Gattin Alma und seines Freundes Oscar Fried ein. Wieder zeigte das SOV in dieser traditionellen Matinee, dass es neben den „großen“ Wiener Symphonikern seine eigene Handschrift und Orchesterpersönlichkeit hat und unter seinem britischen Chef regelmäßig zu Hochform aufläuft.

Leo McFall - Symphonie Orchester Vorarlberg
Dirigent Leo McFall. BREGENZER FESTSPIELE/CHRISTIAN LINS

Bekannte Motive

Mahlers vierter Symphonie bildete den großen Abschluss, zu Beginn ging es mit der „Fantasie über Motive aus ‚Hänsel und Gretel‘ nach Humperdinck“ in den Märchenwald: Oscar Fried, der mit Mahler und Humperdinck befreundet war und als Dirigent und Komponist wirkte, hat die bekannten Motive vom „Abendsegen“, den Kinderliedern, dem Traummännlein oder dem Freudentanz am Schluss in ein charmantes Orchesterportrait verwandelt. Hier konnten sich schon alle Register, Solobläser und Stimmführerinnen vorstellen, das „Ein Männlein steht im Walde“ hat Fried in keck aufspringender Kontrapunktik verarbeitet.

Dass Gustav Mahler seiner Alma das Komponieren verbot und erst in seiner letzten Lebenszeit mit ihr an der Herausgabe einiger Lieder arbeitete, ist bekannt. Die beiden Brüder David und Colin Matthews, die sowohl selbst komponierten als auch sich intensiv mit der Musik von Gustav Mahler auseinandersetzten (etwa in der Ergänzung der zehnten Symphonie), haben bereits vor 30 Jahren eine Orchestration des Klaviersatzes geschaffen, die recht voluminös spätromantisch wirkt und die die Stimme in den Orchesterklang einbettet. Im Auftrag der Bregenzer Festspiele haben sie jetzt zwei weitere Lieder nach Dehmel und Novalis bearbeitet: Die ungarische Mezzosopranistin Dorottya Láng interpretierte sie mit großer, farbenreicher Stimme und weitem Ambitus, doch fokussierte sich mehr auf den warmen Klang als auf die Textdeutlichkeit. Unter der umsichtigen Leitung von Leo McFall erlebte man die ahnungsvolle Melancholie im ersten Lied, die Fülle und Sinnlichkeit der Gedichte und auch den großen Aufschwung im letzten Lied, der „Nacht-Hymne“ nach Novalis.

Leidenschaft

Alma Mahlers Lieder haben ihren eigenen, emotionalen und leidenschaftlichen Tonfall. Dies wird durch die Orchesterfassung noch verstärkt und das SOV brachte es mit Hingabe und schönen Solostellen zum Klingen. Übrigens hat Paasikivi, die selbst Mezzosopranistin war, die Lieder von Mahler vor über 20 Jahren mit dem Tampere Philharmonic Orchestra unter Jorma Panula auf CD eingesungen (Label Ondine).

Leo McFall - Symphonie Orchester Vorarlberg
Sopranistin Sonja Herranen. BREGENZER FESTSPIELE/CHRISTIAN LINS

Mit Gustav Mahlers vierter Symphonie konnte Leo McFall mit seiner so klaren und sparsamen, immer zugewandten Körpersprache sein Orchester wie ein großes Instrument zum Klingen bringen. Der erste Satz klang wunderbar durchsichtig und kammermusikalisch, auf kleinem Raum blühten die Motive auf, spielten die Holzbläser frech und musikantisch auf, arbeitete er mit starken Rubati und großer Dynamik. Im zweiten Satz hatte Konzertmeisterin Michaela Girardi auf ihrer höher gestimmten Geige ihr großes Solo, wenn „Freund Hein“ (der Tod) zum Tanz aufspielt und das ganze Orchester in seiner Musizierlust gepackt wird. Im langsamen Satz bereiteten die einzelnen Streichergruppen von unten aufsteigend den Boden für wunderbare Kantilenen, in die sich die Bläser sanft einblendeten: Hier fühlte man sich „der Welt abhanden gekommen“, wie Mahler es in einem seiner Lieder vertont hat. Mit dem großen gleißenden Aufschwung trat man ein ins Paradies, das im letzten Satz besungen wird: Mit „Wir genießen die himmlischen Freuden“ zeichnete die finnische Sopranistin Sonja Herranen mit sehr guter Textverständlichkeit und schlanker Stimmführung und getragen vom so facettenreichen Orchester ein Bild von lebhaftem Gewimmel und sanfter Glückseligkeit bis hin zum stillen Schluss.

Wunderbarer Abschluss

Natürlich stand am Abend auf der Seebühne noch einmal Webers „Freischütz“ auf dem Programm, aber auch diese Matinee war ein wunderbarer Abschluss eines intensiven Festspielsommers. Die Handschrift der finnischen Intendantin Lilli Paasikivi mit der Hausoper „Oedipe“, den interessanten Orchesterkonzerten, den beiden Tanzproduktionen, einem stimmungsvollen „Tango am See“, der bunten „Cenerentola“ und dem außergewöhnlichen Abend mit Joyce DiDonato war vielversprechend und man darf gespannt sein auf weitere nordische Akzente in den kommenden Jahren.

Katharina von Glasenapp