Wenn einem die Lieder das Warten nicht versüßen können

Stärken und Schwächen des Landestheater Vorarlbergs treten bei der Premiere von „Transit“ offen zutage.
Das Mittelmeer ist ein Massengrab. Unzählige Menschen sind auf der Flucht von Nordafrika Richtung Europa ertrunken. In den 1940ern hingegen versuchten vom Nazi-Regime Verfolgte, Europa über dieses Meer zu verlassen.
In jener Zeit spielt „Transit“, die neue Produktion des Landestheater Vorarlberg. Basierend auf Reto Fingers Bühnenfassung von Anna Seghers Roman aus dem Jahre 1944, widmet sich die Rahmenhandlung des Stücks bürokratischen Hindernissen, besser gesagt der Unmöglichkeit, einer bewilligten Überfahrt in sichere Länder.
Doppelte Premiere
Die Aufführung feiert am 4. Oktober im doppelten Sinn Premiere. Es wurde nicht nur erstmals im Haus gespielt, sondern zeigt auch das Regiedebüt der Intendantin Stephanie Gräve.
Ein Video setzt mit den sanften Wogen der trügerisch schönen See gleich am Anfang den Ton. Meisterhaft unterstreichen die Musiker Marcello Girardelli, Martin Grabher und Oliver Rath dieses spannungsgeladene Bild. Man spürt, Gefahr droht, aber auch das Drohende ist gefährlich.

Davon wissen die Protagonisten. Luzian Hirzl schlüpft in die Rolle Seidlers, dem in Paris der Koffer des verstorbenen Schriftstellers Weidel übergeben wird. Auf der Flucht vor den Nazis begibt er sich selbst nach Marseille, mit dem Mexikovisum des Toten im Koffer.

Zwischen Konsulat und Kaffeehaus entfaltet sich eine Geschichte, die gerade in ihren kafkaesken Momenten realistisch ist. Erst gibt sich Seidler als Weidel aus, doch rasch verliebt er sich in die Frau des Toten. Marie (Isabella Campestrini) ist aber in einer Beziehung mit einem Arzt (Nurettin Kalfa) und will ohne ihren am Leben geglaubten Mann nicht fliehen.

David Kopp und Gastschauspieler Rolf Mautz ergänzen das Beziehungsspiel in diversen humorvoll-tragischen Rollen, etwa als homosexuelles Paar. Über allem steht Josepha Yen, die in der düsteren Rolle des Clowns nicht in die Handlung eingreift.

Das Leid mit den Liedern
Wie auch in der letzten Spielzeit ist auch diese Inszenierung mit durchwegs dürftigen Gesangseinlagen versetzt. Sie überzeugen weder musikalisch noch dramaturgisch. Stattdessen vermitteln sie den Eindruck, als würde das Haus am Wert der eigenen Kunst zweifeln. Ein tragischer Umstand, denn „Transit“ lebt weder von Popkultur-Referenzen noch vom ausnahmsweise gelungenen Klamauk, sondern vom handwerklichen Vermögen des Ensembles, ein Drama ausdrucksstark wiederzugeben.