Besonnen gegen die Extreme

Durch Aue-Ben-David gewinnt das Jüdische Museum Hohenems eine Direktorin mit internationaler Erfahrung und ruhiger Überzeugungskraft.
Mit der Historikerin Irene Aue-Ben-David wird dem Jüdischen Museum Hohenems ab April eine neue Direktorin vorstehen, die wie ihr baldiger Vorgänger Hanno Loewy an die Notwendigkeit besonnener Räume für kritische Diskurse glaubt. Eine Haltung, die nicht erst seit dem jüngsten antisemitischen Anschlag in Sydney mit großen Herausforderungen einhergeht.
Die gebürtige Deutsche verbrachte die letzten 22 Jahre in Israel, wo sie seit 2015 als Leiterin der Jerusalemer Zweigstelle des Leo Baeck Institut wirkt, einer international vernetzten Forschungs- und Vermittlungsinstitution für die Geschichte des deutschsprachigen Judentums. Über ihre Expertise im Feld der deutsch-jüdischen Geschichte hinaus zeichnet sich die Historikerin durch ihre Erfahrungen auf dem Gebiet von Beteiligungs-Projekten aus. Etwa bei „Library of Lost Books“. Schüler und Studierende engagieren sich in diesem Rahmen an der Suche nach den rund 60.000 Büchern, die mit der 1942 von den Nationalsozialisten zerstörten Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums verschwanden.
„Lebenskluge Unaufgeregtheit“
Romuald Kopf, Obmann des Trägervereins und Leiter der Auswahl-Kommission, schätzt die designierte Direktorin für ihre „lebenskluge Unaufgeregtheit“ und „leiser, aber starker Überzeugungskraft“. Eigenschaften, die die Historikerin auch mit dem Haus verbindet. Während über zukünftige Projekte noch wenig bekannt ist, sollen Themen wie das historische Vergessen oder die „Geschichte von Emotionen“ behandelt werden.
Traumata
Aus Israel kommend erlebt sie, wie der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 die größte Krise der jüdischen Welt seit dem Holocaust verursachte. „Die Hamas hat alte Traumata und Unsicherheiten zielgenau hergerufen. Das trifft Juden und Jüdinnen auf der ganzen Welt, sehr unterschiedlich, aber doch alle.“ Speziell in Folge von Anschlägen würden Extremisten das Wort übernehmen und es in physische Gewalt überführen. „Daher müssen wir von den Extremen weggehen und etwas Festes dazwischen schaffen.“
„Kolossal froh“
Da dieses Vorhaben nahtlos in die Geschichte des Museums passt, ist Loewys Enthusiasmus für seine Nachfolgerin wenig überraschend. Schon bevor die Kommission ihre einstimmige Entscheidung kundtat, sah er sie als persönliche Favoritin. Auch im Team zeige man sich „kolossal froh“, bekräftigt der scheidende Direktor.
Aue-Ben-David reiste mit der Bewerbung erstmals nach Hohenems, der Umzug mit Familie steht noch an. Die kommenden Monate will sie daher dem genauen Hinsehen und Zuhören widmen. Sie schätzt die lokale Verankerung des Hauses, das gleichzeitig international Zeichen setzt, nicht zuletzt durch die Community der Nachfahren aus Hohenems vertriebener Juden. „Sie sind das Rückgrat der öffentlichen Wirkung dieses Hauses und reichen von Australien über Kalifornien bis nach St. Gallen“, schwärmt Loewy.
Er wird die Historikerin in den Wochen vor der Übergabe bei zahlreichen lokalen wie weniger lokalen Termin begleiten und dem Museum als interessierter Nachbar auch zukünftig erhalten bleiben.