Wenn sich das Wetter nicht an die Grundregeln hält

Der Frühling beginnt offiziell zwar erst am 20. März. Frühlingshaft ist es aber schon länger und das hat Auswirkungen auf Wald- und Landwirtschaft.
Zwar hat es schon länger den Anschein, dass er da ist: Der astronomische Frühling beginnt allerdings erst am morgigen 20. März um genau 4.06 Uhr – und zumindest der Anfang gestaltet sich genauso mild, wie es schon nahezu den gesamten Winter über war. Bis zu 20 Grad könnten es morgen im Oberland werden. Spürbar kälter wird es laut Prognosen erst am Wochenende. Dann könnte der Winter wieder ein kurzes Intermezzo geben.
Wie aber hat sich dieser milde Winter auf Wald, Obst- und Gemüseanbau ausgewirkt und welche Folgen haben diese auch aktuell für die Jahreszeit zu hohen Temperaturen für die drei Bereiche? Unterschiedlich, wie eine Nachfrage ergibt.
![ABD0014_20231002 – SAARBRCKEN – DEUTSCHLAND: PRODUKTION – 05.09.2023, Saarland, Saarbrcken: Grne Reiswanzen (Nezara viridula) sitzen auf einem Blatt in einem Garten. In Rheinland-Pfalz und im Saarland hat sich nach Angaben von Naturexperten und Behrden ein neuer invasiver Schdling angesiedelt: die ursprnglich aus Ostafrika stammende Grne Reiswanze. (zu dpa-Korr: ÇGrne Reiswanze fhlt sich jetzt auch im […]](/2024/03/ABD0014-20231002-1-768x576.jpg)
Simon Vetter ist Bio-Gemüsebauer in Lustenau. „Wir merken grundsätzlich, dass es immer wärmer wird und sich damit unter anderem neue Schädlinge ausbreiten, denen früher die kalte Witterung einen Strich durch die Rechnung gemacht hat“, berichtet er. Als Beispiel nennt er die Grüne Reiswanze, die er mittlerweile in seinen Feldern habe.
Ein zunehmendes Problem sei auch die ungleiche Niederschlagsverteilung, erzählt er. So seien bei einer Messstelle in Lustenau im Vorjahr gleich vier Niederschlagsrekorde gebrochen worden. Unter anderem gab es im vergangenen Jahr den trockensten Jänner seit Aufzeichnungsbeginn. „Das heißt, wir müssen uns in Vorarlberg mit dem Thema Bewässerung auseinandersetzen“, stellt Vetter fest. Bislang sei das nicht wirklich notwendig gewesen.
„Landwirtschaftliche Systeme bauen
Simon Vetter, Bio-Landwirt
darauf auf, dass sich das Wetter an ein paar Grundregeln hält“
Die milden Winter würden ein früheres Anpflanzen zwar grundsätzlich erlauben – „wenn es trocken wäre“, ergänzt Vetter. Aufgrund des vielen Regens, der heuer und zuletzt auch wieder gefallen ist, können die Gemüsebauern nicht in die Felder fahren. „Wir brauchen gleichbleibende Systeme“, sagt der Landwirt und das werde zunehmend zur Herausforderung. Positiv sei vielleicht, dass sich die Saison verlängere, meint der Profi. Das dürfe allerdings nicht den Blick verstellen. „Die Anbaugrenze verschiebt sich, man redet schon von englischem und schwedischem Wein“, berichtet Vetter. Die diesbezügliche Geschwindigkeit sei beachtlich.
Die landwirtschaftlichen Systeme würden darauf aufbauen, dass sich das Wetter an ein paar Grundregen hält – tut es aber nicht mehr. „Damit wird das Ganze noch schwieriger, als es schon ist“, bemerkt der Landwirt. Allerdings könne im Obst- und Weinanbau eine kalte Nacht zu einem Totalausfall führen. „Da können wir im Gemüseanbau schon mehr streuen.“

Im Obstanbau ist aktuell allerdings noch alles im „grünen Bereich“, informiert Ulrich Höfert, Leiter des Bereichs Obstbau in der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. Aber die Vegetation sei im Vergleich zu vor zehn, 15 Jahren schon durchaus weiter. Heuer sei etwa mit 2022 zu vergleichen und „das war ein relativ gutes Jahr“, erinnert sich der Experte. Die grundsätzliche Problematik sei, dass es früher blühen würde, die Frostnächte aber gleich spät kommen – und damit die Gefahr für Ausfälle groß sei. Die vergangenen zwei, drei Jahre sei es allerdings gut gegangen, erzählt Höfert. Im Gegensatz zum Jahr 2017, als es in Vorarlberg aufgrund von Frostnächten im April bei Äpfeln am Bodensee nahezu einen Totalausfall gab.

Dietmar Stiplovsek
Noch blühen die Obstbäume in Vorarlberg nicht. Die frühen Zwetschgen könnten dieser Tage beginnen, schätzt Höfert, die Kirsche in ein paar Tagen, frühe Birnen ab Anfang April. Die Apfelblüte sollte dann Mitte bis Ende April über die Bühne gehen. „Früher war die Hauptblüte um den 10. Mai herum, mittlerweile ist sie im April“, erzählt der Experte. Rund sechs Tage blüht eine Apfelblüte. In dieser Zeit sollte es allerdings nicht zu warm sein, damit sich das Feuerbrand-Bakterium nicht zu schnell ausbreiten kann. Dessen Vermehrung beginnt ab 18,5 Grad – je höher die Temperatur ist, umso schneller geht es.

„Die Nässe ist ein Vorteil für den Wald“, informiert Walter Amann, Obmann des Waldvereins Vorarlberg. Im Frühling sei der Wasserbedarf bei den Pflanzen groß, daher komme der viele Regen dem Wachstum zugute, sagt er. Die milden Temperaturen im Winter hätten gewisse Auswirkungen auf die Ausbreitung von Schadinsekten, die bei Kälte dezimiert würden. Allerdings seien da auch ihre natürlichen Feinde wie etwa Pilze häufiger vorhanden.

Was den gefürchteten Borkenkäfer betrifft, sei entscheidend, wie viele Generationen er hervorbringe, erläutert der Experte. Eineinhalb bis zwei sind in den Griff zu bekommen, ab drei wird die Situation unkontrollierbar. Früher habe es in Lagen über 1000 Metern auch keine Borkenkäfer gegeben beziehungsweise sei schon eine erste Generation kaum aufgekommen, erzählt Amann. Mittlerweile seien die Schädlinge bis an die Waldgrenze gelangt. Noch seien Borkenkäfer nicht aktiv, aber die milden Temperaturen kommen ihnen zugute, sagt der Waldvereinsobmann. „Nasskalt mag er nicht, aber feuchtwarm taugt ihm.“ Ab April dürfte dann mit dem Borkenkäfer zu rechnen sein.
„Die Wetterextreme nehmen zu“, sagt Amann. Derzeit gehe es dem Wald recht gut, „aber wenn es dann einige Wochen keinen Regen gibt, kann das ganz schnell in die Richtung gehen“, so der Experte. Und ein von Trockenheit gestresster Baum ist dann auch wieder anfälliger für den Borkenkäfer.