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Erinnerungsstücke aus Kleidung Verstorbener

22.09.2025 • 15:46 Uhr
Erinnerungsstücke aus Kleidung Verstorbener

Daniela und Nico Wörle haben mit Memoria eine Möglichkeit geschaffen, aus der Kleidung Verstorbener Geschichten von Liebe und Erinnerung, zu nähen.

Manchmal verändert ein einziger Moment das ganze Leben. Für Daniela Wörle war es der plötzliche Tod ihrer Schwester, der ihr den Boden unter den Füßen wegriss. „Meine Schwester ist überraschend gestorben“, sagt sie im Gespräch mit der NEUE. Aus der Trauer heraus entstand eine Idee, die heute nicht nur ihr selbst Halt gibt, sondern auch vielen anderen Menschen Trost spendet: Memoria – ein kleines Unternehmen, das Erinnerungsstücke aus der ehemaligen Kleidung von Verstorbener herstellt.

Persönliches Projekt.

Alles begann mit einem Kissen. Daniela Wörle nähte es aus den Kleidungsstücken ihrer verstorbenen Schwester. „Wenn ich das Bedürfnis habe, kann ich sie in die Arme nehmen und das Polster fühlen – so ist es entstanden“, erzählt sie. Auch die Kinder der Familie erhielten kleine Erinnerungsstücke. Was als persönlicher Versuch begann, den Verlust greifbarer zu machen, entwickelte sich rasch weiter: Im Familien- und Freundeskreis stieß die Idee auf positive Resonanz.
Für Daniela hatte das eine besondere Bedeutung: Als gelernte Textilchemikerin konnte sie ihr handwerkliches Können einsetzen, und Trauer in etwas Sichtbares und Berührbares zu verwandeln. Bald entstand der Gedanke, die Idee nicht nur im eigenen Umfeld umzusetzen, sondern auch anderen Menschen in ähnlichen Situationen anzubieten und ihnen damit zu helfen.

Erinnerungsstücke aus Kleidung Verstorbener
Das Kissen mit dem alles begann Stiplosek

Memoria

Im Juni 2025 fiel der offizielle Startschuss für Memoria. Gemeinsam mit ihrem Sohn Nico gründete Daniela das Projekt, das inzwischen zu einem kleinen, aber wichtigen Anlaufpunkt für Trauernde geworden ist. Ob Kissen, Herzen oder Teddybären – jedes Stück wird individuell gefertigt und trägt die Geschichte des Verstorbenen in sich. Besonders Kinder, so Daniela, finden in den weichen Teddys Halt und Trost. Die Arbeit von Memoria beschränkt sich nicht auf das Nähen allein. Daniela und Nico arbeiten eng mit Bestattern zusammen. Wer möchte, kann die Kleidung direkt dort abgeben, und Memoria verwandelt sie in Erinnerungsstücke. Alternativ läuft die Kommunikation auch über die Webseite www.memoria-erinnerung.at. „Wir wollen, dass die Menschen die Möglichkeit haben, etwas Bleibendes aus den Kleidern mitzunehmen, anstatt dass sie einfach im Schrank verschwinden oder entsorgt werden“, erklärt Nico.

Erinnerungsstücke aus Kleidung Verstorbener
Hier wird alles von Hand gemacht Stiplovsek

Mehr als nur Stoff

Das Besondere an Memoria ist der Ansatz, Erinnerungen nicht nur sichtbar, sondern auch fühl- und riechbar zu machen. Neben dem klassischen Stoffstück arbeiten Daniela und Nico mit kleinen Duftkapseln. Diese können das Lieblingsparfüm oder einen vertrauten Geruch aufnehmen, sodass Erinnerungen beim Umarmen des Kissens oder Bären noch lebendiger werden. „Du kannst das Parfüm beifügen, und wenn du das Stück in den Armen hältst, riechst du die Person wieder“, beschreibt Daniela den Effekt.
Dieser olfaktorische Ansatz soll dazu beitragen, die Trauer zu enttabuisieren. „Man zeigt, dass man etwas für die Erinnerung hat, und muss nicht alles alleine mit sich ausmachen“, sagt Daniela. Es gehe darum, Trauer sichtbar zu machen – nicht nur als Schmerz, sondern auch als liebevolle Erinnerung.
Jedes Stück, das Memoria verlässt, ist handgefertigt. „Es ist alles Handarbeit“, erklärt Daniela Wörle. Rund zwei Tage dauert es, bis aus einem Kleidungsstück ein fertiges Erinnerungsobjekt entsteht. Die Stücke werden liebevoll verpackt, auf Wunsch mit Namenszügen oder individuellen Details versehen. „Jeder hat andere Wünsche – wir versuchen, so individuell wie möglich zu arbeiten.“
Dabei geht es den beiden Gründern nicht um ein großes Geschäft. „Wir machen kein Big Business, sondern ein Herzensprojekt“, sagt die Mutter.

Erinnerungsstücke aus Kleidung Verstorbener
Dank kleine Stücken Vliesstoff bleibt der Duft des Lieblingsparfum länger erhalten. Stiplovsek

Trost in schweren Zeiten

Die Resonanz zeigt, wie wichtig solche Angebote sind. Viele Menschen erzählen Daniela und Nico, wie sehr ihnen die Erinnerungskissen oder Teddys helfen. „Eine Freundin hat gesagt, sie hat auch schon auf dem Kissen aus dem T-Shirt ihres verstorbenen Mannes geschlafen. Wenn sie es in die Hand nimmt, fühlt sie sich geborgen“, berichtet Daniela. Solche Momente bestätigen die Gründer in ihrer Arbeit. Auch für Daniela Wörle selbst war Memoria ein Weg, den eigenen Schmerz zu verarbeiten. „Es war der nötige Ruck, etwas Neues zu beginnen“, sagt sie rückblickend. Heute gibt sie ihre Erfahrung weiter und schenkt anderen Menschen etwas, das sie selbst erfahren hat: greifbaren Trost in Zeiten des Verlusts.

Erinnerungsstücke aus Kleidung Verstorbener
Mutter, Daniela Wörle, und Sohn, Nico Wörle, sind die zwei Köpfe hinter Memoria Stiplovsek

Blick in die Zukunft

Für die Zukunft wollen Daniela und Nico ihre Zusammenarbeit mit Bestattern ausbauen und das Projekt bekannter machen. Ziel ist es, dass mehr Menschen erfahren, dass es diese Möglichkeit gibt – nicht als Ersatz für Abschied und Trauer, sondern als Ergänzung, die den Schmerz ein Stück leichter macht.
„Manchmal braucht es Zeit, bis man sich von Kleidungsstücken trennen kann“, sagt Nico Wörle. Deshalb ist Memoria flexibel: Wer möchte, kann sich auch erst nach Monaten oder Jahren melden und die Kleidung abgeben. Wichtig ist allein, dass die Erinnerung lebendig bleibt.