Das Schwimmen ist ihr noch geblieben

Mit 95 Jahren ist sie Stammgast im ältesten Bad Vorarlbergs, in der Felsenau.
Es ist ein heißer Julitag im Schwimmbad Felsenau bei Feldkirch. Walpurga Peiskar Furtenbach ist gerade dabei, ins Wasser zu gehen. Burgi, wie sie ihre Freunde und Familie nennen, ist im Jänner 95 Jahre alt geworden. Sie schwimmt immer noch für ihr Leben gern. Aber sie ist nicht mehr gut zu Fuß. Langsam, mit Hilfe von Krücken, steigt sie die zwei Stufen zum Beckenrand hinauf. Dann legt sie die Krücken ab und hält sich am Handlauf, um ins Wasser zu gehen. „Es ist der Rücken, nicht die Beine“, betont sie. Sobald sie im Wasser ist, schwimmt sie elegant ihre Längen. Am Rücken, das Bad und seine Badegäste betrachtend, gleitet sie durchs Wasser des altehrwürdigen Schwimmbads. Die knallig rosarote, etwas aus der Mode gekommene Badehaube ist von Weitem zu sehen. „Wenn das Wetter schön ist, bin jeden Tag von 9 Uhr bis etwa zum Mittag hier. Um 13 Uhr bin ich spätestens wieder zu Hause.“
18 Grad
In der Volksschule war sie zum ersten Mal in diesem Bad. Das war 1932. Damals hat es hier noch anders ausgesehen. „Da war es noch so, dass wir geschlechtergetrennt schwimmen waren. Zwei Stunden die Damen, zwei Stunden die Herren.“ Und hergekommen ist sie immer zu Fuß von Feldkirch. „Unter Hitler hat das dann aufgehört mit der Geschlechtertrennung. Und dann kurz nach dem Krieg, als die Franzosen da waren, wurde das Bad umgebaut.“ Damals gab es laut Burgi Peiskar noch ein Dreimeter-Brett und einen Fünfmeter-Sprungturm. Und das Wasser hatte maximal 18 Grad. „Und wenn es dann wirklich 18 Grad hatte, hat der Bademeister ein Schild aufgehängt: Morgen wegen Reinigung geschlossen. Das war ja nur Naturwasser von Amerlügen herunter.“
Früher ist sie alles geschwommen: Kraulen, Brust, Rückenkraulen. „Ich bin auch vom Fünfmeter-Brett gesprungen. Nur zum Zeigen: Ich trau mich.“
Nach der Schule hat sie eine Sportausbildung gemacht. Das war 1943. Die Ausbildung war speziell für Lehrer und fand in Berlin statt. Burgi war 40 Jahre Volksschullehrerin. „Wir waren damals zu viert aus Vorarlberg. Und wussten ja nicht, wie die Kommandos gehen beim Rudern. Wir hatten also keine Chance gegen die anderen. Wir haben dann immer gesagt: Wenn die im Winter zu uns kommen, die jagen wir rauf zum Arlberg. Weil Skifahren konnten wir alle sehr gut.“
Diepoldsau
Schwimmen gelernt hat sie natürlich auch hier in der Felsenau. Unterm alten Bademeister Egle. „Aber ich bin dann auch mit meinem Vater nach Diepoldsau am Wochenende. Da habe ich den Feinschliff bekommen.“ Aber alles ohne Auto. Mit dem Zug nach Hohenems. Und dann zu Fuß über die Grenze. „Wir hatten einen Rucksack mit Jause dabei, denn in der Schweiz war damals alles sehr teuer. Zudem hat mein Vater immer gesagt: Den Schweizern lassen wir kein Geld da.“
Zehn Längen am Rücken
Das ist ist jetzt ihr Pensum, wenn sie da ist. Da das Kraulen in ihrem Alter nicht mehr geht und das Brustschwimmen der Arzt verboten hat. „Ich hatte vor einigen Jahren einen Bluteinlauf im Halswirbelbereich, und dabei ist das Rückenmark beschädigt worden. Ich war dann einige Zeit komplett querschnittgelähmt. Aber auf einmal konnte ich die Zehen wieder bewegen.“Und dann habe sie begonnen, sich wieder langsam zu bewegen. Immer mehr und immer besser ist es gegangen. Zuerst Radfahren im Bett, liegend. Und als sie dann wieder stehen konnte, ist sei auf das Stand-Rad gewechselt. „Der Arzt hat gesagt: Maximal zweimal am Tag eine Viertelstunde. Ich habe dann aber doch zweimal eine halbe Stunde daraus gemacht“, schmunzelt Burgi Peiskar. Ihre Augen blinzeln gegen die Sonne. Und die ist heute richtig heiß. Zudem ist es kurz vor Mittag. Aber in den Schatten will sie nicht.: „Dann kann ich ja gleich zu Hause bleiben.“
Sportlich war Burgi immer schon. Am liebsten ist sie Skifahren gegangen. Das hat sie von ihrem Vater. Der war Alpinist und Tourengeher. Bis sie 60 Jahre war, ist sie ausschließlich mit Tourenski und Fell unterwegs gewesen: „Dann habe ich mir gesagt: So, jetzt will ich fahren. Und zwar mit dem Lift.“ Das letzte Mal Skifahren war sie vor sechs Jahren. Kurz vor ihrem 90. Geburtstag.
Disziplin bis ins hohe Alter
Das Letzte, was der ehemals sportlichen 95-Jährigen geblieben ist, ist das Schwimmen. „Aber ich mache täglich meine Übungen liegend im Bett. Noch bevor ich aufstehe in der Früh. Dann setz ich mich auf den Gymnastikball. Das ist gut für den Rücken.“ Auch Streck- und Gleichgewichtsübungen stehen täglich am Programm. Manchmal macht sie nur die Hälfte. Vor allem dann, wenn sie um 9 Uhr bereit sein will für das Schwimmen in der Felsenau. Den Rest holt sie dann am Nachmittag nach, sobald sie zurück ist aus dem Schwimmbad. „Denn Disziplin muss sein, und Bewegung ist in meinem Alter das Wichtigste.“