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Nicht rassistisch zu sein, reicht nicht aus

20.03.2021 • 14:00 Uhr
Noreen Mughal ist das Gesicht der Vorarlberger „Black Lives Matter“-Bewegung. Selbst stammt die Montafonerin aus einer indisch-pakistanischen Familie.<span class="copyright"> Frederick Sams</span>
Noreen Mughal ist das Gesicht der Vorarlberger „Black Lives Matter“-Bewegung. Selbst stammt die Montafonerin aus einer indisch-pakistanischen Familie. Frederick Sams

Noreen Mughal („Black Lives Matter“) über Diskriminierung in Vorarlberg.

Seit knapp einem Jahr gibt es die „Black Lives Matter“-Bewegung nun auch in Vorarl­berg. Welche Relevanz hat das Thema im Ländle?

Noreen Mughal: Gerade in Vorarlberg, wo der Anteil von Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe im Vergleich zum Rest von Österreich relativ gering ausfällt, ist es umso wichtiger, über das Thema Rassismus zu sprechen.

Und das war deinem Eindruck nach davor nicht der Fall?

Mughal: Für sehr lange Zeit wurde über das Problem geschwiegen. Es wurde schlichtweg davon ausgegangen, dass es sich dabei nicht um ein „regionales“ Thema handle. Doch Rassismus lauert überall und findet zu jeder Zeit statt. Nur weil man ihn nicht sehen kann, heißt es noch lange nicht, dass er nicht da ist.

In welchen Formen tritt dieser Rassismus in Erscheinung?

Mughal: Gerade Alltagsrassismus ist ein großes Thema. Mit der traditionellen und teils konservativen Geschichte des Denkens hier in Vorarlberg haben viele PoC (People of Colour, Anm.) oftmals zu kämpfen. Eben weil die Repräsentation von PoCs in der Mehrheitsgesellschaft fehlt, wird Rassismus nicht als „Vorarl­berger“ Problem anerkannt, obwohl es definitiv eines ist.

Was bedarf es, um der Lösung des Problems näherzukommen?

Mughal: Bildung und Weiterbildung – das sind die zwei Schlüsselworte, die ich in diesem Kontext immer wieder nenne. Es ist unheimlich wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sich weiterzuentwickeln. Das kann man nur mit Bildung und Weiterbildung erreichen.

Inwiefern?

Mughal: Völlig egal ob durch das Lesen von Büchern, das Anhören von Podcasts oder vor allem auch durch Gespräche mit betroffenen Menschen über Rassismus und ihre Erfahrungen damit. All das ist essenziell, um eine rassismus-freie Gesellschaft zu schaffen.

Was sagen Sie Menschen, die sich nicht als Teil des Problems angesprochen fühlen?

Mughal: Nicht rassistisch zu sein, reicht nicht aus. Wir müssen anti-rassistisch sein, um auch wirklich gegen Rassismus vorgehen zu können.

Ist ein Schritt in die richtige Richtung zu erkennen?

Mughal: Vor allem seit letztem Jahr lässt sich diesbezüglich eine klare Veränderung erkennen. Immer mehr Menschen – auch hier in Vorarlberg – haben begonnen, ihren eigenen Gedankengang weiterzuentwickeln und auch zu verändern.

Sie selbst stammen aus einer multiethnischen Familie. Wurden Sie deswegen auch bereits Opfer von Rassismus?

Mughal: Meine Wurzeln liegen mütterlicherseits in Indien und väterlicherseits in Pakistan. Da ich selbst auch nicht weiß bin, steht Rassismus bei mir schon fast schon auf der Tagesordnung.

Könnten Sie Beispiele nennen?

Mughal: Häufig handelt es sich um Alltagsrassismen, etwa wenn ich in Geschäften mit strengerem Blick beobachtet oder verfolgt werde oder sich Menschen im Bus von mir wegsetzen. Immer wieder wird mir auch eingeredet, dass ich aufgrund meiner Herkunft keine Österreicherin bin. Das sind alles Beispiele, die ich selbst erlebt habe.

Gab es Vorfälle, die Sie besonders geprägt haben?

Mughal: Natürlich habe ich auch noch heftigere Erlebnisse ge­habt. In der Mittelschule wurde mir etwa, statt mit meinem Namen, nur mit dem „N-Wort“ zugerufen. In der Deutschstunde kam es auch vor, dass ich mit gebrochenem Deutsch von den Lehrpersonen angesprochen wurde. Diese Dinge prägen einen und tun wahnsinnig weh.

Welche Bedeutung hat „Black Lives Matter“ für Betroffene?

Mughal: Ich glaube, gerade die Menschen, die hier wohnen und nicht weiß sind, gab und gibt der Aufmarsch des Anti-Rassismus Hoffnung, aber auch Rückhalt, dass sie trotz der geringen Zahl nicht alleine sind.

In Zeiten der Pandemie wurde es etwas ruhiger um „Black Lives Matter“. Sind derzeit Projekte oder Kundgebungen in Planung?

Mughal: Es ist definitiv ruhiger geworden, jedoch leben wir Gott sei Dank im Zeitalter des Internets, in welchem wir größtenteils unseren Aktivismus weiter ausüben. Auf den Social-Media-Plattformen haben wir zudem eine große Reichweite, mithilfe derer wir die Menschen problemlos und maßnahmenkonform erreichen können. Tatsächlich war die letztjährige Solidaritätskundgebung auch eine spontane Veranstaltung, da wir wie auch jetzt nichts zuvor geplant hatten. Also mal sehen, was die Zukunft so bringt.