Die Akkus vieler Menschen sind erschöpft

Caritas: Druck auf Menschen und Familien, die mit weniger auskommen müssen, steigt.
Als Mitarbeiterin der Caritas-Familienhilfe ist Simone Müller täglich bei Familien, deren Alltag auf Grund von Krankheit oder Überforderung vorübergehend aus den Fugen geraten ist. Es sei deutlich spürbar, wie der Druck auf Familien immer größer wird. Beinahe wöchentlich habe sie einen Einsatz, bei dem ein Elternteil unter psychischen Problemen leidet. „Vor allem bei alleinerziehenden Elternteilen sind die Kraftreserven restlos aufgebraucht. Nur durch Entlastung kann ein Krankenhausaufenthalt vermieden werden“, sagt Müller.
Bei der Sozialberatungsstelle Existenz & Wohnen zeigt sich ähnliches: „Der Druck wird verschärft, weil die Schere zwischen Einkommen und Lebenserhaltungskosten laufend auseinandergeht. Die Kosten für Grundbedürfnisse, wie beispielsweise das Wohnen, steigen weit schneller als das Einkommen. Zudem werden soziale Sicherungssysteme tendenziell nach unten gefahren“, beschreibt Stellenleiter Christian Beiser.

„Ein wichtiger Hebel liegt in den Händen der politisch Verantwortlichen.“
Walter Schmolly, Caritas-Direktor
Mehrere Probleme
Familienhilfe und Existenz & Wohnen sind nur zwei Beispiele für den steigenden Druck. Er ist auch in allen anderen Bereichen der Caritas spürbar. Immer mehr Menschen haben gleichzeitig mit mehreren Problemen zu kämpfen: materielle Not, schwere psychische Belastungen, Beziehungskrisen oder Arbeitslosigkeit. Gründe für die aktuelle Situation sind teilweise Corona-Auswirkungen, teils aber auch langfristige Entwicklungen, die sich aktuell weiter aufschaukeln.
„Dieser steigende Druck fordert uns alle – Hilfseinrichtungen ebenso wie die Gesellschaft“, sagt Caritas-Direktor Walter Schmolly. „Wir tragen hier alle gemeinsam Verantwortung, ansonsten droht uns ein ‚soziales Burnout‘“. Man dürfe sich mit diesen Entwicklungen nicht abfinden, die betroffenen Menschen bräuchten Hilfe und Unterstützung. „Ein wichtiger Hebel dazu liegt in den Händen der politisch Verantwortlichen“, erklärt der Caritas-Direktor. Es geschehe derzeit zwar einiges, wie etwa das Chancenpaket des Landes für Kinder und Jugendliche oder die EU-Kindergarantie. Dringend sollte aus Sicht der Caritas aber die Nachbesserung der Sozialhilfe auf Landes- und Bundesebene angegangen werden: „Gerade für Familien mit mehreren Kindern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, hat die letzte Neuregelung zu einer teils deutlichen Verschlechterung geführt.“
Sozialer Zusammenhalt
Wichtig sei zudem das Bereitstellen von rascher und unbürokratischer Hilfe, um fürs Erste den Druck herauszunehmen und eine Überbrückung zu schaffen, bis die anderen Maßnahmen greifen. Aber auch der soziale Zusammenhalt sei gefordert: „Wenn Menschen zusammenstehen und diejenigen, die etwas geben können, denjenigen helfen, die gerade Unterstützung brauchen, können wir vieles an Leid verhindern und zum Besseren verändern“, sagt der Caritasdirektor und ruft deshalb dazu auf, Menschen in akuten Notlagen zu unterstützen.