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„Wir können eine ganze Branche retten“

09.02.2022 • 17:00 Uhr
Innovation und eine intakte Umwelt: So stellen sich Grüne den Tourismus vor. <span class="copyright">Vorarlberg Tourismus / Dietmar Denger</span>
Innovation und eine intakte Umwelt: So stellen sich Grüne den Tourismus vor. Vorarlberg Tourismus / Dietmar Denger

Grüne wollen Tourismus ganzheitlich mit Landwirtschaft, Raumplanung und guten Arbeitsbedingungen denken.

Es ist ein hehres Ziel, das sich die Grünen für den Tourismus gesteckt haben: Vorarlberg solle die nach­haltigs­te Tourismus-Region in Europa werden. Der Weg bis dahin ist lang, denn der Ist-Zustand hat für die Grünen wenig mit Nachhaltigkeit zu tun – wenngleich es auch jetzt bereits einige gute Maßnahmen, ein Umdenken und mehrere Vorreiter gebe. Mit welchen Ideen und Veränderungen die Grünen ihr Ziel erreichen wollen, präsentierten sie gestern bei einer Pressekonferenz.

Zurzeit habe der Tourismus mit drei Herausforderungen zu kämpfen, sagte Daniel Zadra, Landessprecher der Grünen: dem Arbeitskräftemangel, dem Klimakollaps und dem Ausverkauf der Dörfer durch Chalet- und Investorenmodelle. Für Zadra ist klar: „Weitermachen wie bisher geht nicht.“

Erfolg neu messen

Die Grünen wollen, dass Erfolg im Tourimus künftig nicht mehr an Bettenzahlen oder Pistenkilometern gemessen wird. Die neue Messgröße sollten die sogenannten SDGs (Sustainable Development Goals) sein. Das sind 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Auf den Tourismus bezogen bedeutet das: Künftig sollte dieser Wirtschaftszweig viel stärker als jetzt Augenmerk auf gute Arbeitsbedingungen, die Landwirtschaft, Raumplanung und Mobilität legen.

Tourismussprecherin Nadine Kasper.<span class="copyright"> grüne</span>
Tourismussprecherin Nadine Kasper. grüne

Der nachhaltige Tourismus beginne bereits mit der Anreise, wie die grüne Tourismussprecherin Nadine Kasper erklärte: „Bieten wir den Gästen mehr Anreize, ohne eigenes Auto nach Vorarlberg zu kommen. Bieten wir ihnen Carsharing, E-Bikes, Transfers ab dem Bahnhof, kostenlose Nutzung des Öffi-Angebotes und Shuttleservice zu den Skigebieten und Langlaufloipen.“ In der Schweiz gibt es bereits autofreie Tourismusdestinationen, in Wengen oder Zermatt zum Beispiel. Kasper: „Man stelle sich Gargellen oder Brand ohne Autos vor: Weißer Schnee auf den Straßen und den Hausdächern, viel Platz für die ganze Familie auch abseits der Piste und Ruhe, damit der Alltag in den Hintergrund rückt. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal und würde Gäste und die Vorarlberger gleichermaßen anziehen.“

Familienbetriebe fördern

Familienbetriebe haben den Tourismus in Vorarlberg aufgebaut“, schnitt die Tourismusprecherin ein weiteres Thema an. Sie würden immer mehr von Bettenburgen und Chalet-Dörfern verdrängt. Dem sollte Einhalt geboten werden. Dafür müsse zuerst ein touristisches Raumordnungsprogramm erarbeitet werden, in dem auch Zweitwohnsitze, Chalet-Dörfer und Investorenmodelle abgebildet sind. Das Land und die Gemeinden sollten im zweiten Schritt aktiv mit verbindlichen Plänen und Gesetzen zum Schutz von Wohnraum eingreifen. Kleinstrukturierte Familenbetriebe hingegen sollten gefördert werden. Nicht nur, aber auch durch Steuererleichterungen bei der Betriebsübernahme.

Daniel Zadra, Landessprecher der Grünen. <span class="copyright">Stefanie Lässer</span>
Daniel Zadra, Landessprecher der Grünen. Stefanie Lässer

Die Familienbetriebe hätten ein gutes Netzwerk innerhalb der Landwirtschaft und damit Zugang zu regionalen Produkten für ihre Speisekarte. Denn das ist ein weiterer Punkt, den die Grünen beim nachhaltigen Tourismus in den Mittelpunkt stellen wollen: Die angebotenen Speisen sollten regional und biologisch produziert worden sein. „So positionieren wir Vorarlberg als Kulinarik-Destination“, sagte Zadra. Das käme auch der Landwirtschaft zugute. Zadra stellt sich vor, dass die Landwirtschaftsförderungen neu geregelt und nicht mehr nach Hektar ausbezahlt werden könnten, sondern nach der Qualität des Produktes. Somit wäre es für die Konsumenten erschwinglich, und: „Der Produzent wäre wieder stolz auf sein Produkt und würde Neues ausprobieren“, meinte Zadra. Zudem möchte er eine verbindliche Herkunfts- und Haltungskennzeichnung von tierischen Produkten. „Das wäre ein Gewinn für Gäste und Gastronomen.“

Potenzial für Arbeitsmarkt

„Vorarlbergs Tourismusdestinationen sollen Orte sein, an denen sich Gäste und Angestellte gleichermaßen wohlfühlen“, unterstrich Kasper das Potenzial des Tourismus für den Arbeitsmarkt. Sie will niederschwellige Zugänge für Quereinsteiger und die Möglichkeit verkürzter Ausbildungszeiten fördern. Und nicht zuletzt solle die Tourismusbranche familienfreundlicher werden. „Dafür müssen wir weiter an einer flächendeckenden Kinderbetreuung arbeiten, touristische Betriebskinderbetreuung fördern und neue Arbeitszeitmodelle entwickeln, die die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ermöglichen.“

Wir haben Personalmangel, den Klimakollaps und den Ausverkauf der Dörfer. Weitermachen wie bisher können wir nicht.

Daniel Zadra, Landessprecher Grüne

Kein Billigtourismus

Die zukünftigen Gäste, die in die nachhaltige Tourismusdestination Vorarlberg käme

Die zukünftigen Gäste, die in die nachhaltige Tourismusdestination Vorarlberg kämen, würden viel Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit legen, so die Grünen. Die Gästezahl würde zwar sinken, aber die Wertschöpfung steigen. Denn mit dem jetzigen Billigtourismus, der teilweise stattfindet, fließe die Wertschöpfung woanders hin: „Wenn ein Busunternehmen aus Deutschland eine Tagesfahrt ins Montafon anbietet, den Gästen im Bus Bier ausschenkt und die Skikarten billig verkauft, profitiert vor allem das Busunternehmen, aber nicht die Gemeinde. Dafür haben wir den Verkehr“, so Kasper.
Mit diesem ganzheitlichen Verständnis von Tourismus könne man Vorarlberg zur nachhaltigsten Destinaton Europas machen, ist Zadra überzeugt. Und: „Wir können so eine ganze Branche retten.“
Das hört sich ambitioniert und visionär an. Es seien jedoch schon handfeste Tatsachen geschaffen worden: In der Tourismusstrategie 2030 seien einige der grünen Ideen enthalten. Die Grünen stehen auch mit Touris­tikern und Hoteliers im Austausch. Nun sollen Fokusgruppen gebildet werden.

Kosten

Wie der nachhaltige Tourismus finanziert werden soll:

Es sollen keine zusätzlichen Gelder verwendet werden, sondern bestehende Förderstrukturen aufgebrochen und neu verteilt werden. „Schluss mit dem Gießkannenprinzip und hin zu Förderkriterien, die an Nachhaltigkeit gebunden sind“, sagte Nadine Kasper.