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Pflege fordert Politik zum Handeln auf

24.02.2022 • 19:40 Uhr
Um fünf nach zwölf sammelten sich Mitarbeiter an einem Nebeneingang des LKH Feldkirch.<br><span class="copyright">sams</span>
Um fünf nach zwölf sammelten sich Mitarbeiter an einem Nebeneingang des LKH Feldkirch.
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„Wir steuern auf den Pflegekollaps zu“, hieß es bei Protestaktion von Pflegenden in ganz Vorarlberg.

Bei einem Seiteneingang des LKH Feldkirch: Ungefähr 100 Personen stehen hier, die meisten davon in blauer oder weißer Kleidung.

Alle tragen Mundschutz, viele ein Plakat in Händen. Es wird geklatscht und zustimmend gepfiffen. Gerade sagte nämlich ein Redner zu den Beschäftigten des Gesundheitsbereiches: „Wir setzen ein weiteres sichtbares Zeichen, um zu zeigen, es ist fünf nach zwölf. Es reicht!“

Mitarbeitende der Unfallchirurgie am LKH Feldkirch.<span class="copyright">sams</span>
Mitarbeitende der Unfallchirurgie am LKH Feldkirch.sams

Österreichweit protestierten gestern um 12.05 Uhr Mitarbeiter vor Spitälern und Gesundheitseinrichtungen, um auf die missliche Lage in der Pflege aufmerksam zu machen. Organisiert wurde die Aktion von der „Offensive Gesundheit“, einem Zusammenschluss der Arbeiter- und Ärztekammer sowie der Gewerkschaften im Gesundheits- und Langzeitpflegebereich. Bei allen fünf Krankenhäusern in Vorarlberg wurde protestiert, insgesamt beteiligten sich circa 350 Personen.
„Nachdem sich Landes- und Bundesregierung offenbar taub und blind stellen, müssen wir wieder auf die Straße gehen“, erklärte LKH-Zentralbetriebsrat und Vorsitzender der GÖD Gesundheitsgewerkschaft Thomas Steurer. Nach der letzten Aktion im November 2021 habe es keinerlei Reaktion der Politik gegeben. „Wir steuern auf den Pflegekollaps zu. Eine Pensionierungswelle steht an, und schon jetzt sind die anfallenden Überstunden vom Personal kaum noch zu bewältigen“, warnte Steurer.

Enorme Belastung

Der Betriebsratsvorsitzende des LKH Feldkirch, Markus Kohler, sagte: „Die Kollegen leiden massiv unter der enormen Belastung durch ständiges Einspringen.“ Wegen der Dienstplanunsicherheit sei auch zu befürchten, dass manche Mitarbeiter dem Beruf den Rücken kehren würden. Kolleginnen würden sich nach einer Schwangerschaft oft neu orientieren, weil zu erwarten sei, dass ständig zusätzliche Dienste hinzukämen, so Kohler. Er fuhr fort: „Körperlich und mental sind viele Kolleginnen und Kollegen weit über ihrem Limit. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie krankheitsbedingt oder aus Resignation diesen eigentlich schönen Beruf an den Nagel hängen.“

Markus Kohler, Betriebsratsvorsitzender des LKH Feldkirch.<span class="copyright">sams</span>
Markus Kohler, Betriebsratsvorsitzender des LKH Feldkirch.sams

LKH-Zentralbetriebsrat Steurer fand ebenfalls deutliche Worte: „Die dünne Personaldecke droht bald zu zerreißen. Land und Bund steuern das Gesundheitssystem durch ihr Nichtstun mit Vollgas in den Kollaps!“ Es sei in den letzten Jahren viel versprochen worden, nun sei es Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen.

Unterschriften sammeln

Die „Offensive Gesundheit“ führte gestern nicht nur die Protestaktion durch, sondern startete zeitgleich auch die parlamentarische Bürgerinitiative „Achtung Gesundheit! Es ist fünf nach zwölf!“. Darin werden unter anderem gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung gefordert (mehr Infos in der Factbox oben). Denn: Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung könne unter den gegenwärtigen Umständen nicht mehr gewährleistet werden. Nicht nur die Mitarbeitenden selbst, auch alle anderen Interessierten sind eingeladen, die Bürgerinitiative zu unterstützen. Auf der Website www.offensivegesundheit.at werden Unterschriften gesammelt.

In allen Spitälern Vorarlbergs gab es Proteste. Hier beim LKH Hohenems. <span class="copyright">ögb vorarlberg</span>
In allen Spitälern Vorarlbergs gab es Proteste. Hier beim LKH Hohenems. ögb vorarlberg

Keine 20 Minuten

Dass die Personaldecke wirklich dünn ist, wurde nach dem Protest in Feldkirch durch eine Erzählung von Betriebsrätin Manuela Allgäuer deutlich: Es hätten noch deutlich mehr Mitarbeitende des LKH Feldkirch am Protest teilnehmen wollen, doch es war ihnen unmöglich, sich die maximal 20 Minuten freizunehmen. Sie hätten zu viel Arbeit und zu wenig Kolleginnen und Kollegen, die für diese kurze Zeit hätten einspringen können.

Bürgerinitiative

Gefordert werden:

• ein Personalschlüssel, der menschengerechte Pflege ermöglicht und Dienstplansicherheit gewährleistet, welche den Mitarbeitern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben garantiert

• Ausbau der Ausbildungsplätze für den gehobenen Dienst in der Fachhochschule

• eine existenzsichernde Ausbildungsentschädigung, die sich an der Entlohnung der Polizeischüler orientiert

• bessere finanzielle Unterstützung für Quereinsteiger

• eine bessere Entlohnung, um den Beruf attraktivier zu machen und dem Personal die notwendige Wertschätzung für seine Arbeit entgegenzubringen

• Anerkennung von berufsbedingter Arbeit an kranken, beeinträchtigten und pflegebedürftigen Menschen als Schwerarbeit sowie Einführung eines Überbrückungsmodells für Menschen, die aufgrund permanenter Belastungen, insbesondere durch Nachtarbeit, ein Regelpensionsalter von 65 Jahren schwer erreichen können

• keine Schnellschüsse wie eine Pflegelehre, durch die nur wenig Entlastung zu erwarten ist und die das System zusätzlich belas­tet