“Maturanten mussten stationär aufgenommen werden”

Weil sie bis zu 16 Stunden am Tag am Computer „zockten“, mussten sich im vergangenen Jahr mehrere Schüler einer stationären Suchttherapie unterziehen – Stiftung Maria Ebene präsentierte Jahresbericht 2022.
Kinder und Jugendliche verbringen immer mehr Zeit in der virtuellen Welt – und das bis zur Abhängigkeit. Studien zufolge hat sich die Zahl jener, die süchtig nach Computerspielen und sozialen Medien sind, während der Corona-Pandemie mehr als verdoppelt. In der Stiftung Maria Ebene, zu der auch das gleichnamige Krankenhaus in Frastanz gehört, kennt man das Problem.
Im vergangenen Jahr mussten mehrere Schüler stationär aufgenommen werden, da die ambulante Hilfe keine Früchte trug. „Da waren Maturantinnen und Maturanten dabei, die täglich 8, 10 oder 16 Stunden am Computer gespielt haben. Die haben sozusagen eine radikale Detox-Kur bekommen, sonst hätten sie ihren Abschluss wahrscheinlich nicht geschafft“, schilderte Primar Philip Kloimstein am Donnerstag bei der Präsentation des Jahresberichts 2022.

Auf hohem Niveau
Laut dem vorgelegten Zahlenwerk wurden im Krankenhaus Maria Ebene sowie in den Therapiestationen Carina und Lukasfeld im vergangenen Jahr 500 Patienten mit Suchterkrankungen stationär betreut, was einer Auslastung von rund 82 Prozent entspricht. Aber auch der ambulante Bereich ist nach wie vor stark gefordert. Zwar ist die Gesamtzahl der im vergangenen Jahr betreuten Personen – also Menschen mit Suchtverhalten sowie Bezugspersonen – gegenüber dem bisherigen Höchststand von 2021 von 1249 Personen um 4,4 Prozent auf 1194 zurückgegangen. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 gab es jedoch ein Plus von 1,8 Prozent. „Zu Pandemie und dem Klimawandel sind auch noch der Krieg in der Ukraine und infolge die Inflationskrise hinzugekommen. Wir spüren hier eine allgemeine Unsicherheit in der Bevölkerung. Unsere Erfahrung zeigt leider, dass solche psychischen Belastungen häufig und auch über einen längeren Zeitraum zu Sucherkrankungen und Depressionen führen“, erklärte der Primar.
Die drei Beratungsstellen Clean in Bregenz, Feldkirch und Bludenz, die ebenfalls zur Stiftung Maria Ebene gehören, verzeichneten 2022 knapp 37.300 Leistungen an Klienten, dazu zählen unter anderem psychosoziale Beratungen, Psychotherapien oder medizinische Behandlungen. Dies entspricht einem Plus von 5,4 Prozent.
Multipler Substanzgebrauch
Beim Konsumverhalten habe es keine größeren Veränderungen zu den Vorjahren gegeben, weiß Wolfgang Grabher, Leiter der Beratungsstelle Clean in Bregenz. „Der multiple Substanzgebrauch liegt immer noch unangefochten an erster Stelle, danach folgen Cannabis und Opiate.“ Bei der Leitdroge Cannabis habe es im vergangenen Jahr ein minimales Minus gegeben, während in absoluten Zahlen 20 Personen mehr mit der Leitdroge Kokain in die Beratung kamen als im Jahr 2021.
Aber auch die als Snus bekannten Nikotinbeutel beschäftigen die Suchtexperten. Während der Konsum von Zigaretten bei Jugendlichen kontinuierlich zurückgegangen ist, beobachtete die Gesundheits- und Präventionsstelle SUPRO einen kontinuierlichen Anstieg beim Gebrauch von Oraltabak. Insbesondere nach dem Ende der Maskenpflicht wurden wir verstärkt kontaktiert“, berichtete SUPRO-Leiter Andreas Prenn.

Besorgniserregend
Als besorgniserregend bezeichnete der Suchtexperte die Ergebnisse bei den Testkäufen im Bereich Alkohol. Bis vor drei Jahren konnte die Abgabequote an Minderjährige fast durchwegs kontinuierlich auf sogar unter 20 Prozent gesenkt werden. Im Jahr 2021 habe sich die Abgabenquote jedoch bereits wieder auf 31,73 Prozent und 2022 sogar auf 42,69 Prozent erhöht. „In beinahe der Hälfte der Tests gab der Handel somit alkoholische Getränke an Minderjährige ab. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Entsprechende Maßnahmen müssen eingehend diskutiert und zeitnah umgesetzt werden“, fordert er. Erfreulich sei hingegen, dass nach den Corona-Einschränkungen wieder vermehrt Workshops, und hier vor allem mit Kindern, möglich waren. So konnte die SUPRO im Jahr 2022 insgesamt 8097 Personen erreichen, darunter 2777 Kinder und Jugendliche. Im Jahr 2021 waren es nur 777 Kinder und Jugendliche. Gute Nachrichten gibt es auch in Sachen Personal. Sämtliche offene Pflegestellen innerhalb der Stiftung konnten im Laufe des vergangenen Jahres besetzt werden.