IV-Chef: Bürokratie ist „ein Wahnsinn“

IV und Sparte Industrie präsentierten Konjunkturumfrage und formulierten Forderungen an die Politik.
Schon deutlich besser als derzeit war die Stimmung in der Vorarlberger Industrie. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung (IV) und der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer. Wie der neue IV-Präsident Elmar Hartmann, IV-Geschäftsführer und Spartengeschäftsführer Michael Amann berichteten, hat sich der Geschäftsklimaindex gegenüber dem Vorquartal noch einmal verschlechtert. Dieser zeigt einen Mittelwert der Einschätzung der aktuellen Geschäftslage und jener in sechs Monaten. Mit -5,7 Prozentpunkten hat der Index einen der niedrigsten Werte der vergangenen zehn Jahre. Lediglich zu Beginn der Coronapandemie und im vergangenen Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine war die Stimmung noch schlechter. 41 Unternehmen mit insgesamt rund 28.000 Beschäftigten haben sich an der Umfrage beteiligt. Insgesamt sind in der heimischen Industrie etwa 32.000 Menschen beschäftigt, erklärte Amann. Die Ergebnisse der Befragung seien daher durchaus repräsentativ.
Unsicherheit
Die Gründe für die schlechte Stimmungslage in weiten Teilen der Industrie sind laut IV-Präsident vielfältig. So würden die Unternehmen auf dem Markt einen hohen Kostendruck spüren. Zugleich drückten auch die hohe Inflation, steigende Zinsen und die gestiegenen Personalkosten auf das Gemüt. Ganz allgemein sei auf dem Markt eine Unsicherheit spürbar. Kunden seien zurückhaltender bei den Auftragsvergaben. Zudem hätten viele Industrieunternehmen aufgrund von Engpässen bei der Verfügbarkeit von Bauteilen hohe Lagerbestände aufgebaut, die nun auch wieder abgebaut werden müssten. Auch dies sorge dafür, dass die Stimmung „nicht so gut“ ist, meinte Hartmann. Die Vertreter der Industrie erneuerten diesbezüglich auch mehrere Forderungen an die Politik. So sei eine Entbürokratisierung unbedingt notwendig, betonte der IV-Präsident. Der Aufwand für die Unternehmen, um die bürokratischen Anforderungen zu erfüllen, sei mittlerweile „ein Wahnsinn“. Es gelte, diesen Bereich „drastisch zu entrümpeln“.

Daneben beschäftigt die Wirtschaftstreibenden auch der Fach- und Arbeitskräftemangel. Einerseits gebe es die positive Entwicklung, dass in Vorarlberg trotz der schwierigen Umstände Vollbeschäftigung herrsche. Zugleich werde es für Unternehmen immer schwieriger, nicht nur Fachkräfte, sondern überhaupt Arbeitskräfte zu finden, berichtete Hartmann. In diesem Zusammenhang brauche es Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, um die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu erleichtern. So könne etwa über mehr Digitalisierung der Prozess beschleunigt werden, schlug der IV-Präsident vor.
Kinderbetreuung
Zugleich müsse dafür gesorgt werden, dass jene, die zum Arbeiten nach Vorarlberg kommen, sich hier wohlfühlten. Mit der Gründung des Expat-Services und der internationalen Schule in Bregenz seien erste Schritte gesetzt worden. Allerdings müssten weitere folgen. Dazu gehörten etwa leistbarer Wohnraum oder die entsprechenden Angebote in der Kinderbetreuung, die auch für heimische Arbeitskräfte wichtig seien. Diesbezüglich machte sich Hartmann dafür stark, einen Aktionsplan zu erarbeiten. Die Herausforderungen in diesem Bereich seien bekannt. Nun gehe es für die Politik darum, entsprechende Maßnahmen zu planen und zu setzen, um die Probleme zu lösen. Die Kinderbetreuung sicherzustellen, sei immer noch Aufgabe der öffentlichen Hand, auch wenn immer mehr Unternehmen eigene Angebote schaffen würden, betonte IV-Geschäftsführer Zoll.

Hartmann betonte, dass die Industrieverantwortlichen trotz aller Herausforderungen optimistisch blieben. Schließlich sei es wohl eine Grundeinstellung von Unternehmern, an eine positive Entwicklung in der Zukunft zu glauben. Die Vertreter der Industrie hoben auch hervor, dass die Stimmung nicht in allen Branchen gleich schlecht sei.
Leicht zuversichtlich
So seien etwa die Verantwortlichen in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie durchschnittlich optimistisch und sogar leicht zuversichtlich, erklärte Zoll. Die aktuelle Geschäftslage sei gut, und man gehe davon aus, dass dies auch in sechs Monaten noch so sein werde. Ebenfalls verhalten optimistisch sind die Befragten in der Textilindustrie. In der Elektro- und Elektronikindustrie sowie in der Verpackungsindustrie werde die aktuelle Lage zwar durchaus gut gesehen, aber bezüglich der Entwicklung in den kommenden sechs Monaten gebe es Skepsis.

Am schlechtesten ist die Stimmung derzeit wohl in der Maschinen- und Metallindustrie. Beim „Flaggschiff der Vorarlberger Wirtschaft“ gebe es außerordentlich schlechte Erwartungen, berichtete der IV-Geschäftsführer. Einzig die Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten werde von einem Großteil als gleichbleibend eingeschätzt. In allen anderen Bereichen wie etwa der Auftragslage, den Verkaufspreisen und dem Beschäftigtenstand seien die Vertreter eher pessimistisch.