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Mimose oder Endometriose?

05.08.2023 • 23:00 Uhr
Ein Blähbauch sowie Völlegefühl sind oft ein belastender Begleiter von Endometriose und Adenomyose. In der Community der Betroffenen hat sich bereits ein eigener Name für das Phänomen durchgesetzt: der Endobelly. Oftmals legen sich die Betroffenen eine so heiße Wärmflasche auf, dass sich die Haut aufgrund der Hitze rötet. <br><span class="copyright">vanessa huber</span>
Ein Blähbauch sowie Völlegefühl sind oft ein belastender Begleiter von Endometriose und Adenomyose. In der Community der Betroffenen hat sich bereits ein eigener Name für das Phänomen durchgesetzt: der Endobelly. Oftmals legen sich die Betroffenen eine so heiße Wärmflasche auf, dass sich die Haut aufgrund der Hitze rötet.
vanessa huber

Endometriose ist die zweithäufigste Erkrankung bei Frauen. Trotzdem ist die Krankheit im Verhältnis dazu noch unbekannt.

Unterleibsschmerzen, Erschöpfung, eine verrücktspielende Verdauung oder auch mal Übelkeit: viele Frauen kennen die Probleme, vor allem während ihrer Menstruation. Doch für jede zehnte Frau sind das nicht einfach nur lästige Problemchen, sondern Auswirkungen einer schwerwiegenden Erkrankung: Endometriose.

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vanessa huber

Extrem starke Schmerzen während der Regelblutung sowie Unterbauchschmerzen, aber auch zyklusunabhängige Schmerzen, Schmerzen während oder nach dem Geschlechtsverkehr, Übelkeit und Erbrechen, Verdauungsprobleme, ständige Erschöpfung oder Unfruchtbarkeit sind nur einige der Symptome, welche die betroffenen Frauen nicht nur während ihrer Periode, sondern in vielen Fällen auch tagtäglich begleiten.

Doch gerade die Vielzahl der Probleme macht eine Diagnose nicht unbedingt leichter, denn die Krankheit kann sich bei jeder Frau anders äußern. Nicht umsonst wird die Krankheit oft als das „Chamäleon der Medizin“ bezeichnet. „Endometriose ist so eine schwierige Erkrankung, weil die Diagnose so schwierig ist. Von Endometriose gibt es viele verschiedenen Formen und sie äußert sich auch immer anders. Typisch sind zum Beispiel Schmerzen beim Verkehr, welche 50 bis 60 Prozent der Frauen betreffen. Die restlichen 40 bis 50 Prozent haben dafür keine. Die Symptome sind nie eindeutig und jede Frau hat unterschiedliche Beschwerden“, erklärt Burghard Abendstein, Leiter der Endometrioseklinik im Landeskrankenhaus Feldkirch.

Burghard Abendstein, Leiter der Endometrioseklinik im Landeskrankenhaus Feldkirch. <span class="copyright">dietmar Stiplovsek</span>
Burghard Abendstein, Leiter der Endometrioseklinik im Landeskrankenhaus Feldkirch. dietmar Stiplovsek

Gerade weil die Krankheit so schwer zu durchschauen ist, kostet der Weg bis zur Diagnose den Betroffenen oft viele Lebensjahre. Im Durchschnitt dauert es acht Jahre bis zu einer endgültigen Diagnose. Auch bei Sophia Simon aus Lustenau dauerte es einige Zeit bis sie Gewissheit hatte: „Meine erste Periode habe ich mit 13 Jahren bekommen und ab da sofort unaushaltbare Schmerzen. Ich hatte richtig Angst, weil ich aufgrund eines Schulausflugs auf mich allein gestellt war und nicht wusste was mit mir und meinem Körper passiert. Mit 17 Jahren hatte ich dann eine Bauchspiegelung aufgrund einer Tennisball-großen Zyste am rechten Eierstock. Bei der Operation hat man dann Endometriose-Herde im Bauchraum gefunden.“

Ein steiniger Weg

Doch nicht nur der lange und schmerzhafte Weg bis zur Diagnose, sondern vor allem die ständigen Beschwerden machen das Leben mit der Krankheit für viele zum Albtraum. „Früher hatte ich oft Kopfschmerzen sowie Verdauungsprobleme und verspürte eine durchgehende Müdigkeit. Am schlimmsten waren die Bauch- und Rückenschmerzen während meiner Periode, die in die Beine ausgestrahlt haben. Das heißt, immer wenn ich meine Regel hatte und auch um den Eisprung herum, konnte ich nicht laufen, weil mich meine Schmerzen vom Bauchnabel abwärts gelähmt haben“, beschreibt Simon ihr Leiden.

Sophia Simon aus Lustenau. <span class="copyright">vanessa huber</span>
Sophia Simon aus Lustenau. vanessa huber

Auch Catrin Mungenast aus Bregenz hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Vor meiner Operation habe ich am Tag zwischen acht und 15 Schmerztabletten genommen, also alles, was ich zuhause gefunden habe, um durch den Tag zu kommen. Teilweise war es so schlimm, dass ich mich nachts in die 40 Grad heiße Badewanne legen musste, einfach weil die Wärme mir gutgetan hat.“ Schließlich kippte sie im März 2018 aufgrund ihrer starken Schmerzen vor ihrem damaligen Arbeitgeber um. Sie kam umgehend ins Krankenhaus. Ihre finale Diagnose der tief infiltrierenden Endometriose im Beckenbereich erhielt sie im Zuge ihrer OP im Juli 2018.

anlaufstellen für betroffene

Die Endometriose Vereinigung Österreich hilft Frauen in ganz Österreich einen Umgang mit der Krankheit zu finden. Kontaktmöglichkeiten auf der Homepage.

In Vorarlberg kann man sich an die Selbsthilfegruppe Endometriose von femail* wenden.

Kontaktmöglichkeiten auf der Homepage.

Doch nicht bei allen Betroffenen wird eine Operation durchgeführt, bei vielen werden auch nur Verdachtsdiagnosen gestellt. „Eine Verdachtsdiagnose ergibt sich zu einem Großteil aus der Symptomschilderung der Patientin. Hierbei muss die genaue Krankengeschichte erhoben und gezielt die richtigen Fragen gestellt werden. Außerdem gibt es die Möglichkeiten der gynäkologischen Untersuchungen sowie mittels Ultraschall. Bei einem untypischen Ultraschallbefund, aber typischen Symptomen kann man die Patientin zum MRT schicken“, erklärt Abendstein. „Sieht man am Befund schmerzhafte Zysten oder Endometriose-Herde, die man entfernen kann, wird man operieren. Die Entscheidung, welche Therapie man einschlägt, fällt aber immer in einem Gespräch zwischen Arzt und Patientin“, erklärt der Gynäkologe.

Wenig Möglichkeiten

Das heimtückische an der Krankheit ist jedoch, dass sie chronisch verläuft und unheilbar ist. Es können somit nur die Symptome behandelt werden, aber nicht die Erkrankung an sich. Hinzu kommt, dass die Behandlungsmöglichkeiten eher spärlich sind. Schulmedizinisch gesehen gibt es neben der bereits erwähnten Operation noch zwei weitere Möglichkeiten: eine Hormontherapie mittels Pille oder speziellen Gestagen-Präparaten sowie die Behandlung mit Schmerzmitteln.

Catrin Mungenast aus Bregenz im Interview. <span class="copyright">vanessa huber</span>
Catrin Mungenast aus Bregenz im Interview. vanessa huber

Es gibt auch noch alternativmedizinische Möglichkeiten wie Akupunktur, Homöopathie oder Traditionell Chinesische Medizin. „Aktuell nehme ich eine für Endometriose geeignete Pille im Langzyklus. Aufgrund eines möglichen Kinderwunsch mache ich alle drei Monate eine Pillenpause. Eine Gynäkologin, die sich mit Naturheilkunde auseinandersetzt, hat mir Tinkturen und Tees, bestehend aus Kräutern, zusammengestellt. Diese trinke ich in der Pillenpause und habe durchaus das Gefühl, das mich das unterstützt. An Tagen mit leichten Schmerzen funktioniert das echt gut statt einer klassischen Schmerztablette“, erzählt Mungenast.

Einschränkung des sozialen Lebens

Auch wenn es Frauen gibt, die nach einer Operation und durch Hormon- oder Schmerzmitteltherapie schmerzfrei werden, trifft dies längst nicht auf alle zu. So kämpft auch Simon weiterhin mit Beschwerden: „Mich beeinträchtigt die Krankheit im alltäglichen Leben sehr. Man muss bedenken, wenn man während der Periode und dem Eisprung Schmerzen hat, fallen schon mal zwei Wochen im Monat weg. In dieser Zeit ist man sehr abgeschottet, man nimmt an keinerlei sozialem Event teil, weil man einfach nur im Bett liegt und versucht die Schmerzen zu überstehen.“

Doch neben den Schmerzen machen den Betroffenen oft auch zwischenmenschliche Probleme zu schaffen. „Es wissen noch sehr wenige über die Krankheit Bescheid und es ist anstrengend auch noch die Aufklärung zu übernehmen. Aber selbst ich als Mensch mit Symptomen wurde nicht von Ärzten, sondern von Dokus und Büchern über die Krankheit informiert und aufgeklärt“, erzählt sie. Eines ist somit klar: auch wenn die Erkrankung bislang noch unbekannt ist, darf das nicht so bleiben. Aufklärung kann die Krankheit zwar nicht heilen, den Betroffenen aber einiges an Leid und Erklärungsnot ersparen.

Links eine Gebärmutter ohne, rechts mit starker Endometriose. <span class="copyright">vanessa huber</span>
Links eine Gebärmutter ohne, rechts mit starker Endometriose. vanessa huber

Was Endometriose eigentlich genau ist

Laut der MedUni Wien handelt es sich bei Endometriose um eine chronisch verlaufende Krankheit. Gewebe von Zellen, die ansonsten nur in der Gebärmutter, in Gebärmutterhals oder Eizellen zu finden sind, treten vereinfacht gesagt auch an untypischen Stellen im Körper wie an den Eierstöcken, der Scheide, im Darm oder in der Lunge auf. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass sich die Endometriosezellen grundlegend von den Zellen in der Gebärmutter unterscheiden und nicht dasselbe sind. Sie können im Gegensatz zu den Zellen der Gebärmutter mutieren und so bleibende Schäden an den befallenen Organen verursachen. Fachlich spricht man daher von gebärmutterähnlichen Zellen.

Es gibt jedoch noch eine zweite Erkrankung, die sich ähnlich äußert: Adenomyose. Da sie ähnliche Probleme auslöst, wird sie fälschlicherweise oft als „Schwester“-Krankheit der Endometriose gesehen. Es gibt jedoch einen grundlegenden Unterschied. Während sich bei der Endometriose die Zellen außerhalb der Gebärmutter befinden, wachsen diese bei der Adenomyose in das Muskelgewebe der Gebärmutter ein. Durch das Einwachsen kommt es meist zu einer Vergrößerung des Uterus, was zu schmerzhaften, starken Regelblutungen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Urinieren und Stuhlgang führen kann. Etwa ein Fünftel aller Frauen, die an Endometriose leiden, haben auch gleichzeitig Adenomyose.

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