Dieses Kind hat im Achraintunnel das Licht der Welt erblickt

Wie im Film fühlte sich Alena Leeb, als sie mit Ehemann, Kleinkind und Hund im Auto zum Krankenhaus fuhr und merkte, dass die Geburt ihres Babys unmittelbar bevorsteht.
Beim Besuch der NEUE am Sonntag in Riefensberg hält Alena Leeb (34) ihre sechs Wochen alte Tochter Helena im Arm, das Mädchen mit dem dichten, roten Haar schaut wach in die Welt und lächelt. Wenig später schlummert es auf dem Sofa und seine Mama beginnt, von der außergewöhnlichen Geburt zu erzählen. Der Geburtstermin wäre am 2. September gewesen, einen Tag danach wurde aus medizinischer Notwendigkeit mit der Einleitung begonnen, so Alena Leeb. Doch die zwei Wehentröpfe der stärksten Stufe, ein Ballonkatheter und die Einleitungstabletten lösten nichts aus. „Ich sagte dann: Jetzt ist Schluss, ich gehe heim und lasse die Natur entscheiden. Mein Sohn Arthur und unsere Tiere waren zu Hause, ich wollte mich um sie kümmern.“

Am Morgen des 8. September, nach einer Nacht mit Senkwehen, ging die junge Mutter zum Arzt. Beim Ultraschall konnte er das Köpfchen des Babys kaum mehr erkennen, weil es sich schon so tief unten befand. Soweit war jedoch alles in Ordnung. Als Alena Leeb am selben Tag gegen 20.30 Uhr im Bett lag, platzte ihre Fruchtblase. Das nahmen sie und ihr Mann Daniel Leeb ohne Zeitdruck hin: „Wir wussten von der Geburt unseres Sohnes Arthur, dass es noch einen Tag dauern kann.“ Dennoch brachen sie bald zur rund 30-minütigen Fahrt von Riefensberg ins Krankenhaus Bregenz auf: Daniel Leeb am Steuer, seine Frau auf dem Beifahrersitz, hinten der viereinhalbjährige Arthur und im Kofferraum Hündin Bonny. Sohn und Hund wollten die beiden „am Land draußen“ in die Obhut von Alena Leebs Eltern übergeben.
Wehen still ausgehalten
Nach einer Minute Autofahrt bekam die junge Frau eine Wehe: „Die war knackig. Ich musste aber ganz still sein, weil Arthur hinten schlief. Dann kamen die Wehen alle zwei Minuten ziemlich stark.“ Auch diese Wehen hielt Alena Leeb wegen ihres Sohnes lautlos aus. Nach rund 15 Minuten Autofahrt – während einer Atempause – sagte sie zu ihrem Mann, dass er ihre Eltern informieren soll, ihnen entgegenzukommen. Kurz darauf hielt sie ihn an, einen Krankenwagen zu rufen. Als der 36-jährige Mann telefonierte, fühlte Alena Leeb sich wie in einer Komödie: „Ich habe kaum Luft bekommen, und er redete ganz gelassen mit dem Sanitäter. Als er gefragt wurde, wie weit die Geburt fortgeschritten sei, sagte er: Sie atmet stark. Ich aber habe gewusst, dass bald die Presswehen einsetzen. Allerdings konnte ich ihm das nicht mitteilen, da ich am Veratmen war. Ich habe ihn also nur böse angeschaut.“ Ihrem Ehemann war lange nicht bewusst, wie weit sie schon war, weil sie wegen des Kindes auf der Rückbank so lautlos wie möglich war und sie die meiste Zeit kaum sprechen konnte.

Schließlich, bei Alberschwende, hatte Alena Leeb ihre erste Presswehe. „Da konnte ich nicht mehr still sein. Arthur weinte mittlerweile, und der Hund war auch ganz fertig. Ich versuchte, meinen Sohn zu beruhigen und erklärte ihm, dass es mir gut geht.“ Als die Familie in den Achraintunnel einfuhr, bekam die junge Mutter ihre zweite Presswehe, die das Köpfchen nach außen beförderte. „Das war der einzige Moment, in dem ich Angst hatte, weil ich nicht wusste, ob das Baby Luft bekam.“ Deshalb nahm sich die Riefensbergerin vor, bei der nächsten Presswehe alles zu geben. Diese Wehe kam noch im Achraintunnel und ließ das Kind dank der Anstrengung von Alena Leeb aus ihrem Körper gleiten. Es fiel auf den Autoboden und schrie sofort. „Das Schreien hat mich schon mal erleichtert“, erzählt die 34-jährige Frau. „Aus einem YouTube-Video wusste ich, dass das Baby in so einem Fall gewärmt werden muss und die Nabelschnur nicht durchschnitten werden darf.“
Überraschte Großeltern
Daniel Leeb fuhr den nächstgelegenen Parkplatz nach dem Achraintunnel an – denjenigen beim Sutterlüty-Markt in Schwarzach. Er war zuvor als Treffpunkt mit Alena Leebs Eltern ausgemacht worden. Sie waren schon dort und sehr überrascht, dass ihr neues Enkelkind bereits das Licht der Welt erblickt hatte. Sogleich brachten sie Mutter und Kind eine Decke. Einige Minuten später traf der Krankenwagen ein, und die Sanitäter untersuchten Alena Leeb und Helena. Danach durchschnitt Daniel Leeb die Nabelschnur. Schließlich fuhren die junge Mutter und ihr Baby im Krankenwagen ins Spital nach Bregenz, wo das übliche Prozedere mit Nachgeburt und Nähen erfolgte. Drei Tage später gingen sie nach Hause. Alena Leeb erzählt ihre Geschichte in ruhigem Ton. Bei der Passage, die vom Telefonat ihres Mannes mit der Rettung handelt, schmunzelt sie. Klein-Helena erlitt durch den Sturz auf den Autoboden keine Verletzung, und Alena sowie Daniel Leeb haben die Sturzgeburt gut verarbeitet. „Aufarbeiten müssen wir es allerdings noch mit Arthur. Er hatte Angst, als ich so laut war. Wir gehen die Geschichte mit ihm durch und sagen ihm, wie tapfer er war.“
„Ich musste während der ersten Wehen ganz still sein, weil Arthur auf der Rückbank saß.“
Alena Leeb, Mama von Arthur und Helena
Die 34-Jährige erklärt, dass sie in den Augenblicken der Geburt nur funktioniert und kaum nachgedacht hat. Die Gedanken, die sie hatte, galten ihrem Sohn auf der Rückbank. Für sie ist die Geschichte nichts Besonderes, sondern „einfach nur eine Geburt“. Ihrem Ehemann Daniel Leeb ging es, als er die Dringlichkeit erfasst hatte, ähnlich wie ihr: Auch er funktionierte. „Er versuchte, ruhig zu bleiben, damit wir nicht panisch wurden.“ Der Achraintunnel wird für Familie Leeb nie mehr einfach ein Tunnel sein. Klein-Arthur etwa spricht öfter von der Geschichte mit dem Tunnel und dem Wasser; mit Letzterem ist das Fruchtwasser gemeint.
Was gilt als Geburtsort?
Damit zur Frage, welche Gemeinde als Geburtsort der kleinen Helena gilt. Der Tunneleingang, von Alberschwende kommend, gehört zu der Wälder Gemeinde, das Ende liegt auf Dornbirner Ortsgebiet. Helena ist jedoch Schwarzacherin: In Fällen wir ihrem gilt der Ort, an dem zum ersten Mal angehalten wird, als Geburtsort. Das war der Parkplatz beim Sutterlüty in Schwarzach.