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Eine Wälder Legende

04.11.2023 • 23:00 Uhr
Ulli Troy mit der Gitarre. Seine Spezialität ist aber das Texten. <span class="copyright">Hartinger</span>
Ulli Troy mit der Gitarre. Seine Spezialität ist aber das Texten. Hartinger

Ulli Troy aus Egg hat das be-, aber oft verkannte Lied „Wäldar ka nüd jedar sin“ geschrieben, er verfasste 200 Liedtexte und war Mitbegründer von Bands wie „Stemmeisen und Zündschnur“.

Ulrich – Ulli – Troy aus Egg hat etwas mit Udo Jürgens, Bruce Springsteen oder der Band „The Police“ gemeinsam: Eines ihrer Lieder wurde missinterpretiert. Ulli Troy sang mit „Wäldar ka nüd jedar sin“ nämlich kein Loblied auf die stolzen Bregenzerwälder.

Sondern: Er wollte damit sagen, dass es Menschen, die aus der Norm fallen, im Bregenzerwald schwer haben können. Das Bild, das er dabei vom Wälder zeichnete, war ironisch und kritisch (Liedtext am Artikelende). Dass es bei vielen Menschen anders ankam, stört den 70-jährigen Pensionisten nicht. Fest steht: Er hat mit dem Lied Bregenzerwälder Musikgeschichte geschrieben.

Ulli Troy in seinem Arbeitszimmer, wo es viele Bücher und CD's gibt. <span class="copyright">Hartinger </span>
Ulli Troy in seinem Arbeitszimmer, wo es viele Bücher und CD's gibt. Hartinger

Nicht nur dieser Song der von ihm mitgegründeten Band „Stemmeisen und Zündschnur“ erreichte Kultstatus. Auch „Gemmor Beissarle z’ruck“, „FKK ador Suborsa“, „Neam do Viere-Zug ge Bezo“ und weitere Lieder waren und sind – zumindest im Bregenzerwald – sehr bekannt und werden von den Menschen gesungen. „I bea zwar o a Wäldare“, das an das beliebte Wälderlied „Wio geen bean i a Wäldare“ anknüpft, ist genial. „Dor Obod goht übor i d’Naht“ ist zu einem Kirchenlied geworden, das nicht nur im Wald bei Beerdigungen gesungen wird.
Ulli Troy empfängt die Neue am Sonntag in seinem Arbeitszimmer, das einiges über ihn aussagt: Eine Wand ist mit vollen Bücherregalen bedeckt, ein anderes Regal mit CD’s bestückt. Ein mächtiger, bemalter Holzkasten aus dem Jahr 1800 stammt von seinem Ururgroßvater aus dem Kleinen Walsertal – seit der Pandemie forscht Ulli Troy über seine Wälder und Walser Wurzeln. Seine Vorliebe für Humor kommt in einigen witzigen Plakaten zum Ausdruck.

Geburtsstunde

Der Egger studierte nach der Matura Englisch und Geografie in Innsbruck. Als er 1975/76 im Rahmen seines Studiums ein Austauschjahr in England machte und ihn vier Kollegen – darunter Hermann Stadelmann aus Alberschwende – besuchten, schlug die Geburtsstunde der Band „Stemmeisen und Zündschnur“: Beim gemeinsamen Singen in einem Pub merkten Hermann Stadelmann und Ulli Troy, dass sie gut zusammenpassten. Zudem war damals die Zeit der im Dialekt gesungenen Rocksongs angebrochen. Der Alberschwender Gitarrenlehrer trug bereits den Spitznamen „Stemmeisen“. Zu Ulli Troy sagte er: „Dear zündt as me wia mear“, womit der Name „Zündschnur“ und auch der Bandname gefunden war.

Die erste Kassette von „Stemmeisen und Zündschnur“. <span class="copyright">hartinger</span>
Die erste Kassette von „Stemmeisen und Zündschnur“. hartinger

1977 veröffentlichten die beiden Bregenzerwälder ihr erstes Album als Kassette mit dem Titel „A Wäldarfise“. Da Ulli Troy und Hermann Stadelmann bald darauf beruflich als Lehrer am Borg Egg eingespannt waren und Familien gründeten, erschien ihr nächstes Album erst 1990. Dafür hatten sie den Musiker und Komponisten Rolf Aberer mit ins Boot geholt. „Durch ihn bekamen wir musikalisch Hand und Fuß“, erklärt Ulli Troy. Denn: „Ich habe mich nie als Musiker gesehen und hatte auch nicht die entsprechende Ausbildung. Mein Part war das Texten.“ In Folge gewann er weitere gute Musikerinnen für „Stemmeisen und Zündschnur“ hinzu: Evelyn Fink-Mennel, ihre Schwester Isabella Fink und 2014, als Hermann Stadelmann sich aus gesundheitlichen Gründen zurückzog, seine Tochter Irma-Maria Troy. Mit dem Austritt des „Stemmeisens“ wurde die Musikgruppe in „Zündschnur und Bänd“ umgetauft. Acht Alben haben die Musiker und Musikerinnen veröffentlicht, vor zwei Jahren gaben sie ihre Abschlusstournee.

Kritische Lieder

„Wäldar ka nüd jedar sin“ erschien auf dem zweiten Album, es heißt „Allad no a Fise?“ Die Frage bedeutete auch, ob alles im Bregenzerwald so toll, ob alles ein Fest ist. „Damals haben wir zum ersten Mal kritische Lieder gebracht“, erzählt Ulli Troy. Beispielsweise kritisierte die Band ein geplantes Achkraftwerk der Illwerke vkw, das dann – auch dank einer Initiative – tatsächlich kleiner gebaut wurde. Weitere heiße Eisen waren die Regio Bregenzerwald oder der zunehmende Straßenbau auf die Alpen. Bis zum Ende von „Stemmeisen und Zündschnur“ blieb Ulli Troy seiner kritischen Linie treu, wenngleich er in den letzten Jahren weniger die Politik, sondern gesellschaftliche Entwicklungen kritisch hinterfragte.

Der Kasten, den Ulli Troy öffnet, ist ein Teil des ehemaligen Beichtstuhls der Egger Kirche. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der Kasten, den Ulli Troy öffnet, ist ein Teil des ehemaligen Beichtstuhls der Egger Kirche. Hartinger

Der vierfache Vater und Opa eines Enkels hat insgesamt über 200 Liedtexte geschrieben. Von seinem mittlerweile verstorbenen Onkel Kaspar Troy – einem Mundartdichter und Lyriker – ist er in seinem Tun stark beeinflusst worden. Der herausforderndste Text war für Ulli Troy ein Auftragswerk: Das Carl-Lampert-Forum fragte ihn um einen Liedtext über den selig gesprochenen Carl Lampert, der von den Nationalsozialisten hingerichtet worden war. Das Lied findet sich im Gotteslob.

Ulli Troy hat Humor. Dieser findet sich auch in mehreren seiner Lieder. <span class="copyright">Hartinger</span>
Ulli Troy hat Humor. Dieser findet sich auch in mehreren seiner Lieder. Hartinger

Seit zehn Jahren ist Ulli Troy in Pension und kann nun „ungestört Musik machen“, wie er sagt. Vor rund zehn Jahren hat der Fußballfan die Band „Kleaborar Bahnteifl“ gegründet, von der im Herbst 2018 nur noch drei Mitglieder übrigblieben: Ulli Troy und seine Cousins Richard und Jos Natter. In Erinnerung an ihren gemeinsamen Großvater Johann Kaspar (Hanskaspa) Troy gründeten sie die Formation „Hanskaspas Enkel“. Mit dieser Musikgruppe wollen die drei den Zuhörern einen vergnüglichen Abend bereiten. Dazu arbeiten sie mit Kabarettisten zusammen, im aktuellen Programm mit Markus Lins und Manfred Kräutler.

Typischer Wälder?

Damit zur abschließenden Frage: Was ist für den Vater des Liedes „Wäldar ka nüd jedar sin“ ein typischer Wälder? „Den gibt es nicht. Der Dialekt hebt die Bregenzerwälder von anderen ab. Man ist gerne Wälder, die Menschen halten zusammen und die Region hat Besonderes, etwa die Architektur. Aber es macht uns nicht besser.“

Das nächste Konzert von „Hanskaspas Enkel“, für das es noch Karten gibt, findet am 3. Dezember, 20 Uhr, in der Kammgarn in Hard statt. Weitere Infos: www.hanskaspasenkel.at

Liedtext

Refrain: Wäldar ka nüd jedar sin, das ischtor beltor1 klar, wil noßa2 moaß as Grenza gia, was ma ischt und was ma dar. Wenn a jedar tät, was ear gad wäht3 und hat im Sean, denn wär as doch gonz grüsele dohean.

Und d‘Farba sand a oagne Gschicht, am Stammtisch merkschos gnau, am allarringschto4 tuascht mit schwarz, dorneabod goht no blau. Und an brungo Stih ischt ou gonz gli, das lit ka Not, bloß grüa goht nüd, sa lützl as wia rot.

Dor Gloubo ka rät hoakle sin, das weaßod meor scho lang, ußar wenn‘d katholisch beascht hat alls da grado Gang. Wenn du gär koan hascht, beascht ou ka Lascht, wenn‘d gischt a Ruah. Bloß ondorst gloubo, dänas darscht nüd tua.

A oagne Muanung darscht scho hea, das woßt ma und ischt gweaß, und gealto tuat‘s am meschto denn, wenn‘d ähnle denkscht wia deas. Abor tüfor gong, söttscht bliebo long, das goht nüd guad, wil das Heandorfrogo bringt bloß bösos Bluad.

Und wia as mit do Fremdo und ou mit om Buo stoht, do gitas nünz5 zum Frogo, obas deawag witor goht. Denn eatz meandor hea kunnt nia in Sea, das führt nüd wit, allad me und vöarsche, denn gohscht mit dor Zit.

Und was vor guad fufzg Johro gsin ischt6, healf Gott, beos meor still, as git doch wearkle niamed, wo das hüt no weassa will. Döta ummarstoara, ummarboahro, darrscht nüd tua, wil as ischt nünz gsin, holt d‘Schnorro, geab a Ruah.

Drum toar wia d‘Lüt, denn goht dear ou gad ebo wia do Lüt, so hämmors doch scho fröhor ghea, drum gealt as ou no hüt. Wil mit ondorscht tuo houscht Töara zuo, das siahscht doch in, drum toar wia d‘Lüt, denn kascht a Wäldar sind.

1: sowieso

2: irgendwo

3: meinen, glauben

4: am einfachsten

5: nichts

6: Das Lied erschien im Jahr 1990.