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Der Weg und der Alltag einer Politikerin

14.11.2023 • 23:00 Uhr
Karin Nussbaumer, Natascha Soursos und Romy Abraham (l.).  <span class="copyright">Ursula Dünser</span>
Karin Nussbaumer, Natascha Soursos und Romy Abraham (l.). Ursula Dünser

25 Frauen aus Vorarlberg erzählen in einem neuen Buch von ihren ganz persönlichen Erfahrungen als Politikerinnen – spannend.

m Juli vergangenen Jahres wurde die heute 40-jährige Kommunikationsberaterin Natascha Soursos Feldkircher Kultur- und Integrationsstadträtin für Die Grünen – Feldkirch blüht. „Ich habe damals eigentlich nicht gewusst, wie ich das mit den Kindern vereinbaren kann“, gesteht sie. Ihre zwei kleinen Buben waren zwei und drei Jahre alt. „Das hat mich schon zum Nachdenken gebracht“, erzählt sie. Aus dieser persönlichen Betroffenheit heraus ist ein Buch mit dem Titel „Platziert – Vorarlberger Politikerinnen im Gespräch“ entstanden, das morgen im Alten Hallenbad in Feldkirch präsentiert wird (siehe unten).

„Ich wollte von anderen politisch tätigen Frauen wissen, wie sie das alles unter einen Hut bringen“, beschreibt Soursos die Grundidee des Buches, und auch wie andere mit Öffentlichkeit oder Social Media umgehen. Im Jänner dieses Jahres hat ein Dreierteam – neben Soursos die Grafikerin Romy Abraham und die Fotografin Karin Nussbaumer – dann mit dem Projekt begonnen.

Buchpräsentation

„Platziert – Vorarlberger Politikerinnen im Gespräch“: ­Buchpräsentation und -diskussion.

Donnerstag, 16. November, 18.30 Uhr, Altes Hallenbad, Reichenfeldgasse 10, Feldkirch.

Moderation: Eva Häfele.

Mit: Juliane Alton, Vahide Aydin, Nicole Feuerstein-Hosp, Eva Hammerer, Martina Hladik, Sandra Jäckel, Andrea Kerbleder, Fabienne Lackner, Olga Pircher, Sabine Scheffknecht, Barbara Schöbi-Fink, Katharina Wiesflecker, Sabine Juffinger. (Weitere Zusagen möglich).

Anmeldung unter: natascha@studio-wortart.com

Zunächst ging es um die Frage, wer überhaupt interviewt werden sollte, berichtet Soursos von den Anfängen. Ein zentraler Punkt diesbezüglich war für das Team, dass Frauen aus allen im Landtag vertretenen Fraktionen dabei sind. Soursos anfängliche Bedenken, dass das ein Problem werden könnte, weil sie selber bei den Grünen ist, haben sich nicht erfüllt. Fünfundzwanzig Frauen – jeweils fünf aus den fünf Landtagsfraktionen – sind nun im Buch vertreten. Und sie geben überaus spannende, persönliche Einblicke in unter anderem ihre Laufbahn und ihren Alltag als Politikerinnen (siehe unten).

Allen Frauen wurden dieselben 20 Fragen gestellt beziehungsweise bildeten diese das Raster für die Einzelinterviews. Dabei ging es etwa um ihre Motivation, sich politisch zu engagieren, die Reaktion darauf in Familie, Freundeskreis oder bei männlichen Politikern. Weitere Fragen befassten sich mit Frauenfeindlichkeit, dem geringen Anteil an Politikerinnen in Vorarlberg oder einer Quote.

Dsa Buch „Platziert – Vorarlberger Politikerinnen im Gespräch“.   <span class="copyright">Studio WortArt</span>
Dsa Buch „Platziert – Vorarlberger Politikerinnen im Gespräch“. Studio WortArt

Vertreten sind Frauen aus den verschiedenen politischen Gremien, darunter die Neos-EU-Abgeordnete Claudia Gamon, die Grünen-Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli, die ehemalige FPÖ-Bundesrätin Cornelia Michalke, aber auch Frauen aus den diversen Gremien im Land – von der Landesrätin oder Bürgermeisterin bis zur Stadt- oder Gemeindevertreterin. Es sind jüngere Politikerinnen dabei und ältere, fast alles aktive, politisch tätige Frauen mit und ohne Kinder.

Als besonders spannend hat Soursos den jeweiligen persönlichen, individuellen Weg empfunden. Konkret: „Bei 25 Frauen haben wir 25 Wege in die Politik, da gibt es keinen 08/15-Weg“, so die Feldkircher Grünen-Stadträtin und Buchautorin. Erstaunt hat sie, dass die Erfahrungen mit Medien, allen voran sozialen Medien, nicht so negativ waren, wie sie erwartet hatte.

„Ich habe damals eigentlich nicht gewusst, wie ich das mit den Kindern verein­baren kann.

Natascha Soursos, Buchautorin und Grünen-Stadträtin

Einig waren sich indes alle Frauen, dass es wichtig sei, dass Politikerinnen in allen politischen Gremien dabei sind. Dadurch würden auch die Dinge auf die Agenda kommen, die Frauen beschäftigen. Zwischen den persönlichen Geschichten der Vorarlberger Politikerinnen sind im Buch auch Daten, Zahlen und Fakten zum Thema vorhanden. „Da zeigt sich, dass es umso mehr Frauen gibt, je höher die Gremien sind“, weist Soursos auf ein Detail hin. Aber: „In den wichtigen Entscheidungsfunktionen finden sich dann fast nur Männer.“

Erwartbare Unterschiede bei den Antworten gab es natürlich auch. So sei es beim Thema Quote keine Überraschung, dass sie von den FPÖ-Politikerinnen nicht befürwortet werde, zeigt die Autorin ein Beispiel auf. Und: Die Angriffe auf Social Media seien umso heftiger, je höher die Funktion sei, wobei Frauen dort persönlicher angegriffen würden als Männer und häufig auch auf das Äußere reduziert.

Das Buch kostet 38 Euro.  <span class="copyright">Studio WortArt</span>
Das Buch kostet 38 Euro. Studio WortArt

Komplettiert wird „Platziert – Vorarlberger Politikerinnen im Gespräch“ mit einem Interview mit der Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle und Texten von Gender-Expertin und Ex-Femail-Leiterin Sabine Juffinger sowie der Direktorin des Frauenmuseums Hittisau Stefania Pitscheider Soraperra. Bei der morgigen Buchpräsentation wird mindestens die Hälfte der Interviewpartnerinnen an einer Podiumsdiskusion teilnehmen. „Dann können alle gemeinsam über das Thema reden“, so Soursos.

Die Produktion des Buches wurde von den Macherinnen privat finanziert. Beiträge gab es von zwei Abteilungen des Landes (jeweils 450 Euro) und dem Gemeindeverband (300 Euro). Auch bei den Parteien wurde um einen Druckkostenzuschuss angefragt. Von zwei gab es eine positive Rückmeldung: FPÖ und Neos unterstützen das Projekt ebenfalls mit je 300 Euro. Das ansprechend gestaltete Buch „Platziert – Vorarl­berger Politikerinnen im Gespräch“ wurde in einer Auflage von 750 Stück gedruckt. Es hat 290 Seiten und ist im Vorarlberger Buchhandel sowie unter https://studio-wortart.com/projekt/ erhältlich. Es kostet 38 Euro.

Einblicke – Zitate aus dem Buch

„Es ist offenbar schwieriger für Männer, gegen eine Frau zu verlieren als gegen einen Mann.“
Juliane Alton, Grünen-Stadträtin in Dornbirn

„Oftmals haben Frauen innerhalb der Parteien mit denselben Problemen zu kämpfen.“
Nicole Feuerstein-Hosp, FPÖ-Landtagsabgeordnete und Gemeindevertreterin in Lustenau

„Von den 36 Männern sagten fast alle: ‚Ich kann das‘, während von den 36 Frauen vielleicht fünf das von sich behaupteten.“
Annette Fritsch, SPÖ-Stadträtin in Bregenz

„ Als ich meine Haare abschneiden ließ, bekam ich mehr Aufmerksamkeit als je zuvor.“
Eva Hammerer, Grünen-Klubobfrau, Landtagsabgeordnete und Gemeindevertreterin in Hard

„In der Gemeindevertretung waren vor allem Männer – Gastronomen, Landwirte, Selbstständige, sogenannte gestandene Mannsbilder. Ich hingegen war eine junge, ­alleinerziehende Mutter.“
Sandra Jäckel, FPÖ-Gemeindevertreterin in Hard

„Während meiner 14 Jahre als Stadträtin habe ich vier Kinder auf die Welt gebracht. Ich frage mich heute manchmal, wie ich damals alles unter einen Hut bekommen habe.“
Andrea Kaufmann, ÖVP-Bürgermeisterin in Dornbirn

„Eine Frau – insbesondere eine junge Frau – muss sich zuerst ­beweisen und viel mehr Leistung erbringen als männliche Kollegen.“
Fabienne Lackner, Neos-Landtagsabgeordnete und Stadtvertreterin in Feldkirch

„Es gab auch Kommentare aus konservativen Kreisen wie: ‚Die soll doch lieber zu Hause bei den Kindern am Herd bleiben.“
Sabine Scheffknecht, ehemalige Neos-Klubobfrau und Landtagsabgeordnete

„Mir macht es nichts aus, eine Quotenfrau zu sein.“
Martina Rüscher, ÖVP-Landesrätin

„Doch dann sah ich, dass viele – vor allem Männer – einfach dazwischenriefen. Also begann ich es auch zu tun.“
Olga Pircher, ehemalige SPÖ-Landtagsabgeordnete und Stadtvertreterin in Bludenz