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„So etwas habe ich noch nie erlebt“

11.01.2024 • 23:00 Uhr
Rechtsanwalt German Bertsch <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Rechtsanwalt German Bertsch Stiplovsek

Rechtsanwalt German Bertsch, Verteidiger des Hauptbeschuldigten im Mordfall Janine G., über die lange Ermittlungsdauer, DNA-Spuren am Tatort und die Gründe für das anfängliche Schweigen seines Mandanten.

Interview

Sie vertreten den Tatverdächtigen im Mordfall Janine. Die Anklageerhebung zieht sich hin. Wie geht es Ihrem Mandanten

German Bertsch: Den Umständen entsprechend. Er ist sehr geduldig, wartet aber jetzt schon sehr auf die Hauptverhandlung.

Das ist nicht ihr erster Mordfall. Was sagen Sie zur Verfahrensdauer, immerhin liegt die Tat nun schon fast zwei Jahre zurück. Ist das noch verhältnismäßig?

Bertsch: Das Verfahren geht jetzt schon sehr lange und von Verhältnismäßigkeit kann man hier kaum mehr sprechen. Sowas habe ich noch nie erlebt. Man muss allerdings berücksichtigen, dass es zwei Beschuldigte gibt, umfangreiche Ermittlungen durchgeführt und zahlreiche Gutachten eingeholt werden mussten.

Im Sommer 2023 haben Sie gesagt, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien und der Abschlussbericht für Ende August erwartet wird. Was ist Ihr letzter Stand? Warum dauert das Ermittlungsverfahren so lange?

Bertsch: Ich kann es mir selbst nicht erklären. Erst hieß es Ende August, dann Ende Oktober, dann Ende des Jahres. Heute (Anm.: Donnerstag) hat man mir gesagt, dass der Abschlussbericht wahrscheinlich bis Ende nächster Woche vorliegen wird. Ich denke, es wird am Personalmangel beim Landeskriminalamt liegen.

Haben Sie schon eine Haftbeschwerde eingebracht?

Bertsch: Ja, im Oktober. Dieser wurde aber keine Folge gegeben.

Die Untersuchungshaft darf laut Strafprozessordnung maximal zwei Jahre betragen. Heißt das, dass Ihr Mandant Anfang März auf freien Fuß kommen müsste, wenn bis dahin die Anklage nicht rechtskräftig wäre?

Bertsch: Das ist richtig, ja. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass Verwaltungsstrafen, die währenddessen abgesessen werden, nicht der Untersuchungshaft zugrechnet werden. Auch mein Mandant hat solche Ersatzfreiheitsstrafen abzusitzen.

Werden Sie die Anklage in jedem Fall beeinspruchen?

Bertsch: Ich werde mir die Anklageschrift natürlich zuerst anschauen, aber sehr wahrscheinlich werde ich keinen Einspruch erheben. Denn dies würde noch einmal alles verzögern.

Bis wann rechnen Sie mit der Anklage?

Bertsch: Nachdem ich damit rechne, dass der Abschlussbericht erst mit Ende Jänner vorliegt, gehe ich davon aus, dass die Anklage Ende Februar steht. Dann könnte der Prozess im April oder Mai stattfinden.

Wie verantwortet sich Ihr Mandant?

Bertsch: Er gibt an, dass er die Frau nicht umgebracht hat.

Wir haben aus sicherer Quelle erfahren, dass Ihr Mandant die gleiche Geschichte erzählt wie jener junge Mann, der sich bereits seit Mai 2022 auf freiem Fuß befindet – nur umgekehrt.

Bertsch: Das ist richtig. Die Verantwortung der beiden Männer ist ähnlich.

„So etwas habe ich noch nie erlebt“
Die zwei Beschuldigten kurz vor der Tat in einer Tankstelle. Polizei

Nach unseren Informationen deckt sich das DNA-Spurenbild aber nicht mit der Version Ihres Mandanten.

Bertsch: Doch, in zahlreichen Punkten. Es sind Spuren von beiden Beteiligten vorhanden.

Warum sitzt Ihr Mandant dann in U-Haft und der andere nicht?

Bertsch: So hat das Oberlandesgericht entschieden.

Warum hat Ihr Mandant denn so lange geschwiegen?

Bertsch: Mein Mandant hat erstmals Anfang August 2022 ausgesagt. In den ers­ten zwei, drei Monaten war er dazu nervlich nicht in der Lage. Dazu gibt es auch psychiatrische Unterlagen. Dann musste noch ein Termin mit der Polizei vereinbart werden, so wurde es August.

Er wurde dann aber noch einmal ein zweites Mal einvernommen.

Bertsch: Ja, das war am 17. Mai 2023. Seit diesem Tag warte ich auf den Abschlussbericht der Polizei.

Ihr Mandant soll dann noch viele Stunden mit der Leiche im Auto herumgefahren sein, bevor er diese im Lustenauer Ried abgelegt hat.

Bertsch: Dass er mitgeholfen hat die Leiche zu beseitigen, gibt er zu.

Wie hat er die Tat in Erinnerung? Was sagt er heute dazu?

Bertsch: Er findet es natürlich ganz furchtbar, was da geschehen ist. Er versucht das Ganze irgendwie zu verarbeiten, unter anderem durch Fortbildung.

In diesem Graben wurde am 5. März 2022 die Leiche der 30-jährigen Dornbirnerin gefunden. Ein damals 25-jähriger Mann wird beschuldigt, die Tat begangen zu haben. Vertreten wird er vom Feldkircher Rechtsanwalt German Bertsch. <span class="copyright">hartinger</span>
In diesem Graben wurde am 5. März 2022 die Leiche der 30-jährigen Dornbirnerin gefunden. Ein damals 25-jähriger Mann wird beschuldigt, die Tat begangen zu haben. Vertreten wird er vom Feldkircher Rechtsanwalt German Bertsch. hartinger

Mordfall

Zwei Beschuldigte, zwei Versionen

Am 5. März 2022 findet ein Hüttenwirt im Lustenauer Ried eine tote Frau, die offensichtlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Wenig später steht fest, dass es sich um die kurz zuvor als vermisst gemeldete Janine G. aus Dornbirn handelt. Zwei Tatverdächtige (19 und 25 Jahre alt), die in der Tatnacht mit dem Opfer unterwegs waren, werden rasch ausgeforscht. Der 19-Jährige, in dessen Wohnung sich die Tat ereignet hatte, wurde zwei Monate später aus der Haft entlassen, da ihm keine direkte Beteiligung an dem Gewaltverbrechen nachgewiesen werden konnte. Er hatte angegeben, durch Alkohol und Drogen in eine Art Schockstarre verfallen zu sein. Außerdem habe er Angst gehabt, selbst Opfer zu werden.

Der 25-jährige Erstbeschuldigte schwieg mehrere Monate. Bei seiner Einvernahme im August 2022 wies er dann jede Schuld von sich und belastete seinen 19-jährigen Bekannten. Er selbst habe nur bei der Beseitigung der Leiche geholfen. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.