Warum wir über Geld sprechen sollten

Der heutige „Equal Pay Day“ erinnert daran, dass in Österreich keine Lohngleichheit herrscht. Vorarlberg bildet das Schlusslicht.
Weniger romantisch als der heutige Valentinstag ist der Blick auf das Bankkonto von Mann und Frau. Stellen Sie sich vor, Sie hätten bewusst von Jahresbeginn an bis heute gratis gearbeitet? Würde man wahrscheinlich nicht bewusst freiwillig tun. Frau tut dies jedoch, zumindest symbolisch. Wenn man das Gehalt der Österreicherinnen mit den Österreichern vergleicht, haben die vollzeitbeschäftigten Frauen bis heute symbolisch nichts verdient. In Vorarlberg arbeiten die Frauen laut dem Frauennetzwerk „Business and Professional Woman“ sogar noch bis zum 17. März umsonst. Damit ist Vorarlberg im Bundesländervergleich Schlusslicht in Sachen Lohngleichheit. Klares Vorbild ist dabei die Hauptstadt: in Wien war der „Equal Pay Day“ schon am 12. Jänner. Darauf folgte Niederösterreich am 12. Februar und Burgenland heute. Am 18. Februar wird dieses Jahr in Kärnten der „Equal Pay Day“ datiert, am 27. Februar in der Steiermark, am 1. März in Tirol und am 5. März in Oberösterreich.
„Frauen arbeiten mehr Stunden“
Doch warum bekleidet Vorarlberg in Sachen Gender-Pay-Gap österreichweit den letzten Platz? Laut Frauenlandesrätin Katharina Wiesflecker hat dies diverse Ursachen. Zum einen hänge es mit der Wirtschaftsstruktur des Landes zusammen, zum anderen würden hier Frauen die Fürsorge übernehmen. „Männer arbeiten vielfach in Branchen, wie Industrie oder Energiewirtschaft, die aufgrund der Exportorientierung und Grenznähe zur Schweiz hohe Gehälter zahlen können. Zum anderen übernehmen die Care Arbeit – ob es um Kinder oder ältere Menschen geht – traditionell die Frauen, die damit ihren Männern den Rücken für Vollzeitarbeit und Überstunden freihalten, maximal Teilzeit arbeiten können und oft in hohe persönliche Armutsgefährdung rutschen“, führt Wiesflecker einige Gründe an.

Und die Teilzeitarbeit endet auch nicht mit dem Großwerden der Kinder. „Fakt ist, dass viele Frauen nicht nur während der Lebensphase mit Klein- und Schulkindern in Teilzeit arbeiten, sondern auch danach. Wir sehen in allen Statistiken und unserer Beratungspraxis, dass Frauen ihr Leben lang zusätzlich zur Erwerbstätigkeit in großem Ausmaß unbezahlte Pflege-, Sorge- und Hausarbeit übernehmen“, erläutert Geschäftsführerin des Fraueninformationszentrums „Femail“ Lea Putz-Erath. Insgesamt würden damit Frauen mehr Stunden als Männer arbeiten.
Doch die Teilzeitproblematik fließt nicht einmal in die Statistik für den heutigen Aktionstag ein, denn der „Equal Pay Day“ berücksichtigt nur Vollzeitbeschäftigte. „In Vorarlberg verdienen Männer im Bundesvergleich am meisten und Frauen am wenigsten. Daraus ergibt sich der späte Equal Pay Day“, bringt Putz-Erath es auf den Punkt. Würde man Teilzeitbeschäftigten in die Rechnung hineinnehmen, würde die Lohnschere wachsen und der „Equal Pay Day“ sich nach hinten verschieben.

Baustellen und Lösungen
Um die Lohnschere schließen zu können, brauche es ein Bündel von Maßnahmen, so Wiesflecker. Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Berufswahl, gerechte partnerschaftliche Rollenaufteilung von Care-Arbeit, Lohnverhandlungen, Arbeitszeitflexibilisierung und Förderung von Frauen sind Stichworte, die sie im Zusammenhang mit der Schließung des Gender-Pay-Gaps nennt. Wichtig sei es, über Geld zu sprechen. Dem stimmt auch Putz-Erath zu: „Über Geld reden ist die wichtigste Maßnahme, um über Generationen hinweg die Lohnschere zu schließen.“ Gehaltstransparenz in Unternehmen verbessere die Ausgangsbasis für individuelle Gehaltsverhandlungen. Zudem erweitere Wissen über Verdienstmöglichkeiten bei der Berufswahl die Entscheidungsbasis für junge Menschen. Ebenso würden Gespräche über Geld, das Gehalt und das Familieneinkommen die Basis für eine gleichberechtigte Partnerschaft darstellen. „Dass Geld innerhalb von Familien oft ein großes Tabu ist, merken wir vor allem bei den zahlreichen Gruppenworkshops die wir zum Thema Pension anbieten. Wir bestärken Frauen hierbei, das Thema anzusprechen.“
Entwicklung
Beim Jahreseinkommen unselbstständiger Erwerbstätiger hat sich laut Wiesflecker der Einkommensnachteil von 2007 von knapp 52 Prozent auf 46,7 Prozent 2022 verringert. „Die Frauen kommen daher seit vielen Jahren in etwa auf die Hälfte des Einkommens. Hier bildet sich der hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigten ab.“
Bei den Jahreseinkommen ganzjährig Vollzeitbeschäftigter zeige sich hingegen eine deutliche Verbesserung: Lag der Einkommensunterschied 2007 bei knapp 34 Prozent, liegt er 2022 bei 22,4 Prozent. „Immer noch zu hoch. Hier zeigt sich das unterschiedliche Lohnniveau in den verschiedenen Branchen“, sagt sie.