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Ein unendlicher Kampf um einen Mitarbeiter

14.04.2024 • 16:00 Uhr
Thomas Guderjahn, von ihm beim Videotelefonieren mit Mitarbeiter aus Kosovo, der nicht bei ihm arbeiten darf.
Thomas Guderjahn telefoniert regelmäßig mit Isak Ademi, der im Kosovo lebt. Hartinger

Ein Harder Unternehmen sucht vergebens nach Mitarbeitern. Der Kosovare Isak Ademi würde sofort beginnen – doch er darf nicht.

“Seit 20 Jahren bin ich über Inserate beim AMS auf der Suche nach einem Mitarbeiter“, klagt Thomas Guderjahn, Geschäftsführer eines Familienunternehmens im Bereich Schwimmbäderbau. Der Harder erzählt, dass während dieser Zeit zwar schon vereinzelte Mitarbeiter begonnen hatten, doch langfristig ergab sich nie ein Arbeitsverhältnis. „Der längste Mitarbeiter blieb einen Tag, und der kürzeste Mitarbeiter ist nach der ‚z’Nüne-Pause‘ nie mehr gesehen worden, und wir sind ohne ihn auf der Baustelle gestanden. Dann haben wir zu zweit betoniert statt zu dritt“, blickt er auf die bisherigen Erfahrungen zurück.

Thomas Guderjahn, von ihm beim Videotelefonieren mit Mitarbeiter aus Kosovo, der nicht bei ihm arbeiten darf.
Thomas Guderjahn (l.) und die NEUE (r.) telefonieren per Video mit Isak Ademi. Hartinger


Warum ist es so schwer, Mitarbeiter zu finden? Der reale Alltag eines Schwimmbadbauers habe laut Guderjahn nichts mit dem Poolboy-Klischee mit leicht bekleideter Kundschaft zu tun. Stattdessen sei es „harte Knochenarbeit“, von Betonieren, Kies schaufeln im Winter bis zum Schwimmen und Schimmel von Fugen putzen sei alles dabei. „Du musst ein Allrounder sein und unter großer Hitze oder bei Kälte arbeiten“, erklärt der Unternehmer. „Das Planschen im Schwimmbad sind die schönen Seiten unseres Jobs“, sagt er und zeigt auf ein Bild auf seinem Computer, auf dem einer seiner Mitarbeiter im Pool eines Hotels mit Taucherbrille steht.

Prozess AMS
Die Arbeit im Schwimmbäderbau besteht nicht nur aus Plantschen. Dies hier ist die Sonnenseite des Berufs. Guderjahn Schwimmbäderbau


Eine Lehre zum Schwimmbäderbauer gibt es nicht – Fachkräfte sind also Mangelware. Doch eigentlich hätte Guderjahn schon vor mehreren Jahren einen Interessierten gefunden, der unbedingt bei ihm arbeiten möchte. Doch der Harder kämpft schon seit über zwei Jahren gegen das AMS, um diesen potenziellen Mitarbeiter aus dem Kosovo anstellen zu dürfen. Dafür hat er aktuell schon 15.000 Euro für Prozesskosten ausgegeben und viel Energie und Zeit aufgewendet.

“Vermisse meine Brüder”

Das Handy klingelt. Isak Ademi ruft an. „Ich möchte nach Vorarlberg, weil dort meine Brüder sind“, erklärt Isak Ademi beim Videotelefonat mit Guderjahn. Derzeit könne er wenig planen, weil er auf die Zusage wartet, dass er nach Vorarlberg kommen darf. Mit den zwei Brüdern dort telefoniert er oft. „Manchmal auch zweimal am Tag“, erzählt er lachend. Doch er vermisst seine Brüder und Neffen und würde gerne mal ein Fußballmatch von ihnen sehen. Auch mit Guderjahn telefoniert er hin und wieder, um Updates zum Rechtsstreit zu bekommen.

Thomas Guderjahn, von ihm beim Videotelefonieren mit Mitarbeiter aus Kosovo, der nicht bei ihm arbeiten darf.
Thomas Guderjahn am Schreibtisch. Guderjahn Schwimmbäderbau

Das AMS selbst wollte sich auf Anfrage der NEUE nicht zu diesem Fall äußern. Im Juni 2022 hat die Filiale in Bregenz den Antrag für die Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte für Isak Ademi als Schlüsselkraft abgelehnt. Gegen diese Entscheidung gingen das Unternehmen und Isak Ademi damals vor, indem sie eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einreichten. Diese wurde abgelehnt. Auch der zweite Rechtsgang war erfolglos. „Wir haben nun alle Instanzen in Österreich durchlaufen“, sagt Rechtsanwalt Wilfried Ludwig Weh, der das Unternehmen und Isak Ademi vor Gericht vertritt. Er zeigt kein Verständnis für den jüngsten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. März, der eine Revision zurückwies. „Ich habe kein Problem damit, dass ein Inländer einem Ausländer vorgezogen wird. Doch wenn kein Inländer zur Verfügung steht, verstehe ich es nicht“, kritisiert der Anwalt. Doch er möchte nicht aufgeben. Da es eine neue Rechtslage gibt, möchte er eine neue Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen. Guderjahn selbst äußert jedoch Bedenken. Er befürchtet neue hohe Prozesskosten. Diese seien nämlich schmerzhaft für sein kleines Unternehmen.

Thomas Guderjahn, von ihm beim Videotelefonieren mit Mitarbeiter aus Kosovo, der nicht bei ihm arbeiten darf.
Thomas Guderjahn hat eine Leidenschaft für Pools. Er hat auch selbst einen Zuhause. Hartinger

3000 statt 500 Euro

Platzt damit der Traum des 30-jährigen Kosovaren, der unbedingt nach Vorarlberg will? Vor Kurzem war er noch sehr positiv gestimmt. „Ich mache gerade den Lkw-Führerschein und habe am 15. April die Prüfung“, erzählt Isak Ademi begeistert beim Telefonat mit Thomas Guderjahn, den er aus Respekt Onkel nennt.

Er lebt aktuell in Ferizaj, einem Ort im Süden Kosovos. Dort wohnt er gemeinsam mit seiner Familie, eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus kann er sich mit dem Gehalt von 500 Euro nicht leisten, obwohl er sechs Tage die Woche von acht bis fünf Uhr in einem Matratzenlager arbeitet. Nach Vorarlberg zu ziehen, würde für ihn „Leben“ bedeuten, sagt er. „Im Kosovo geht es nur ums Überleben.“ Hingegen würde er in Hard rund 3000 Euro Entlohnung für 38,5 Stunden bekommen. Das entspricht dem vorgeschriebenen Bruttogehalt für Schlüsselkräfte. Guderjahn weist darauf hin, dass er dies bezahlen muss und deswegen nicht aus blinder Gutmütigkeit handelt:. „Ich bin kein Sozialamt und hole wahllos irgendwelche Mitarbeiter aus dem Ausland.“

Prozess AMS
Die zwei Brüder am Arbeiten. Guderjahn Schwimmbäderbau

Langer Atem

Guderjahn kennt die Familie Ademi bereits seit zehn Jahren. Er ist sich sicher, dass er sich auf sie verlassen kann. Denn er hat schon zwei Brüder von Isak bei seinem Unternehmen angestellt. Er habe das nie bereut, erzählt er. Aber ihm fehlen noch weitere helfende Hände, sonst müsste er wegen des Personalmangels weiterhin teilweise Aufträge ablehnen. Schon die Anstellung der zwei Brüder war nicht einfach. Besonders für Ismajl Ademi, der seit sieben Jahren bei Guderjahn arbeitet. Aus erwarteten sechs bis acht Wochen wurden zwei Jahre, bis Ismajl Ademi die Rot-Weiß-Rot-Karte ausgestellt bekam. Hajrush Ademi wartete zwölf Monate, bis er vor sechs Jahren in Vorarlberg zu arbeiten beginnen durfte – jedoch musste Guderjahn dafür keinen gerichtlichen Weg beschreiten.

Prozess AMS
Bei jedem Wetter auf der Baustelle. Guderjahn Schwimmbäderbau


Angespornt wird der Unternehmer heute noch durch den Prozesserfolg von 2016. Damals bekämpfte er den negativen AMS-Bescheid ebenfalls mit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Nach der Entscheidung des BVwG hatte dann das AMS dem Kosovaren eine Arbeitsbewilligung als ausländische Schlüsselkraft erteilt. Ismaijl Ademi hatte im Gegensatz zu Isak Ademi aber den Vorteil, dass er eine Ausbildung als Installateur und andere Kenntnisse vorweisen konnte. Er hat die erforderliche Anzahl von 50 Punkten erreicht. Isak Ademi wird jedoch als gelernter Koch mit einer Elektrikerzusatzausbildung nur mit 15 Punkten bewertet – Mindestanforderung für die Rot-Weiß-Rot-Karte sind aktuell 55 Punkte. Das löst bei Guderjahn Unverständnis aus, der immer noch überzeugt ist, dass Isak Ademi alle Fähigkeiten für einen guten Schimmbadbauer erfüllt.