Mordprozess im Fall Janine G.: Das sagen die Verteidiger

Schwurgerichtsprozess im Lustenauer Mordfall startet am Dienstag. Die NEUE sprach vorab mit den Verteidigern der zwei Angeklagten, die sich gegenseitig belasten.
In der Nacht auf den 3. März 2022 spielten sich in einer kleinen Eigentumswohnung in Lustenau grausame Szenen ab. Die 30-jährige Zahnarzthelferin Janine G. aus Dornbirn, die zuvor mehrere Stunden gefeiert hatte, wurde brutal erwürgt. Zwei Tage später fand man ihre Leiche in einem Wassergraben im Lustenauer Ried. Obwohl die Polizei rasch zwei Tatverdächtige ausfindig machen konnte, gestalteten sich die Ermittlungen schwierig. Vor allem Rechtshilfeersuchen an Behörden in den USA und Irland zur Auswertung von Social-Media-Daten nahmen viel Zeit in Anspruch. Nun, zweieinhalb Jahre nach der Tat, steht der mit Spannung erwartete Schwurgerichtsprozess bevor, in dem die schrecklichen Ereignisse und die Schuldfrage geklärt werden sollen.
Die Hauptverhandlung unter Vorsitz von Richter Christoph Stadler beginnt am kommenden Dienstag um 9 Uhr und soll am Mittwoch um 9.30 Uhr fortgesetzt werden.

DNA-Spuren
Es ist ein ungewöhnlicher Fall, denn die Angeklagten belasten sich – mit beinahe identen Aussagen – gegenseitig. Mord angelastet wird allerdings nur einem der beiden Männer. Laut Staatsanwaltschaft ist die Verantwortung des mittlerweile 28-Jährigen Vorarlbergers nicht mit dem Spurenergebnis in Einklang zu bringen. Denn die Gerichtsmediziner fanden unter mehreren Fingernägeln der Toten vor allem DNA des Erstangeklagten. Als Tatmotiv kommen Geldschulden in Betracht. Wie aus der Anklageschrift hervorgeht, soll Janine G. mehrfach versucht haben, den Erstangeklagten zur Rückzahlung eines Darlehens zu bewegen. Auch eine Verwandte habe sich eingeschaltet und mit einer Anzeige gedroht.

Monatelang geschwiegen
Dem Erstangeklagten werden neben Mord auch Störung der Totenruhe und Verleumdung vorgeworfen. Wie berichtet, hatte der 28-Jährige, der seit März 2022 in Untersuchungshaft sitzt, zunächst monatelang zu den Vorwürfen geschwiegen und dann seinen 22-jährigen Bekannten belastet, in dessen Wohnung sich die Tat ereignet haben soll. Bei seiner ersten Einvernahme als Zeuge hatte der Erstangeklagte noch ausgesagt, Janine G. habe in der fraglichen Nacht die Wohnung verlassen. Am nächsten Tag sei er dann mit ihr gemeinsam unterwegs gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war Janine G. allerdings bereits tot.

Verteidiger des Erstangeklagten: “Mandant ist unschuldig”
Der Erstangeklagte wird von Matthias Holzmann verteidigt. Der Innsbrucker Rechtsanwalt hat das Mandat erst Ende Mai übernommen. Dem Vernehmen nach wurde dem früheren Verteidiger aus Vorarlberg das Mandat entzogen. Für Holzmann steht fest: „Mein Mandant ist betreffend des Vorwurfs des Mordes und der Verleumdung unschuldig.“
Es ist aktenkundig, dass er und die Verstorbene befreundet waren und, dass der Kredit monatlich pünktlich bedient wurde..
Matthias Holzmann, Strafverteidiger
Der Strafverteidiger weist darauf hin, dass lediglich an den Fingern der Verstorbenen geringe DNA-Mischspuren beider Angeklagter und dem Opfer gefunden wurden. Laut Holzmann stehen die Spuren aber nicht mit der Tat in Verbindung, sondern „mit dem stundenlangen Beisammensein im Rahmen der gemeinsamen Feier“. Der Verteidiger bestreitet auch das von der Staatsanwaltschaft angeführte Tatmotiv. „Es ist aktenkundig, dass er und die Verstorbene befreundet waren und, dass der Kredit monatlich pünktlich bedient wurde.“ Außerdem sei die noch zu bezahlende Restsumme überschaubar gewesen. Holzmann zufolge gibt es Zeugen, die bestätigen, dass es vorher keinen Streit darüber gegeben habe.

Verteidiger des Zweitangeklagten: “Eiskalter Mord”
Ganz anders sieht das naturgemäß der Verteidiger des 22-jährigen Zweitangeklagten. „Das war ein eiskalter Mord, wie man ihn nur aus dem Kino kennt“, sagt der Feldkircher Strafverteidiger Sanjay Doshi im Gespräch mit der NEUE. Seinem Mandanten wird Störung der Totenruhe vorgeworfen, außerdem muss sich der 22-Jährige vor Gericht verantworten, weil er die Tat nicht verhindert haben soll – im Juristendeutsch heißt das „Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung“.
Es war ein eiskalter Mord wie man ihn nur aus dem Kino kennt.
Sanjay Doshi, Strafverteidiger
Wie berichtet, hatte Doshi vergeblich versucht, ein getrenntes Verfahren zu erwirken, damit sein Mandant nicht gemeinsam mit dem ersten Angeklagten vor dem Schwurgericht steht. „Damit beraubt sich die Staatsanwaltschaft ihres wichtigsten Beweismittels, der Aussage eines Augenzeugen“, kündigt Doshi an. Sein Mandant werde nur auf seine bisherigen Aussagen bei der Polizei verweisen, aber keine Fragen beantworten. Alle eingeholten Gutachten würden die Aussagen seines Mandanten bestätigen.Es

Die Zeugen und Gutachter
Im Prozess, der am Dienstag beginnt, geht es nun darum, die objektiven Beweise und das Motiv herauszuarbeiten, die die Schuld der Angeklagten für die Geschworenen zweifelsfrei glaubhaft machen. Die Sachverständigen werden ihre Gutachten am zweiten Prozesstag vorstellen. Es sind dies der Gerichtsmediziner Walter Rabl, die DNA-Expertin Petra Hatzer-Grubwieser und der Gerichtspsychiater Reinhard Haller.

Zum Auftakt am Dienstag werden nach den Eröffnungsplädoyers und der Einvernahme der Angeklagten mehrere Zeugen befragt. Zunächst sind zwei Burschen an der Reihe, denen der Zweitangeklagte nach der Tat erzählt haben soll, was passiert ist. Aber auch zwei Frauen aus dem Umfeld des Opfers müssen in den Zeugenstand. Sie können offenbar bestätigen, dass der Erstangeklagte Schulden beim Opfer hatte und Janine G. vor der Tat die Rückzahlung forderte. Für die Angeklagten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
Chronologie
2. März 2022
Mehrere Personen treffen sich am Nachmittag in der Wohnung des Zweitangeklagten, darunter auch Janine G. und der Erstangeklagte. Es wird gefeiert. Alkohol und offenbar auch Drogen sind im Spiel. Am Abend verlagert sich die Feier nach Fußach.
3. März 2022
Janine G. und die beiden Angeklagten kaufen gegen 2.30 Uhr in der Früh in einem Tankstellenshop Alkohol und Zigaretten. Dies ist auf einem Überwachungsvideo zu sehen. Die Aufnahmen gelten als einer der wichtigsten Hinweise, die zur Ausforschung der beiden Tatverdächtigen geführt haben.
Gegen 3.20 Uhr wird Janine G. in der Wohnung des Erstangeklagten erwürgt. Anschließend fahren die beiden Männer nach Bludenz, um die Leiche dort abzulegen, kehren aber unverrichteter Dinge wieder nach Lustenau zurück. Erst Stunden später soll der Erstangeklagte die Leiche in einem Wassergraben im Lustenauer Ried abgelegt haben.
5. März 2022
Die Leiche von Janine G. wird entdeckt. Kurz davor gab der Vater des Mordopfers eine Vermisstenanzeige auf.
6. März 2022
Der damals 25-jährige Erstangeklagte wird zunächst als Zeuge einvernommen und später am Abend dann in der Wohnung seiner Schwester verhaftet.
7. März 2022
Auch der nunmehrige Zweitangeklagte wird zunächst nur als Zeuge befragt. In einer späteren, fast vierstündigen Einvernahme schildert er den Abend und die Tat detailreich. Er belastet den Erstangeklagten schwer. Er selbst habe sich in einer Art Schockstarre befunden. Außerdem habe er Angst gehabt, dass ihm auch etwas angetan werden könnte.
19. Mai 2022
Der Zweitangeklagte wird aus der U-Haft entlassen.
Jänner 2024
Der Abschlussbericht des Landeskriminalamtes wird zur weiteren Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft Feldkirch weitergeleitet.
März 2024
Der Erstangeklagte befindet sich nun schon zwei Jahre in Untersuchungshaft. Länger darf die U-Haft eigentlich nicht andauern, doch der Beschuldigte hat noch offene Verwaltungsstrafen, die er absitzen muss.
25. März 2024
Staatsanwalt Markus Fußenegger erhebt Anklage. Der Erstanklagte muss sich wegen des Verdachts des Mordes, Verleumdung und Störung der Totenruhe verantworten. Dem Zweitangeklagten wird Unterlassung der Verhinderung einer Straftat und Störung der Totenruhe vorgeworfen. Letzterer erhebt Einspruch gegen die Anklage, allerdings ohne Erfolg.
30. Juli/ 31. Juli
Schwurgerichtsprozess
So entscheiden die Geschworenen
Ein Geschworenengericht besteht aus drei Berufsrichtern und acht zufällig ausgewählten Geschworenen. Letztere entscheiden allein über die Schuldfrage des Angeklagten. Ein Schuldspruch erfordert mindestens fünf von acht Stimmen. Die Richter unterstützen die Geschworenen mit schriftlichen Fragen. Die Entscheidung der Geschworenen nennt das Gericht „Wahrspruch“. Über die Art und Höhe der Strafe entscheiden die Geschworenen und Berufsrichter gemeinsam. Das Urteil über die Schuld ist nur sehr begrenzt anfechtbar. Das Strafmaß für Mord: 10 bis 20 Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe.