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Testament ungültig, Alleinerbe schaut durch die Finger: Erblasser hatte zu wenig Sehkraft

29.07.2024 • 11:36 Uhr
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Fremdhändiges Testament. Shutterstock

Erblasser mit erheblicher Sehschwäche ließ sich fremdhändiges Testament nicht vorlesen. Deshalb erbt doch nicht Erbe aus jüngsten Testamenten, sondern früher eingesetzte Erben.

Der bedachte Alleinerbe aus den zwei jüngsten Testamenten aus dem Jahr 2019 des Erblassers erbt nun doch nichts. Weil eine gesetzliche Formvorschrift für sehschwache und des Lesens nicht mehr fähige Erblasser nicht eingehalten wurde. Das entschied nun in dritter und letzter Instanz der Oberste Gerichtshof (OGH).

Denn der verwitwete Erblasser ohne Nachkommen aus dem Bezirk Dornbirn konnte 2019 nach den gerichtlichen Feststellungen aufgrund seiner erheblichen Sehschwäche die fremdhändigen Testamtente nicht mehr lesen. Demnach reichten Sehbrille und Sehlupe fürs Lesen nicht mehr aus. 2019 verstarb er.

Vorlesen lassen

Nach Paragraf 580 Absatz 2 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) muss sich ein Erblasser, der nicht (mehr) lesen kann, ein fremdhändig geschriebenes Testament von einem der Zeugen in Gegenwart der beiden anderen, inhaltlich informierten Zeugen vorlesen lassen. Und der Erblasser muss danach bekräftigen, dass seine fremdhändige Verfügung seinem Willen entspricht.

Das ist aber nach Ansicht der Gerichte nicht geschehen. Beim Notar habe der Erblasser im August 2019 den falschen Eindruck erweckt, das fremdhändige Testament mit der mitgebrachten Lupe lesen zu können, so der OGH. Tatsächlich habe er den Text nicht lesen können. Seine letztwillige Verfügung sei ihm nicht vorgelesen worden. Deshalb sei das Testament vom August 2019 ebenso ungültig wie jenes vom Juni 2019, das ihm auch nicht vorgelesen worden sei.

Früheres Testament

Daher kommt ein früheres, eigenhändiges Testament aus dem Jahr 2012 zur Geltung. Dabei wurden sieben andere Personen als Erben eingesetzt. Sie erben jetzt jeweils zu einem Siebtel. Im gerichtlichen Erbstreit werden sie als Zweit- bis Achtantragsteller bezeichnet.

Der Erstantragsteller ist der Alleinerbe aus den jetzt für ungültig erklärten Testamenten von 2019. Er beantragte vor Gericht vergeblich die Feststellung seines Erbrechts. Nach dem Bezirksgericht Dornbirn und dem Landesgericht Feldkirch teilte nun auch der Oberste Gerichtshof seine Rechtsansicht nicht.

Das Höchstgericht in Wien gab dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht keine Folge. Der zuständige OGH-Senat erklärte das Rechtsmittel des Erstantragsteller zwar zur Präzisierung der Rechtsprechung für zulässig, aber nicht für berechtigt.