Pensionslücke zwischen Männern und Frauen bleibt groß

In Österreich ist heuer der 6. August der „Equal Pension Day“, der die unterschiedlichen Pensionshöhen von Frauen und Männern in den Fokus nimmt. Dazu kommt heuer der ÖVP-Vorschlag einer „Großelternkarenz“.
Am 6. August ist heuer der österreichweite „Equal Pension Day“ – nur zwei Tage später als im vergangenen Jahr. Männer haben an diesem Tag bereits so viel Pension bezogen, wie Frauen erst bis zum Jahresende erhalten haben werden. Der sogenannte Gender Pension Gap beträgt somit 40,09 Prozent (2023: 40,55 Prozent) oder 148 Tage weniger Pension.
Männer erhalten derzeit im Durchschnitt monatlich 2300 Euro brutto; Frauen 1378 Euro brutto. Die Differenz beträgt 922 Euro brutto pro Monat. In Vorarlberg war der „Equal Pension Day“ heuer schon am 12. Juli. Damit bildet unser Bundesland nach wie vor das Schlusslicht. An der Spitze liegt Wien, wo der Tag erst auf den 15. September fällt. In Vorarlberg beträgt die durchschnittliche monatliche Bruttopension von Männern 2268 Euro, von Frauen 1204 Euro.
Großelternkarenz
Mit in die Pensionsthematik hineinspielen würde wohl auch der jüngst von Bundeskanzler Karl Nehammer wieder ins Spiel gebrachte Vorschlag einer „Großelternkarenz“. Diese soll laut Familienministerin Susanne Raab und Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec (beide ÖVP) möglich sein, wenn die Großeltern noch im Berufsleben oder auch schon in Pension sind.
Die finanzielle Unterstützung soll in Form eines „Großeltern-Bonus“ erfolgen, „analog zum Kinderbetreuungsgeld in derselben Höhe“. Für berufstätige Großeltern soll eine Freistellungsoption vorgesehen werden. Voraussetzung dafür müsste sein, dass sich die Großeltern anstelle der Eltern um die Enkelkinder kümmern, weil diese erwerbstätig sind.
Ein erster Vorschlag zu einer Großelternkarenz stammt übrigens aus dem Jahr 1999. Damals war es die SPÖ-Sozialministerin Lore Hostasch, die einen gesetzlichen Anspruch auf eine dreimonatige „Oma-Karenz“ forderte – allerdings ohne Karenzgeld.
Wie der heutige „Equal Pension Day“ und der „Großelternkarenz“-Vorschlag beurteilt werden, lesen Sie unten.

In Vorarlberg gibt es die höchste Teilzeitquote bei Frauen“, sagt Grüne-Frauensprecherin Sandra Schoch. Das habe auch damit zu tun, dass man in Hinblick auf Kinderbetreuungsinfrastruktur lange der Überzeugung war, dass es das nicht braucht. „Das hat sich geändert.“
„Das Pensionssystem ist auf Männerbiographien aufgebaut und Frauen werden da nur eingefügt und reingepresst“, sagt Schoch. „So lange wir es nicht schaffen, die Väter dazu zu bringen, ihre Kinder zu betreuen und die Zahlen der Väterkarenz deutlich anzuheben, werden wir das noch in den Griff bekommen“, ist die Grüne-Landtagsabgeordnete überzeugt. Daher gelte es, Väter zu empowern, damit diese auf ihr Recht auf Karenz bestehen können.
Was den ÖVP-Vorschlag der „Großelternkarenz“ betrifft, sieht Schoch diese als „Oma-Karenz“. Das werde dann so sein, dass bei Jobbewerbungen von Frauen nicht mehr nach deren Kinderwunsch gefragt wird, sondern je nach Alter nach dem der erwachsenen Tochter. „Da werden ältere Frauen gegen jüngere Frauen ausgespielt.“

Es dürfe nicht länger akzeptiert werden, dass Frauen weniger Pension als Männer bekommen, sagt die SPÖ-Landesfrauenvorsitzende Stefanie Matei. „Die Diskrepanz in den Pensionszahlungen zeigt, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Pensionslücke zwischen Männern und Frauen zu schließen“, betont sie. Pflege- und Erziehungszeiten müssten stärker in die Pensionsberechnung einfließen. „Durch bessere Kinderbetreuungsangebote und flexible Arbeitsmodelle soll die Erwerbstätigkeit von Frauen gefördert werden. Zusätzlich sind Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Lohnunterschiede erforderlich.“
Wenig abgewinnen kann Matei dem Vorschlag der „Großelternkarenz“. „Anstatt die Kinderbetreuungsangebote auszubauen, wird eine Maßnahme vorgeschlagen, die vor allem Frauen betrifft und ihre ohnehin schon niedrigeren Pensionen weiter mindert.“ Die Großelternkarenz würde laut Matei bedeuten, dass Frauen noch weniger in die Pension einbezahlen und somit langfristig schlechter gestellt werden.

“Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit, wodurch die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie schwieriger wird”, stellt ÖGB-Landesfrauenvorsitzende Iris Seewald fest. Das sei einer der Gründe, warum viele Frauen in Teilzeit arbeiten, was die spätere Pensionshöhe verringere.
Mehr denn je müsse darauf geachtet werden, dass Frauen Vollzeit arbeiten können und bis zur Pension gesund in Arbeit bleiben. „Das sind die Knackpunkte für höhere Pensionen von Frauen. Schon jetzt geht nämlich jede dritte Frau nicht aus der Erwerbstätigkeit heraus in Pension, sondern aus Krankenständen oder Arbeitslosigkeit“, erklärt die Gewerkschafterin.
Zum Schließen der Pensionslücke führe kein Weg an kostenfreier öffentlicher Kinderbetreuung, der Chance auf einen Vollzeitarbeitsplatz und gesunden Arbeitsbedingungen vorbei. Und: „Statt Rufen nach einer Großelternkarenz brauchen wir endlich einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ab dem 1. Geburtstag. Nur so haben Frauen echte Wahlfreiheit, können höhere Pensionsansprüche erwerben“, so Seewald.

Laut Neos-Landesvorsitzender Claudia Gamon übernehmen Frauen nach wie vor den größten Teil der Familienarbeit, unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit oder arbeiten in Teilzeit. „Das verursacht große Verluste bei den Pensionsbeiträgen“, sagt sie, und „das, weil ÖVP und Grüne nicht die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen haben“. Sie fordert daher „ein automatisches Pensionssplitting, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr und mehr Anreize für Väter, in Karenz zu gehen und sich an der Kindererziehung zu beteiligen, damit Frauen nicht mehr in die Teilzeitfalle tappen.“
Mit einer „Großelternkarenz“ werde indes „das Problem der mangelhaften Kinderbetreuung in unserem Land nicht gelöst“, betont Gamon. Eine „Großelternkarenz“ bedeute zudem einen Pensionsverlust für Frauen. „Wenn die Oma aufhört zu arbeiten und in die ‚Großelternkarenz‘ geht, fehlen ihr wichtige Pensionsbeiträge – der Vorschlag würde Altersarmut für mehr Frauen zur bitteren Realität machen.“

Um die Pensionslücke zu schließen, braucht es laut der FPÖ-Frauensprecherin Nicole Feurstein-Hosp zunächst einmal eine Anhebung der Löhne für Frauen, nachdem man in Hinblick auf gleiche Löhne für gleiche Arbeit noch weit von der Realität entfernt sei.
Wichtig ist ihr in dem Kontext auch, dass Frauen, die Mütter sind oder Angehörige betreuen und pflegen, entsprechend entlohnt werden. Und Feurstein-Hosp spricht sich auch für unterstützende Maßnahmen beim beruflichen Wiedereinsteig von Frauen aus.
Ein mögliches Modell einer “Großelternkarenz” dürfe indes einer familieninternen Betreuung nicht entgegenstehen, sondern solle als zusätzliches Angebot ausgestaltet sein, sagt sie.

Wenn der „Equal Pension Day“ verschwinden soll, dann „brauchen wir Maßnahmen, die über Jahrzehnte hinweg wirken. Denn das Pensionskonto wird ein Berufsleben lang gefüllt“, sagt femail-Geschäftsführerin Lea Putz-Erath. Sie sieht diese Maßnahmen eingebettet in eine „dringend notwendige Gesamtstrategie zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit in Österreich, die sich in allen Politikfeldern manifestiert“.
Solange sich an den Geschlechterrollen in Bezug auf die Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit nichts ändere, könne laut Putz-Erath auch ein verpflichtendes Pensionssplitting zum Verschwinden des Pensiongaps beitragen. „Das kann aber nur eine Zwischenlösung sein und muss begleitet werden von Maßnahmen, die die gleichmäßige Aufteilung von Familien-, Sorge- und Hausarbeit zwischen den Geschlechtern maßgeblich unterstützen“, sagt sie.
Was den Vorschlag der „Großelternkarenz“ betrifft, geht die femail-Geschäftsführerin davon aus, dass auch in diesem Fall überwiegend Frauen Sorgearbeit übernehmen würden. Damit löse sich das grundsätzliche Problem der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern nicht, stellt Putz-Erath fest. Die unbezahlte Carearbeit würde in diesem sehr wahrscheinlichen Szenario nur von einer Generation auf die vorige weitergegeben werden, was ohnehin Alltag in vielen Familien sei.
„Zur Verbesserung der Situation sehen wir zusätzlich zu flächendeckend verfügbaren familienergänzenden Betreuungsformen Maßnahmen im Zentrum, die Sorgearbeit auf beide Elternteile gerecht verteilen“, betont Putz-Erath. Keinesfalls dürften die ohnehin schon besonders geforderten Frauen im Pensionsantrittsalter noch zusätzlich unter Druck gebracht werden.