Ein Abt, der von Passau nach Wien radelt

An den Adventsonntagen stellt die NEUE am Sonntag drei Mönche und den Abt des Klosters Mehrerau in Bregenz vor. Den Abschluss bildet Abt Vinzenz, der seit 2018 im Amt ist.
Er ist der Chef des Hauses: Abt Vinzenz, gebürtiger Liechtensteiner und seit 2018 im Amt des Vorstehers des Klosters Mehrerau. Geboren wurde er als Rudolf Wohlwend im Oktober 1969 im st. gallischen Grabs, aufgewachsen ist er mit einem älteren Bruder und zwei jüngeren Schwestern in Schaan.
So wie einige seiner Mitbrüder war auch Abt Vinzenz bereits als Schüler in der Mehrerau. „Da hat sich mir das Leben der Mönche gezeigt“, erinnert er sich. Die gelebten Werte der Mönche waren ähnlich denen, die er zu Hause vorgelebt bekommen hat, erzählt er: Beten, arbeiten und Bildung, die drei Schwerpunkte des heiligen Benedikt, seien an beiden Orten gelebt worden – und haben den Jungen, der aus einer Arbeiterfamilie stammt, nachhaltig beeindruckt.

Nach der Matura ging er nach Salzburg, um Theologie zu studieren. „Ich hätte mir auch ein Physikstudium vorstellen können“, sagt er. Nachsatz: „Gottseidank habe ich das nicht gemacht. Meine mathematischen Qualitäten sind nicht so gut, wie ich mir das eingebildet habe“, bemerkt er mit einem Grinsen.
Die Sehnsucht nach der Mehrerau war der Grund dafür, dass er dann wieder zurückkehrte: „Ich war – vielleicht im Gegensatz zu einigen anderen – wahnsinnig gern im Internat“, erzählt er, „ich glaube, ich bin fürs Internat geboren.“ Die vielen Schulkollegen, gemeinsame Ausflüge an den See und in die Stadt und anderes mehr waren es, die den jungen Mann damals so fasziniert haben.

Nach seinem Eintritt ins Kloster durchlief er die üblichen Stationen mit Noviziat und Studien in Einsiedeln und Benediktbeuern. Anschließend war er in Schule und Internat als Religionslehrer und Erzieher tätig. Die Arbeit mit den Schülern beschreibt er als „spannend und auch herausfordernd“: „Wenn 50 pubertierende Jugendliche um dich herum sind, ist es nicht immer einfach.“ Es war ein 24/7-Stunden, erinnert er sich, also ein Dienst rund um die Uhr, der sehr fordernd war. Die ganze Woche war er bei den Jugendlichen, viel Zeit für klösterliches Leben blieb da nicht.
Veränderung
Irgendwann habe er dann gemerkt, dass er eine Veränderung in seinem Aufgabengebiet anstreben müsse, berichtet er. Daraufhin ist er ist zum damaligen Abt Kassian gegangen und hat ihm das mitgeteilt. Dessen Reaktion habe ihn erstaunt und gefreut, erinnert sich Abt Vinzenz: Sein Vorvorgänger habe sich bedankt, dass er auch die persönliche Verantwortung für das klösterliche Leben wahrnehme.
Es war ein Gespräch, aus dem Abt Vinzenz eine für ihn wichtige Botschaft mitgenommen hat: „Trotz des Gelübdes des Gehorsams trage ich auch Verantwortung meiner Person gegenüber“, formuliert er. Und als er 2009 Prior und Novizenmeister geworden sei, sei das auch eine seiner wesentlichen Aussagen für Neuankömmlinge gewesen: „Du bist für dein Leben selbst verantwortlich.“ Und das habe man dann auch so gehandhabt, wobei es natürlich schon Einschränkungen gebe, wie er mit einem Lachen sagt: „Man muss als Chef auch irgendwas sagen.“

Im September 2018, genau zwanzig Jahre nach seiner Priesterweihe, wurde er dann zum Abt gewählt. Angestrebt hat er das Amt nicht, „so was strebst du nicht an“. Er sei eigentlich davon ausgegangen, dass wer anderer gewählt werde. Im ersten Moment sei er daher etwas erstaunt gewesen, auf der anderen Seite habe er sich gedacht, wenn das der Wille Gottes und der Mitbrüder sei, dann sei es gut so.
„Sehr viel Arbeit, sehr viele Bereiche, aber sehr spannend und vielfältig“, beschreibt er sein Tätigkeitsfeld. Aktuell sei es die groß angelegte Sanierung des Klosters, die ihn doch manchmal an den Anschlag bringt. „Da muss man dann vielleicht wieder einen Schritt langsamer gehen“, stellt er dazu fest.
In seiner spärlichen Freizeit findet man den Abt auf dem Fahrrad. Im vergangenen Sommer ist er mit einem Kollegen den Donauradweg von Passau nach Wien geradelt. „Da sind viele Klöster auf dem Weg, in denen man immer eine Unterkunft findet“, bemerkt er mit einem Grinsen. Und er ist begeisterter Volleyballspieler, zumindest bis vor Kurzem: „Man glaubt halt immer, dass man mit den Jungen mithalten muss.“ Das Ergebnis: Ein Muskelfaserriss, den er jetzt mal auskurieren muss.

Gedanken zum vierten Adventsonntag: Aufbruch ins Leben …
Wie geht es uns, wenn wir den Heiligen Abend in zwei Tagen feiern? Wie geht es uns, wenn wir den Heiligen Abend in zwei Tagen feiern? Sind wir vorbereitet? Haben wir den Christbaum schon besorgt? Sind die Geschenkideen umgesetzt?
Für das heurige Weihnachtsfest stelle ich mir die Frage: Bin ich für den Aufbruch in mein Leben vorbereitet? Franz Kamphaus, der Ende Oktober verstorbene, emeritierte Bischof von Limburg, hat Weihnachten einmal so zusammengefasst: „Mach‘s wie Gott, werde Mensch.“
Dabei hat er die Botschaft der Menschwerdung Christi sehr treffend formuliert. Gott wird Mensch und ich bin selbst aufgerufen Mensch zu werden. Wir sind, so sagt es unser Glaube, Kinder Gottes. Wenn Gott nun Mensch wird, so ist es unsere Lebensaufgabe, selbst Mensch zu werden. Was wünsche ich mir für mein Leben, für mein Wachsen an Menschlichkeit?
Sehr oft merke ich bei mir selbst, dass ich nicht das erfassen kann, was in mir schlummert. Oft merke ich es bei mir selbst aber erst, wenn mir bei meinem Nächsten auffällt, dass dieser seine Fähigkeiten nicht ausschöpft. So manches Mal wird mir dann klar, dass dieses Problem auch bei mir ein Lebensthema ist. Was tun?
Gott hat sich verschenkt, in seinem Sohn. Gott ist Mensch geworden – das Geschenk schlechthin an Weihnachten. Die Geschenke, die wir für unsere Lieben vorbereitet haben, sind ein Abbild dessen, was Gott für uns getan hat. So werden unsere Geschenke Schritte auf unser eigenes Menschwerden hin.
Denn aus Liebe geschenkt, mit Liebe gemacht und von Herzen gegeben sind unsere Geschenke Ausdruck dessen, was Gott für uns gibt – sein ganzes Wesen, seine Liebe, sein Leben.
Weihnachten bedeutet: Gott bricht mit mir in mein Leben auf. Wenn ich nun über den eigenen Tellerrand schaue, dann hat das auch etwas friedensstiftendes, und mein Menschsein trägt bei, dass Friede werde unter uns.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser im Namen der ganzen Klostergemeinschaft von Mehrerau ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Abt Vinzenz