Lokal

Ein bewegtes ­Leben von der ­Geburt bis zum Abschied

19.01.2025 • 14:00 Uhr
Heinz Fitz, Alois Hotschnig
Heinz Fitz (r.) und Autor Alois Hotschnig vor einigen Jahren in Igls. Arnulf Häfele

Ende Dezember ist der in Hohenems geborene Schauspieler Heinz Fitz im Alter von 82 Jahren in Tirol gestorben. Seine norwegische Mutter war vom SS-Verein Lebensborn nach Vorarlberg gebracht worden.

Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, ist der Schauspieler Heinz Fitz ruhig und friedlich in seinem Bett zuhause in Innsbruck-Igls gestorben. Er wurde 82 Jahre alt. Damit ging ein Leben zu Ende, das am 9. Dezember 1942 in Hohenems unter dramatischen Umständen begonnen hatte und auch in der Folge einiges an Tragik mit sich brachte.

Heinz Fitz war der Sohn einer Norwegerin und eines Hohenemsers. Sein Vater war vermutlich 1940 – mit dem Beginn der Besetzung Norwegens durch die Nationalsozialisten – mit Tausenden anderen als Wehrmachtssoldat nach Kirkenes gekommen, einer Stadt ganz im Nordosten des Landes an der Grenze zu Russlands. Dort lebte Gerd, die spätere Mutter von Heinz Fitz. Sie war eines von zwölf Kindern des Bürgermeisters. Der Vorarlberger und die Norwegerin verliebten sich ineinander und im Frühjahr 1942 wurde die junge Frau schwanger.

In der Folge beantragte Gerd die Ausreise nach Vorarlberg. Dem Antrag folgten zahlreiche Verhöre des Paares durch Lebensborn e. V. (siehe unten). Der SS-Verein war auch in den folgenden Jahren ein Bestandteil ihres Lebens. Das belegen über 140 Dokumente, die Trygg Hølvold, ein norwegischer Cousin von Heinz Fitz, im Lebensborn-Archiv im norwegischen Staatsarchiv entdeckt hat.

Lebensborn e. V.

Dabei handelte es sich um einen 1935 auf Veranlassung von Heinrich Himmler gegründeten SS-Verein, der wichtiger Bestandteil der NS-Rassenpolitik war. Sein Ziel war es, die Geburtenzahlen „arischer“ Kinder zu erhöhen. Dies geschah unter anderem auch durch Verschleppung von als „arisch“ anerkannten Kindern aus den von Deutschland besetzten Gebieten. Sie kamen unter anderem in eigene Lebensborn-Heime.

Im Oktober 1942 kam Gerd, die in Vorarlberg Gerda genannt wurde, nach Hohenems. Im Dezember brachte sie ihren Sohn Heinz zur Welt. Die beiden lebten in der Folge in einem Haus, das der Familie seines Vaters gehörte. Viele Male hat Heinz Fitz später erzählt, dass er bald einmal zunächst in ein Heim kam und die Mutter in die „Valduna“. Später sei er getrennt von ihr zu einem Bauern nach Lustenau gekommen, wo er misshandelt und missbraucht worden sei. Das berichtete er unter anderem auch in einem großen Interview von 2019, das sich im Lustenauer Zeitzeug:innenarchiv befindet.

Heinz Fitz
Gerd, Heinz (links) und Freunde im Sommer 1943 in Hohenems. Privat/Hølvold

Fitz‘ erste Lebensjahre werden so auch im Roman „Der Silberfuchs meiner Mutter“ (2021) des Kärntner Schriftstellers Alois Hotschnig dargestellt. Die Biographie des Schauspielers bildet die Grundlage für das Buch. Diese wurde vom Autor äußerst gründlich recherchiert, erzählt der Hohenemser Jurist und Historiker Arnulf Häfele, der seit fast zehn Jahren mit Heinz Fitz eng befreundet war.

Einen Roman über seinen Cousin und dessen Eltern hat auch Hølvold vor zwei Jahren geschrieben. Dafür hat er neben den Unterlagen aus dem Lebensborn-Archiv auch Briefe und Dokumente aus dem Archiv seines Großvaters, Gerds Vater, verwendet. Es sind Unterlagen, die eine ein wenig andere Geschichte über die ersten Lebensjahre von Fitz erzählen (mehr dazu in einem zweiten Teil des Artikels ab Sonntag, 26. Jänner).

hotschnig - der silberfuchs meiner mutter - taschenbuch - fogra 52 - uncoated - 125x190.indd
Die Lebensgeschichte von Heinz Fitz bildet das Gerüst des Romans. Kiwi

Nach Ende des Krieges kamen Mutter und Sohn, die zuvor getrennt waren, auf jeden Fall mit Hilfe des Roten Kreuzes in Lustenau wieder zusammen. Es folgten einige Umzüge innerhalb der Gemeinde, bis die Mutter 1949 einen Lustenauer heiratete. Zwei Halbgeschwister von Fitz kamen auf die Welt. Zu ihnen konnte er nie wirklich ein Verhältnis aufbauen. Erst kurz vor ihrem Tod gab es eine Versöhnung mit der Halbschwester.

Mit seinem leiblichen Vater, der erst nach dem Krieg wieder nach Vorarlberg zurückgekehrt sein dürfte, hat Heinz Fitz mit 16 Jahren versucht, Kontakt aufzunehmen, wie er im Zeitzeug:innen-Interview erzählte. Mit einem Freund sei er damals auf dem Rücksitz von dessen Mofa nach Hohenems gefahren und zu seinem Vater gegangen. Der habe ihn gesehen und sei weitergegangen. Einen Brief, den ihm der Jugendliche daraufhin geschrieben hat, sei vom Anwalt des Vaters beantwortet worden – „wenn ich keine Ruhe geben würde, müssen sie sich andere Schritte überlegen“.

Auch Gerd wollte laut den Erzählungen ihres Sohnes den Vater ihres Erstgeborenen sehen und habe sich mit ihm in Dornbirn verabredet. Er sei anscheinend auch gekommen, habe sie angesehen und sei weitergegangen. Der Vater hat später wieder geheiratet und weitere Kinder bekommen. Die Mutter des Vaters soll es gewesen sein, die für ihren Sohn eine andere Frau als die Norwegerin wollte.

Heinz Fitz
Gerd und Heinz im Juli 1943 in Hohenems. Privat/Hølvold

Mit 15 Jahren war Fitz ausgeschult und begann, in einer Stickerei zu arbeiten. Bis 1965 war er in verschiedenen Stickereibetrieben in Lustenau tätig. Allerdings wollte er schon immer Schauspieler werden. Als Jugendlicher hatte er seine ersten Auftritte im Rahmen der Katholischen Arbeiterjugend, später war er im Studio Feldkirch von Eugen Andergassen. In einer Frauenzeitschrift, die in einem Arztwartezimmer auflag, entdeckte Fitz eine Anzeige der Wiesbadener Schauspielschule.

Mit 23 Jahren löste er seinen Bausparvertrag auf, ging an die Wiesbadener Schauspielschule und blieb daraufhin über 30 Jahre in Deutschland. Die umgerechnet 3000 Mark, die er für den Bausparvertrag erhalten hatte, reichten für neun Monate. Als das Geld ausging, arbeitete er als Pfleger im dortigen Krankenhaus. Aus Versehen sei er damals als gelernter Pfleger angestellt worden, wodurch er sehr gut verdient habe, erzählte Fitz im Interview des Lustenauer Zeitzeug:innenarchivs.

Theaterengagements

Sein erstes Engagement erhielte er nach Abschluss des Studiums an der Landesbühne Rheinland-Pfalz, wo er den Schriftsteller Peter Turrini kennenlernte. Später wechselte Fitz an die damaligen Städtischen Bühnen Münster. 1996 wurde der Vorarlberger von Dominique Mentha ans Tiroler Landestheater geholt, wo er bis zu seiner Pensionierung 2008 blieb.

Gut zwei Jahrzehnte bis zu seinem Tod lebte Fitz allein in einem alten Haus in Igls mit Hühnern, Hähnen und Katzen. Seit seinem zwölften Lebensjahr war er Vegetarier – als Resultat dessen, dass sein Stiefvater häufig schlachtete und die Waschküche dann voller Blut war. Ein traumatisches Erlebnis für den Buben.

Heinz Fitz
Ein Bild von Mutter und Sohn aus den 1960er-Jahren. Privat/Hølvold

Eine Beziehung von Fitz, der zwischenzeitlich auch mit einem Alkoholproblem zu kämpfen hatte, zu einer Künstlerin endete nach 14 Jahren. Gute Freunde bleiben die beiden, die in Tirol nicht weit voneinander entfernt wohnten, bis zuletzt. Um die Mutter scheint er sich indes bis zu ihrem Tod 1992 gesorgt zu haben. „Sie hatte ein ganz schweres Leben.“ 1979 ist er mit ihr nach Norwegen gefahren. Dort wurde sie von ihrer Familie als „Nazihure“ beschimpft und verjagt. Nur ihre älteste Schwester habe sie dann in einer Hütte untergebracht, erzählte er 2019.

Seinen letzten großen Auftritt als Schauspieler hatte Heinz Fitz, der seit Jahren an Borreliose litt, beim Tiroler Dramatiker*innenfestival 2023. „Heinz Fitz war groß im Kleinen … abgründig konnte er sein, furchtbar verletzlich wirken“, heißt es unter anderem in einem Nachruf der Tiroler Tageszeitung. Verletzungen dürfte er auch zahlreiche in seinem Leben davongetragen haben.

Ab Sonntag, 26. Jänner, lesen Sie in einem zweiten Teil, wie der norwegische Cousin von Heinz Fitz von diesem erfuhr, Briefe von dessen Eltern fand und den späten Kontakt der beiden Cousins.