Wo sind die Bürgermeisterinnen?

In acht Gemeinden stehen derzeit Frauen an der Spitze. Viel mehr Bürgermeisterinnen dürften es auch nach den Wahlen am 16. März nicht sein.
Acht Bürgermeisterinnen gibt es derzeit in den 96 Gemeinden des Landes. Mit Andrea Kaufmann steht in Dornbirn an der Spitze der größten Stadt Vorarlbergs eine Frau – sie wird aber nach den Wahlen von einem Mann abgelöst werden. Nur gut 400 Einwohnerinnen und Einwohner hat hingegen Viktorsberg. Dort ist Manuela Marte Ortschefin.
Bei den 15 Gemeindewahlen zwischen 1950 und 2020 waren laut dem Historiker Wolfgang Weber immer mehr Frauen als Männer wahlberechtigt. Die erste Bürgermeisterin gab es mit Anna Franz in Bezau aber erst 1998. Auch in den folgenden Jahren blieb die Zahl der Bürgermeisterinnen überschaubar, sodass Vorarlberg diesbezüglich lange auf dem letzten Platz in Österreich lag. Mit aktuell 8,3 Prozent Frauenanteil an der Gemeindespitze liegt das Land laut Gemeindebund derzeit knapp vor Tirol und Kärnten an drittletzter Stelle.
Die NEUE am Sonntag hat bei den Bürgermeisterinnen nachgefragt, ob sie wieder kandidieren bzw. zur Verfügung stehen, was ihre Motivation war, den Job zu machen, ob es Frauen in diesem Beruf schwerer haben als Männer und wieso es so wenige Bürgermeisterinnen bzw. Frauen in der Gemeindepolitik gibt.
Kennelbach: Irmgard Hagspiel
Irmgard Hagspiel (66) ist seit 2021 Bürgermeisterin von Kennelbach. Sie wird nicht mehr antreten. Sie hatte das Amt nach 26 Jahren in der Gemeindevertretung übernommen, weil ihr Gemeinde und Bevölkerung sehr am Herzen liegen und es ihr ein Anliegen war, „dass wieder Ruhe im Dorf einkehrt“. Das Amt sei für Männer und Frauen eine Herausforderung und brauche viel Energie, sagt sie. „Man muss für den Beruf brennen.“ Politik sei nach wie vor eine Männerdomäne, auch wenn immer mehr Frauen den Schritt in die Politik wagten. Einen Grund für den dennoch geringeren Frauenanteil sieht sie darin, dass „die familiären Aufgaben nach wie vor großteils von Frauen übernommen werden“.

Rankweil: Katharina Wöß-Krall
Katharina Wöß-Krall (47), seit 2019 Bürgermeisterin von Rankweil, wird wieder kandidieren, weil die letzten Jahre als Bürgermeisterin eine „unglaublich bereichernde Zeit“ waren. Der Job sei sehr vielfältig und mache ihr viel Spaß. Zudem liege ihr die Weiterentwicklung der Gemeinde sehr am Herzen. Zusätzliche Motivation sei das „zahlreiche positive Feedback der Bevölkerung“. Grundsätzlich hätten es Frauen in diesem Beruf nicht schwerer, so Wöß-Krall. Diese würden sich aber oft weniger zutrauen. „Zudem fühlen sich Frauen oft dazu verpflichtet, noch mehr zu beweisen und alles noch besser zu machen.“ Sie selbst sieht sich als Vorbild und „ich möchte durch meine Arbeit beweisen, dass auch Frauen das Amt der Bürgermeisterin übernehmen können“. Frauen seien für ein Engagement in der Gemeindepolitik weniger leicht zu motivieren. Deshalb müsse deren Interesse an Politik geweckt werden – und erklärt werden, dass ein Engagement gut mit dem Privatleben vereinbar sei.

Viktorsberg: Manuela Marte
Seit September 2024 ist Manuela Marte (49) Bürgermeisterin in Viktorsberg. Auch dort gibt es eine Mehrheitswahl – Marte würde weitermachen. Das Amt hat sie angenommen, weil „ich unser kleines Bergdorf und die Menschen mag“. Viele Dinge in so einer kleinen Struktur seien nicht mit den Gemeinden im Tal vergleichbar. Daher sei es ihr ein großes Anliegen, die Eigenständigkeit zu behalten. Sie persönlich könne nicht sagen, dass es Frauen schwerer hätten. „Ich wurde auf allen Ebenen sehr gut aufgenommen und bekomme zu jeder Frage hilfreiche Antworten“, so Martes Erfahrungen. Warum es dennoch so wenig Frauen in dem Bereich gibt? „Die Themen und Herausforderungen sind sehr vielfältig, für Frauen ist der Spagat zwischen Familie und Job sowieso groß. Die Arbeit in einer Gemeinde verlangt viel Präsenz und Diplomatie und man muss sich schon sehr gut überlegen, ob dann genug Energie für die Familie übrigbleibt, gerade wenn die Kinder noch minderjährig sind.“

Wolfurt: Angelika Moosbrugger
Nach 14 Jahren als Vizebürgermeisterin ist Angelika Moosbrugger (57) seit 2023 Gemeindeoberhaupt von Wolfurt – „weil ich die Entwicklung unserer Gemeinde weiterhin aktiv begleiten“ und „gerade als Frau“ diese „Chance wahrnehmen wollte“. Sie wird wieder kandidieren. Die Arbeit sei für Frauen nicht schwerer, aber „wir sind zu wenige und die einzelne muss sich gefühlt ständig neu beweisen“. Die politische Arbeit und damit oft auch die Themen seien männlich dominiert. Laut Moosbruggers Erfahrung funktionieren Gespräche, Lösungsfindungen schneller und besser, wenn ähnliche viele Frauen wie Männer dabei sind. Eine Schwierigkeit bei Frauen stelle häufig die Mehrfachbelastung unter anderem als Mutter dar. Mittlerweile sei es prinzipiell schwieriger geworden, Menschen für die Gemeindepolitik zu gewinnen. Frauen seien in der Gemeindearbeit häufig ehrenamtlich tätig – es fehle nur der nächste Schritt. Daher unterstütze sie Frauen, wo es nur gehe. Auch damit „wir alle lernen“, Frauen eine Führungsaufgabe zuzutrauen und sie auch zu wählen.

Reuthe: Bianca Moosbrugger-Petter
Seit zehn Jahren ist Bianca Moosbrugger-Petter (48) Bürgermeisterin von Reuthe. Sollte sie wieder gewählt werden – in der Gemeinde gibt es eine Mehrheitswahl – kann sie sich vorstellen, weiter zu machen. Als Motivation für ihren Job nennt sie die Bestätigung der Bevölkerung bei den vergangenen zwei Gemeindevertretungswahlen und die Möglichkeit, die Gemeinde mitzugestalten und zu entwickeln. Sie persönlich hatte als Frau noch nie ein Problem in ihrem Beruf als Bürgermeisterin, sagt sie. Warum es so wenige Frauen in der Gemeindepolitik gibt, „kann ich leider nicht beantworten“. Aber „ich kann die Damen nur motivieren, in der Gemeindepolitik mitzuwirken, da ich nur positive Erfahrungen gemacht habe“.

Ludesch: Alexandra Schalegg
Seit Dezember 2023 ist Alexandra Schalegg (54) Bürgermeisterin von Ludesch. Sie wird wieder kandidieren. Befragt nach ihrer Motivation, den Job zu machen, meint sie: „Die Aufgaben sind sehr vielfältig und spannend, das hat mich gereizt. Ich mag den Kontakt mit Menschen und bei unserem Großprojekt Kindercampus Ludesch kann ich aktiv mitgestalten und meine langjährige Erfahrung einbringen.“ Laut ihrem Empfinden haben es Frauen in diesem Beruf nicht schwerer. Warum es dennoch so wenig Frauen in der Gemeindepolitik gibt, kann sich Schalegg damit erklären, dass „für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie die Herausforderung darstellt“.

Raggal: Alexandra Martin
Alexandra Martin (53) ist seit 2020 Bürgermeisterin in Raggal. Im Unterschied zur damaligen Wahl wird dieses Mal in der Großwalsertaler Gemeinde eine Mehrheitswahl stattfinden. Martin stünde wieder zur Verfügung. „Die Gemeinde weiterzuentwickeln und einen lebenswerten Lebensraum zu schaffen“ nennt sie die Gründe dafür, warum sie den Job angetreten hat. Frauen hätten es in diesem Beruf „auf jeden Fall nicht leichter“, stellt sie mit einem Grinsen fest. „Es gibt Situationen, die nur Frauen betreffen oder mehr belasten.“ Den Mangel an Frauen in der Gemeindepolitik sieht sie grundsätzlicher: „Jeder ist heutzutage beruflich eingespannt und nicht nur Frauen, sondern auch immer mehr Männer können oder wollen sich die Zeit für politisches Engagement nicht mehr nehmen.“

Dornbirn: Andrea Kaufmann
Andrea Kaufmann ist seit 2013 Dornbirner Bürgermeisterin. Sie wird nicht mehr kandidieren. Das Amt hatte sie übernommen, um „die Stadt Dornbirn aktiv weiterzuentwickeln und sie als lebenswerten, starken Standort für alle Generationen attraktiv zu machen“. Und: „Bürgermeisterin zu sein ist für mich mehr als ein Job“. Jede Führungsperson stehe vor Herausforderungen, sagt sie, unabhängig vom Geschlecht. Mit der Frage, warum es so wenige Frauen in der Gemeindepolitik gibt, beschäftige sie sich schon seit Jahren. „Viele politische Strukturen wurden über Jahrzehnte von Männern geprägt, aber das ändert sich zunehmend“, so Kaufmann. Und „als Bürgermeisterin ist man 24/7 im Amt und das stellt viele Kollegen aber auch potenzielle Kolleginnen vor große Herausforderungen.“ Einen Unterschied sieht sie darin, dass die Ansprüche von Frauen an sich selber mitunter etwas höher seien als jene der Männer.
