“Wenig wertschätzend”: Wie die Spitalsreform das Personal verunsichert

Zwischen den Sorgen der Mitarbeiter und den Beteuerungen von Politik und Krankenhausdirektion klafft eine große Lücke: Die einen kritisieren die Kommunikation und die Vorgehensweise, die anderen sprechen von Transparenz und Vertrauen.
Die Spitäler in Vorarlberg stehen vor der größten Umstrukturierung ihrer Geschichte. Im Rahmen eines “partizipativen Strukturdialogs” werden seit Mai dieses Jahres Szenarien diskutiert, wie Fachabteilungen zusammengelegt, verlegt oder neu geordnet werden könnten. Geplant ist etwa die Zusammenführung der Anästhesie zu einem hausübergreifenden Primariat. Diskutiert wird zudem die Übersiedelung der Augen- und Hautabteilung, außerdem soll die Innere Medizin E (Onkologie) von Rankweil nach Feldkirch verlegt werden, ebenso wie die Akutneurologie. Im Unterland sind deutlich weitreichendere Schritte angedacht. Vorgesehen ist in Dornbirn oder Bregenz die Zusammenlegung der Gynäkologie/Geburtshilfe, ebenso die Fusion von Traumatologie/Orthopädie sowie der beiden Kinderabteilungen. Darüber hinaus wird auch die Organisation der ärztlichen Bereitschaftsdienste überprüft.

„Wenig wertschätzend“.
Die jüngst fixierte Schließung der Geburtenstation in Bludenz ist zwar nicht Teil des Spitalscampus-Projekts, zeigte aber, wie heikel solche Entscheidungen sein können. Vor allem die Art der Bekanntgabe sorgte bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Kritik. Betriebsrätin Elke Zimmermann, die auch Aufsichtsratsmitglied in der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft (KHBG) ist, erinnert sich: Sie habe damals um 11.50 Uhr einen Anruf von Landesrätin Martina Rüscher erhalten, kurz nach 12 Uhr folgte der Newsletter der KHBG – und wenige Minuten später verschickte das Land die Medienaussendung. „Viele erfuhren es von außen, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht vor dem Computer saßen, sondern bei den Patienten waren. Das war wenig wertschätzend“, resümiert Zimmermann. Sie forderte daraufhin KHBG-Direktor Gerald Fleisch auf, persönlich nach Bludenz zu kommen und den Mitarbeitern Rede und Antwort zu stehen. „Er ist auch gekommen. Das war gut. So konnten die Mitarbeiter Fragen stellen und ein wenig Frust ablassen“, sagt sie.

Interne Kommunikation im Fall Bludenz
Fleisch sieht die Sache etwas anders: Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien über zwei Jahre hinweg eng in die Gespräche eingebunden gewesen und hätten die schwierige Lage gekannt. „Die interne Kommunikation ist der KHBG in allen Landeskrankenhäusern sehr wichtig, deshalb wurde diese in den vergangenen Jahren ausgeweitet und intensiviert“, so Fleisch.
Zu einem anderen Schluss kommt allerdings das der Schließung zugrunde liegende Gutachten, zumindest was die organisatorische Zusammenführung der betreffenden Abteilungen in Bludenz und Feldkirch betrifft. Darin heißt es, die Betroffenen seien „nicht ausreichend informiert“ worden und die Zusammenführung der beiden Abteilungen scheine misslungen zu sein.
“Kommunikation erfolgte einheitlich und transparent”
Was die Schließung selbst betrifft, so versichert Fleisch erneut, dass die Entscheidung „auf Basis einer medizinischen Beurteilung im Sinne der Patientensicherheit“ gefallen sei. Man habe die Information „bewusst zeitnah sowohl intern als auch extern bekanntgegeben, um größtmögliche Klarheit zu schaffen“. Auch Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher verweist auf die „einheitliche und transparente“ Kommunikation. Sie räumt ein, dass der zeitliche Ablauf sehr eng gewesen sei, betont jedoch, dies sei bewusst so gewählt worden. Auch sie spricht vom Ziel „größtmöglicher Klarheit“.

Verunsicherung
Aus Sicht von Zentralbetriebsrat Thomas Steurer herrscht bei den Beschäftigten vor allem eines: Verunsicherung, vor allem was die Pläne im Unterland betrifft. „Mal heißt es, Orthopädie gehe nach Bregenz, während die Gynäkologie/Geburtshilfe nach Dornbirn wechselt – und dann wieder umgekehrt. Dieses Hin und Her vermittelt in Zeiten des Fachkräftemangels kein gutes Bild“, sagt Steurer im NEUE-Gespräch. Einige Mitarbeiter würden deshalb schon an einen Wechsel ins benachbarte Ausland denken. Vor allem die Jüngeren seien dafür empfänglicher. „Sie sind auch aufgrund der Abfertigung Neu flexibler als wir das waren.“ Beschäftigte stellen laut Steurer konkrete Fragen, etwa „wann der Wechsel stattfindet, wo sie künftig arbeiten und was sie dort erwartet“.
Laut KHBG-Direktor Fleisch sind Veränderungsprozesse „grundsätzlich eine große Herausforderung für alle Beteiligten“, für die Mitarbeiter ebenso wie für die Patienten. Der Strukturdialog diene gerade deshalb dazu, Entscheidungen nicht ohne Einbeziehung der Betroffenen zu treffen. In Zusammenarbeit mit den Abteilungen und den Beschäftigten solle der Weg skizziert und notwendige Verbesserungsmaßnahmen besprochen werden, damit die Gesundheitsversorgung auch in Zukunft gesichert sei. Man wolle damit Transparenz und Vertrauen schaffen.

Rüscher verweist darauf, dass vor einer endgültigen Entscheidung im Regionalen Strukturplan Gesundheit 2030 „eine ausführliche Information für die Mitarbeiter sowie eine transparente öffentliche Kommunikation“ vorgesehen sei. Der Plan soll Ende des Jahres beschlossen werden.
„Alles andere ist ein Gemurkse“ .
Steurer plädiert klar für ein Schwerpunktkrankenhaus im Unterland. „Akutabteilungen gehören an einen Standort, alles andere ist ein Gemurkse.“ Aus seiner Sicht sollte Bregenz diesen Part übernehmen: „Das LKH Bregenz hat aufgrund von bebaubaren Grundstücken bessere Entwicklungsmöglichkeiten und auch die bessere Erreichbarkeit als Dornbirn.“ Dornbirn könnte in diesem Modell andere Funktionen übernehmen, etwa planbare Eingriffe und die Geriatrie, die im Regionalen Strukturplan ohnehin vorgesehen ist.

Im Strukturdialog zeigt sich für Steurer ein bekanntes Muster: Alle Beteiligten sehen Veränderungen zwar als notwendig, nur im eigenen Haus möchte sie niemand. Auch inhaltlich spart der Zentralbetriebsrat nicht mit Kritik. So sei die Orthopädie in Dornbirn lange Zeit von „Rosinenpickerei“ geprägt gewesen. Fälle mit Begleiterkrankungen seien an andere Häuser weitergeschickt worden, während einfache, lukrative Eingriffe bevorzugt behandelt wurden.
Baustellen und Positivbeispiele
Steurer zufolge stehen die Spitäler vor mehreren Baustellen, auch baulichen. So müssten die Bettenhäuser in Feldkirch und Dornbirn saniert oder neu errichtet werden, hinzu komme der Spardruck. Auch die angekündigte und versprochene Gehaltsanpassung stehe weiter aus. „Im Jahr 2026 wird es nichts geben, das ist jedem klar.“
Neben Kritik und Sorgen berichtet Steurer aber auch von positiven Erfahrungen. So habe etwa die Zusammenführung der Unfallchirurgie in Bregenz und Hohenems sowie in Feldkirch und Bludenz „sehr gut funktioniert“. Auch in der Anästhesie und der Inneren Medizin seien Fusionen gut gelungen, weil Mitarbeiter frühzeitig eingebunden und Teams schrittweise zusammengeführt worden seien. Das hänge auch stark von den Akteuren ab.