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Entscheidung im ersten Halbjahr 2026? Wie es im Agrar-Streit weitergeht

20.12.2025 • 09:30 Uhr
Entscheidung im ersten Halbjahr 2026? Wie es im Agrar-Streit weitergeht
m Bereich der Baggerlöcher könnte die Agrargemeinschaft bald wieder Kies abbauen. Die Erlöse daraus zählen zu jenen Vermögenswerten, um die im Rechtsstreit gestritten wird. Kleines Bild: Abteilungsvorstand Wolfgang Burtscher. Hartinger, VLK

Rechtsstreit zwischen Stadt Feldkirch und Agrargemeinschaft Altenstadt ist seit zweieinhalb Jahren anhängig. Während Tirol in einem vergleichbaren Fall längst entschieden hat, wartet man in Vorarlberg noch immer auf Klarheit.

Seit Jahren zieht sich in Feldkirch ein Rechtsstreit hin, der Stadt, Land und mehrere Agrargemeinschaften beschäftigt. Im Zentrum steht die Agrargemeinschaft Altenstadt, betroffen sind allerdings auch die Agrargemeinschaften Tisis und Tosters, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß. Im Kern geht es um große Wald- und Grundflächen, insgesamt rund 1.300 Hektar, sowie um die Frage, wem die Erträge aus deren Nutzung rechtlich zustehen.

Diese Flächen wurden 1960 im Zuge einer agrarbehördlichen Regulierung den Agrargemeinschaften zugeordnet und in der Folge grundbücherlich auf diese eingetragen. Umstritten ist bis heute, ob diese Übertragung rechtlich als wirksame Hauptteilung zu qualifizieren ist oder ob es sich weiterhin um Gemeindegut handelt, dessen Substanzwert der Allgemeinheit zusteht.

Siegbert Morscher
Siegbert Morscher war Richter des Verfassungsgerichtshofs (Bild aus 2003). VFGH/Bienek

Gutachter

Die Stadt Feldkirch stützt ihre Rechtsposition maßgeblich auf Gutachten des ehemaligen Verfassungsgerichtshof-Richters Siegbert Morscher. Morscher hatte sich bereits in den frühen 1980er-Jahren mit den agrargemeinschaftlichen Flächen in Feldkirch befasst. In der Folge bekam die Stadt Feldkirch vor dem Verfassungsgerichtshof Recht.

Aus Sicht der Stadt handelt es sich bei den Flächen, doe die Agrargemeinschaft ganz für sich beansprucht, weiterhin um Gemeindegut. Die Agrargemeinschaft dürfe die Flächen zwar nutzen und verwalten, Erlöse aus der Verwertung der Substanz stünden jedoch der Stadt und damit der Allgemeinheit zu. Die Stadt verweist in diesem Zusammenhang auch auf die spätere höchstgerichtliche Judikatur, insbesondere auf das sogenannte Mieders-Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs.

Rechtsansicht der Agrargemeinschaft

Die Agrargemeinschaft Altenstadt weist diese Darstellung zurück. Sie verweist auf den Vereinigungsvertrag der Stadt Feldkirch aus dem Jahr 1925, die agrarbehördliche Regulierung Ende der 1950er-Jahre sowie auf die anschließende grundbücherliche Durchführung. Aus Sicht der Agrargemeinschaft wurde das Eigentum rechtmäßig übertragen und seither unangefochten ausgeübt.

Zur Untermauerung dieser Position beruft sich die Agrargemeinschaft auf eigene rechtswissenschaftliche Gutachten, unter anderem von Universitätsprofessor Karl Weber. Diese kommen zum Schluss, dass die damaligen Bescheide eine wirksame Hauptteilung darstellten und die Agrargemeinschaft Volleigentümerin der Flächen sei. Eine nachträgliche Infragestellung würde aus Sicht der Agrargemeinschaft die Rechtssicherheit und den öffentlichen Glauben an das Grundbuch untergraben.

Wolfgang Burtscher
Wolfgang Burtscher, Vorstand der Abteilung Landwirtschaft udn Ländlicher Raum.VLK

Verfahren seit Sommer 2023 anhängig

Um diese Fragen verbindlich klären zu lassen, leitete die Stadt nach langem Zögern im Sommer 2023 ein Feststellungsverfahren bei der Agrarbehörde des Landes ein. Dieses Verfahren läuft mittlerweile seit mehr als zweieinhalb Jahren. Für Stadt und Agrargemeinschaft bedeutet das anhaltende Rechtsunsicherheit, etwa bei der Nutzung jener Flächen, deren rechtlicher Status umstritten ist (siehe unten). In der Tiroler Gemeinde Zams wurde ein ganz ähnlicher Rechtsstreit innerhalb von etwas mehr als einem Jahr bis zur zweiten Instanz geführt. Zunächst entschied die Agrarbehörde, anschließend bestätigte das Landesverwaltungsgericht die Entscheidung zugunsten der Gemeinde. Die Gerichte stellten fest, dass keine wirksame Hauptteilung erfolgt war. Die Flächen gelten dort als Gemeindegut, die Erlöse stehen der Gemeinde zu.

“Immer wieder weitere, ergänzende Vorbringen”

Warum das Verfahren in Vorarlberg so lange dauert, begründet Wolfgang Burtscher, Leiter der Abteilung Landwirtschaft und ländlicher Raum, mit dem umfangreichen Ermittlungsverfahren, das „umfassendste Erhebungen, historische Recherchen und rechtliche Beurteilungen“ erfordere. Hinzu komme, dass die beteiligten Parteien „immer wieder weitere, ergänzende Vorbringen“ eingebracht hätten. Die Fachabteilung sei „nach wie vor intensiv mit der weiteren, vertieften Prüfung und Konzentration der Entscheidungsgrundlagen für die Bescheiderlassung befasst“.

Ein fixer Zeitpunkt für den Abschluss lasse sich nicht nennen. Sobald die Sache entscheidungsreif sei, werde der Bescheid erlassen. Burtscher hält aber fest, dass beabsichtigt ist, den Bescheid noch im ersten Halbjahr des nächsten Jahres zu erlassen. Die ­höchstgerichtliche Judikatur werde „mit ­Interesse verfolgt“, ihre Bedeutung für andere Verfahren sei jedoch jeweils gesondert zu prüfen.

Signalwirkung

Unabhängig vom Ausgang könnte der Feldkircher Fall Signalwirkung haben. In Vorarlberg gibt es mehrere Gemeinden, in denen die Rechtmäßigkeit früherer Aufteilungen von Gemeindegut noch nicht abschließend geklärt ist. Darauf weist auch der Verwaltungsjurist Peter Bußjäger hin, der von einer „gewissen Präjudizwirkung“ spricht. Zugleich betont er, dass die Fälle jeweils gesondert zu beurteilen seien, insbesondere dort, wo nach dem VfGH- Erkenntnis „Mieders“ bereits Vereinbarungen zwischen Gemeinden und Agrargemeinschaften abgeschlossen wurden, etwa in Nenzing.

Was die Stadt feldkich konkret möchte

Die Stadt Feldkirch möchte unter anderem einen Anteil an den Überschüssen der Agrargemeinschaft Altenstadt, sämtliche Rücklagen sowie 1,7 Millionen Euro plus Zinsen und sieben Grundstücke. Konkretes Beispiel: Unter anderem soll eine Zahlung von 1,56 Millionen Euro rückabgewickelt werden, die die Stadt Anfang der 2010er Jahre an die Agrargemeinschaft Altenstadt für die Errichtung des Platzes IV im Waldstadion geleistet hat. Bei diesem Betrag handelte es sich um einen Wertausgleich, da das getauschte Grundstück in Göfis weniger wert war als jenes in Gisingen. Die Stadtgemeinde beansprucht auch das Tauschgrundstück im Ausmaß von rund fünf Hektar. Auch bei den Agrargemeinschaften Tisis und Tosters will die Stadt auf Rücklagen zurückgreifen.

Die Forderungen stützen sich auf ein Gutachten des emeritierten Universitätsprofessors und ehemaligen Richters am Verfassungsgerichtshof, Siegbert Morscher (die NEUE berichtete). Der in Bludenz geborene Jurist hat bereits Ende der 1970er Jahre ein Gutachten für die Stadt Feldkirch erstellt. Auch damals ging es um die Agrargemeinschaft Altenstadt. Das Gutachten mündete schließlich in eine Klage, aufgrund derer 1982 erstmals Grundübertragungen an Agrargemeinschaften für verfassungswidrig erklärt wurden. Diese Entscheidung hatte jedoch in der Praxis kaum Konsequenzen.

Wie Die Agrargemeinschaft ALtenstadt dazu steht:

Die Agrargemeinschaft Altenstadt vertritt den Standpunkt, dass bei der Eingemeindung der Ortsteile die gegenständlichen Grundstücke als „Sondervermögen“ der Fraktion Altenstadt übertragen wurden und daher nie Gemeindegut der Stadt Feldkirch waren. In weiterer Folge sei durch die ordentliche Hauptteilung im Jahr 1960 die heutige Situation rechtskonform herbeigeführt worden. Robert Ess, Obmann der rund 1300 Mitglieder zählenden Agrargemeinschaft, zeigte sich stets kämpferisch. Mehrfach sprach er von einer „Enteignung“, gegen die er sich mit aller Kraft wehren werde. Auch die Agrargemeinschaft Altenstadt kann sich auf ein Gutachten stützen. Verfasst hat es der emeritierte Universitätsprofessor Karl Weber. Der Jurist war Mitglied der Expertenkommission in der Corona-Causa in Ischgl und hat unter anderem auch schon für die Agrargemeinschaft Bürs, auf deren Grund sich der Zimbapark befindet, ein Rechtsgutachten in Agrarfragen erstellt.