Für den ORF wird es jetzt schwierig

Bliebe der Gesetzgeber nun untätig, hätten die Höchstrichter erfolgreich den ORF umgebracht.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Teile des ORF-Gesetzes aufzuheben, weil der ORF Inhalte kostenlos im Internet zur Verfügung stellen muss, bringt die schwarz-grüne Bundesregierung nicht unmittelbar aber doch auf absehbare Zeit unter Zugzwang. Die Höchstrichter haben dem Gesetzgeber zwar eine relativ lange Reparaturfrist bis Ende 2023 eingeräumt, in der Zeit bis dahin wird sich die Koalition – so sie nach deren Ablauf noch existiert – jedoch überlegen müssen, was sie aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes macht.
Von den drei möglichen Lösungen ist die es unwahrscheinlichste, nichts zu tun. Denn der VfGH hat just jene Bestimmungen im Gesetz gekippt, die die Einhebung des Programmentgeltes regeln. Dies ist jener Teil der GIS-Gebühr, der dem ORF zufließt und macht den absoluten Großteil von dessen Einnahmen aus. Täte der Gesetzgeber also nichts, entfiele dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk schlicht seine finanzielle Existenzgrundlage. Der VfGH ist mit der Aufhebung der Bestimmungen über das Programmentgelt erneut ein sichtbares Risiko eingegangen. Bereits bei der Aufhebung des absoluten Sterbehilfeverbotes hätten die Höchstrichter unzumutbare Zustände erzeugt, wenn das Parlament keine Nachfolgeregelung getroffen hätte – wozu es niemand verpflichten kann. Bliebe der Gesetzgeber nun untätig, hätten die Höchstrichter erfolgreich den ORF umgebracht.
Die beiden wahrscheinlicheren Handlungsvarianten betreffen die mögliche Schaffung einer Haushaltsabgabe oder die Einschränkung von Online-Inhalten des Österreichischen Rundfunks auf GIS-Zahler. Als Variante der ersten Lösung wäre auch eine GIS-Pflicht für alle Internetnutzer möglich, was de facto einer Haushaltsabgabe gleichkäme.
Es ist kein großes Geheimnis, dass die übrigen österreichischen Medien die zweite Lösung wohl bevorzugen würden, weil sie die Möglichkeit zur Nutzung der ORF-Inhalte offen lässt und ein kostenloses Konkurrenzangebot hinter die Bezahlschranke schieben würde, wo sich viele private Medieninhalte aus Kostengründen bereits wiederfinden.
Ob sich der ORF mit seinem Antrag beim Verfassungsgerichtshof, der zur nunmehrigen Aufhebung geführt hat, einen Gefallen getan hat, wird sich weisen. Eine schwächelnde Regierungsmehrheit könnte dazu neigen, die Lösung des Problems auch angesichts der bereits bestehenden Krisen zunächst zu vertagen. Und wer weiß, welche politischen Konstellationen zum Ende des Jahres 2023 herrschen?
Im Fall von vorgezogenen Neuwahlen wäre der ORF Wahlkampfthema uns ein Spielball in den Koalitionsverhandlungen. Auch sonst werden ÖVP und Grüne nicht unbedingt rasch eine Lösung finden, zumal auch die Verfassungswidrigkeit der Bestellung des Stiftungsrates im Raum steht und in Zukunft Probleme verursachen könnte. Dass das aktuelle Dilemma zu einer umfassenden und nachhaltigen Reform des ORF führen könnte, darf aufgrund des Nachhaltigen Interesses der Parteien und Länder am Status quo bezweifelt werden.