Österreich

„Die Politik muss wieder liefern“

04.05.2024 • 16:00 Uhr
„Die Politik muss wieder liefern“
Neos-Klubobmann Johannes Gasser kandidiert im Herbst bei der Nationalratswahl.Klaus Hartinger

Noch-Neos-Klubobmann Johannes Gasser wurde kürzlich auf Platz Neun der pinken Bundesliste für die Nationalratswahl und auf Platz Eins der Landesliste gewählt.

Sie stehen bei der Nationalratswahl auf Platz neun der Neos-Bundesliste und auf Platz eins der Landesliste. Was sind Ihre Erwartungen?
Johannes Gasser:
Es wird so sein, dass weiterhin eine liberale Stimme aus Vorarlberg in Wien vertreten ist. Ich bin diesbezüglich sehr positiv gestimmt. Und ich freue mich darauf, wenn ich die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger dann wirklich mit klaren Zukunftsansagen in Wien vertreten darf.

Bei den Neos gibt es Vorwahlen in drei Phasen. Bei der Abstimmung der Mitglieder haben Sie mit Platz vier gut abgeschnitten. Bedeutet Ihnen das etwas?
Gasser:
Mich hat es sehr gefreut, und es ist eine große Ehre, dass die Mitglieder mir so viel Vertrauen geschenkt haben. Bei unserem dreistufigen Verfahren ist es so, dass jede Stufe eine gewisse Dynamik beinhaltet. Ich glaube, bei der dritten Stufe liegt der Fokus stark darauf, welche Themen und welche Anliegen auf der Bundesliste besonders ins Zentrum gerückt werden sollen. Die Generationengerechtigkeit und die Gerechtigkeit unserer Sozialsysteme sind mir ein wichtiges Thema, und das ist wohl auch bei den Mitgliedern gut angekommen. Es zeigt auch, dass sie die vertrauensvolle Arbeit, die ich schon seit über zehn Jahren innerhalb der Organisation mache, wertschätzen. Das freut mich natürlich.

Sie waren früher schon im Neos-Klub im Nationalrat tätig. Wäre ein Einzug ins Parlament so etwas wie ein „Heimkommen“ für Sie?
Gasser:
Das ist jetzt vielleicht eine etwas philosophische Antwort, aber Heimkommen ist ja nicht einzig an einen Ort selbst gebunden, sondern hängt auch davon ab, in welcher Rolle und Position man dort hinkommt. Darum würde ich das differenziert sehen. Ja, ich habe schon einmal im Parlament gearbeitet, aber als Nationalratsabgeordneter zurückzukehren, wäre eine ganz andere Situation und vor allem eine völlig neue Verantwortung, die ich natürlich gerne wahrnehmen würde. Die Erfahrung dafür habe ich, in den vergangenen fünf Jahren im Landtag gesammelt

„Die Politik muss wieder liefern“
Noch hat Gasser sein Büro im Bregenzer Landhaus. Im Herbst will er in den Nationalrat einziehen.Klaus Hartinger

Welche Themen wären für Sie im Nationalrat am wichtigsten?
Gasser:
Meine politische Arbeit im Landtag in den letzten Jahren zeigt, dass ich einen gro­ßen Fokus auf die Sozialpolitik und gesellschaftspolitische Fragen gelegt habe. Wir wissen, dass unsere Sozialsysteme weder generationengerecht noch chancengerecht und schon gar nicht leistungsgerecht sind. Ich glaube, dass man sich diesen Fragen intensiv widmen muss. Schlussendlich geht es darum, dass wir ein Pensionssystem haben sollten, das auch für die kommenden Generationen noch gute Pensionen bringt. Da muss man einfach einmal ehrlich sein und aufzeigen, dass wir dringend Reformen brauchen. Wir müssen uns aber auch im Klaren sind, dass die derzeitige Familienpolitik nicht chancengerecht ist – weder für die Eltern noch für die Kinder. Besonders wichtig ist mir aber das Thema der Leistungsgerechtigkeit. Wir müssen sicherstellen, dass es sich auszahlt, arbeiten zu gehen und auch mehr zu arbeiten, Stunden aufzustocken. Junge Menschen brauchen wieder eine Perspektive, dass sie sich mit ihrer eigenen Leistung etwas aufbauen können. Genau diese drei Gerechtigkeitsaspekte spielen aus meiner Sicht eine zentrale Rolle in der Sozialpolitik.

In diesen Fragen waren Sie schon im Landtag aktiv, aber auf Bundesebene gibt es mehr Möglichkeiten, die Dinge zu verändern. Was wären aus Ihrer Sicht die wichtigen Maßnahmen?
Gasser:
Die Stellhebel sind in diesen Fragen natürlich auf Bundesebene viel die größeren als im Landtag – etwa wenn es darum geht, steuerliche Entlastung für die Mitte der Gesellschaft zu schaffen, für die Menschen, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen. Österreich hat die dritthöchste Abgabenquote für die arbeitende Bevölkerung in Europa. Das ist etwas, wo wir endlich eine Trendumkehr schaffen müssen. Das schafft man natürlich nur, wenn man auf Bundesebene die entsprechenden steuerlichen Reformen durchführt. Aber dafür musst du auch die Spielräume schaffen.

Wie soll das gelingen?
Gasser:
Wir müssen die verschiedenen Systeme unter die Lupe nehmen. Wir haben mit die höchsten Ausgaben im Bereich der Gesundheit, im Sozialbereich und im Bildungsbereich. Die Leistung, die am Ende herauskommt, ist in vielen Bereichen aber höchstens Mittelmaß. Das sehen wir im Gesundheitsbereich, wo wir im europäischen Vergleich nicht so viele gesunde Lebensjahre haben wie andere Länder. Dazu haben wir eines der teuersten Pensionssysteme und trotzdem ist das Ganze nicht nachhaltig abgesichert. Und wir sehen es auch im Bildungsbereich, wo die Pisa-Ergebnisse trotz hoher Ausgaben nicht besonders positiv aussehen. Man sieht: Wir zahlen viel, aber die Leistung ist nicht die beste. Und genau darum glauben wir, dass mit Änderungen in diesen Systemen, Spielräume geschaffen werden können, um arbeitende Menschen zu entlasten.

Reformen gestaltet man am bes­ten in der Regierung. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Neos in der nächsten Legislaturperiode eine Rolle spielen können?
Gasser:
Schlussendlich ist entscheidend, was am Wahltag passiert. Für uns ist klar: Wir sind bereit wie nie, Verantwortung zu übernehmen, genau diese Reformen anzugehen und vor allem auch zu schauen, was gemeinsam geht. Denn ich habe das Gefühl, dass das in den letzten Jahren eben nicht mehr im Vordergrund gestanden ist, sondern Argumente gesucht wurden, warum etwas nicht geht. Wir müssen uns bewusst sein, dass Politik endlich wieder liefern muss. Gerade wenn es um die Entlastung der arbeitenden Bevölkerung geht und darum, die Reformen für die nächsten Jahrzehnte anzugehen und die entsprechenden Stellhebel zu betätigen. Das ist unser Anspruch. Wir sind bereit dafür, aber die Frage wird sein, wer sonst noch bereit ist, den Weg mit uns zu gehen.

„Die Politik muss wieder liefern“
Klaus Hartinger

In Vorarlberg gab es auch immer wieder gemeinsame Initiativen mit den Freiheitlichen, die ebenfalls in Opposition sind. Wie sehen Sie das auf Bundesebene? Ist die FPÖ ein Ansprechpartner?
Gasser:
In Sachthemen und in einzelnen Projekten arbeiten wir mit allen zusammen. Die Frage einer Zusammenarbeit in einer Regierungskoalition ist aber eine ganz andere. Schließlich geht es dabei darum, wer an den Schalthebeln der Macht ist. Was in den letzten Monaten und Wochen über die FPÖ und ihr Wirken in Regierungsverantwortung herausgekommen ist, zeigt, dass die Freiheitlichen eine Sicherheitsgefahr für das Land sind. Dazu kommt, dass sie trotz ihrer großen Ansagen genau das System fortführen, von dem sie eigentlich behaupten, dagegen anzukämpfen. Das sieht man aktuell in Nieder­österreich. Bei so etwas sind wir sicher nicht dabei. Wir sind die glaubwürdige Alternative, die diesen Systemen von Machterhalt, Steuergeldverschwendung und Postenschacher etwas entgegensetzt.

Werfen wir noch kurz den Blick zurück: Wie haben Sie die Legislaturperiode im Landtag erlebt?
Gasser:
Ich durfte sehr viel lernen und habe auch das Gefühl, dass ich einiges beitragen konnte, dass sich in Vorarlberg bestimmte Sachbereiche weiterentwickelt haben. Ich bin sehr froh, dass ich meine Erfahrung einbringen durfte, beispielsweise wenn es um die Perspektiven für junge Leute im Land geht oder um die politische Teilhabe. Es wurden hier Dinge auf den Weg gebracht, bei denen wir Neos oder auch ich den Anstoß gegeben haben. Auch in anderen Bereichen – wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wurden Schritte gesetzt, die auch auf den Druck zurückzuführen sind, den wir gemacht haben.

Was sind die Ziele der Neos bei der nächsten Landtagswahl?
Gasser:
Ziel ist es, weiter zu wachsen, und ich bin überzeugt davon, dass uns das gelingen wird. Denn wir haben ein super Team, das jeden Tag daran arbeitet, Vorarlberg für die Zukunft fit und auch Lust darauf zu machen, in die Zukunft zu blicken. Genau das ist etwas, was die letzten Jahre verloren gegangen ist. Es herrscht Zukunftspessimismus. Darum braucht es in der Politik Leute, die Lust auf die Zukunft machen – und die haben wir.

Zur person

Johannes Gasser wurde am 5. April 1991 geboren und lebt in Mellau. Der Diplom-Volkswirt ist seit 2013 Mitglied bei den Neos und war von 2013 bis 2014 parlamentarischer Mitarbeiter des Vorarlberger Nationalratsabgeordneten Gerald Loacker. Von 2015 bis 2019 fungierte er als sozialpolitischer Referent der Neos im Parlament. Seit 2019 ist Gasser Landtagsabgeordneter in Vorarlberg.