„Wir müssen die Proteststimmen ernst nehmen“

Landeshauptmann und ÖVP-Landesparteichef Markus Wallner über die EU-Wahl und bevorstehende Landtagswahl.
Die Landtagswahl findet am 13. Oktober statt, also zwei Wochen nach der Nationalratswahl. Der Ministerrat wird am Mittwoch den Termin für den 29. September 2024 festlegen.
Markus Wallner: Ja darauf läuft es hinaus. Wir wählen relativ knapp danach, aber auch nicht zu knapp. Auf Bundesebene wird intensiv wahlgekämpft, das wird man auch im Land sehen und spüren. Danach können wir kurz durchschnaufen und sagen, jetzt geht es ums Land. Es macht Sinn, einen sehr kurzen, intensiven und auch sparsamen Wahlkampf zu führen.
Am Sonntag wurde das Europäische Parlament gewählt. Sie haben sich bisher eigentlich noch nicht dazu geäußert, die ÖVP hat in Vorarlberg im Vergleich zu 2019 rund neun Prozentpunkte verloren. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Wallner: Platz eins konnte klar gehalten werden. Das halte ich für entscheidend. Aber ein Verlust bleibt ein Verlust, da kann man sich nicht darüber freuen. Man muss sich auch die Gründe anschauen. Es sind starke Signale an Europa dabei. Die Bürger haben klare Anforderungen an Europa, die sich nicht erfüllt sehen, etwa beim Thema Zuwanderung. Man macht sich Sorgen um die Sicherheit, möglicherweise auch um die militärische Sicherheit, den Klimaschutz. Die niedrige Wahlbeteiligung ist erschreckend. Sinkende Wahlbeteiligungen sind für Demokratien nie gut. Die FPÖ ist eine antieuropäische Protestpartei und konnte die Proteststimmen offensichtlich stark auf sich konzentrieren, wenngleich in Vorarlberg nicht so stark wie im Rest von Österreich.
Laut einer ORF-Umfrage wollten mehr als 60 Prozent der FPÖ-Wähler ein innenpolitisches Zeichen setzen. Was bedeutet das für die anstehende Landtagswahl?
Wallner: Es sind Proteststimmungen da. Das ist auch ein Ausfluss der letzten zwei, drei Jahre. Wir sind durch schwere Krisen gegangen. Da kann man teilweise nur hoffen, dass sich das wieder dreht und Kriege, Konflikte und Inflation sich wieder. Wir müssen die Zuwanderungsfrage in den Griff bekommen. An diesen Dingen hängt es.
Die ÖVP hat vor allem im Süden des Landes verloren, aber auch in der Kummenbergregion.
Wallner: Das Ergebnis korrespondiert stark mit der Wahlbeteiligung. Überall dort, wo die Wahlbeteiligung schlecht war, sind die Proteststimmen mehr ins Gewicht gefallen.
Wie will die ÖVP diese Wähler wieder zurückgewinnen?
Wallner: Es war Europawahl, aber Sicherheitsfragen gibt es auch bei uns. Wir müssen diese Proteststimmen abfangen, ernst nehmen und signalisieren, dass wir die Sorgen verstehen. Es wird in den nächsten Monaten unsere Aufgabe sein, konkrete Antworten zu finden. Wir müssen alles tun, um die Inflation abzumildern. Wir verfolgen eine relativ strikte Linie in der Asylpolitik mit klaren Signalen an die Bevölkerung.
Wird die ÖVP im Land jetzt weiter nach rechts rücken, um die Protestwähler abzuholen?
Wallner: Da ist keine Frage von rechts oder links. Es geht um eine stabile Politik der Mitte. Eine Politik, die mit Hausverstand gemacht wird, aber auch die Sorgen erkennt und richtig reagiert. Überschießenden Rechtspopulismus braucht niemand, rechte Hetze braucht niemand, das ist nicht unser Stil. Es wird aus meiner Sicht ein fairer Wahlkampf werden.
Inwieweit war das Minus für die ÖVP zu erwarten? Das enorme Ergebnis 2019 war ja dem Kurz-Hype geschuldet.
Wallner: Es war zu erwarten, ja. Da ist natürlich was passiert, das ist keine Frage. Aber die ÖVP hat sich verändert. Die Zeit unter Sebastian Kurz war eine andere wie jetzt. Es ist wahrscheinlich besser und realistischer, die Ergebnisse mit 2014 zu vergleichen als mit 2019, wo gewisse Höhenflüge erkennbar waren. Aber die Höhenflüge haben ja auch nicht lange angehalten.
Werden Sie im Land mit der FPÖ koalieren?
Wallner: Das halten wir uns offen. Als Nächstes sind jetzt einmal die Wählerinnen und Wähler am Zug. In erster Linie geht es mir darum, dass die Volkspartei im Land einen klaren Auftrag für die Regierungsbildung bekommt und wir somit die Möglichkeit haben, Koalitionspartner zu wählen. Man sollte nie zu einem Koalitionspartner gezwungen werden, das eigene Ergebnis ist entscheidend.
Und im Bund? Würden Sie eine Koalition mit Herbert Kickl’s FPÖ unterstützen?
Wallner: Ich glaube, mit Herbert Kickl kann sich das niemand vorstellen.