Entscheidung des Österreichischen Presserats
Der Beschwerdesenat 3 des Österreichischen Presserates hat in seiner Sitzung am 16.05.2025 einer Beschwerde gegen die „NEUE Zeitungs GmbH“ als Medieninhaberin der „Neue am Sonntag“ und von „neue.at“ stattgegeben.
Der Artikel „Emotionaler Kampf um anonym geborenes Kind“, veröffentlicht auf den Seiten 20 und 21 der „Neue am Sonntag“, und dessen Onlineversion auf „neue.at“, beide erschienen am 09.02.2025,
sowie das Versehen des Onlineartikels mit einem Tag mit dem Vor- und Nachnamen der Beschwerdeführerin und das Veröffentlichen einer Online-Unterseite auf „neue.at“ mit dem Vor- und
Nachnamen der Beschwerdeführerin samt Verlinkung zu der Onlineversion des Artikels verstoßen gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Im Artikel wird über die anonyme Geburt der Beschwerdeführerin in Vorarlberg berichtet. Zudem wird
festgehalten, dass kurz vor Ablauf der dafür vorgesehenen 6-Monats-Frist, nach der das Kind zur Adoption freigegeben werde, die Beschwerdeführerin die Obsorge für ihr Kind beantragt habe. Des Weiteren kommen die vorübergehenden Pflegeeltern des Kindes ausführlich zu Wort, die gegenüber den Behörden Vorwürfe erheben und die gesetzliche 6-Monats-Frist für die Übernahme der Obsorge durch die leibliche Mutter als zu lang kritisieren.
Der Online-Artikel war ursprünglich mit dem Tag „***“ (Anm. dem Vor- und Nachnamen der Beschwerdeführerin) versehen. Zum Tag gab es auf „neue.at“ die Unterseite „#“ (Anm. der Vor- und Nachname der Beschwerdeführerin), auf der der Online-Artikel zu finden war. Nach einem
Gespräch mit der Geschäftsstelle des Presserats wurden diese Verknüpfungen gelöscht.
Nach Auffassung des Senats ist es offenkundig, dass hier die Persönlichkeitssphäre der Beschwerdeführerin gravierend beeinträchtigt wurde. Durch die Verknüpfung des Vor- und Nachnamens der Beschwerdeführerin mit dem Online-Artikel wurde ihre Identität einer unbestimmten Öffentlichkeit offenbart und ihre Intimsphäre in gravierender Weise verletzt. Ihre
zunächst anonyme Geburt sowie ihre Entscheidung, kurz vor Ablauf der gesetzlichen Frist die Obsorge
für ihr Kind doch in Anspruch zu nehmen, wurden mit ihrer Person in Verbindung gebracht und online publik gemacht. Dabei handelt es sich um Angaben höchstpersönlicher Natur, die dem unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsschutzes zuzurechnen sind.
Dem Autor des Artikels hätte ein derartiger Fehler nicht unterlaufen dürfen; die besondere Schutzwürdigkeit der Beschwerdeführerin war evident. Dass der Autor sich für sein Fehlverhalten entschuldigt hat, begrüßt der Senat grundsätzlich. Angesichts der Schwere der Persönlichkeitsverletzung hat dies jedoch keinen Einfluss auf die Beurteilung.
Darüber hinaus vertritt der Senat die Ansicht, dass der Artikel – auch ohne Nennung ihres Namens – zu viele Details zur Beschwerdeführerin enthält, die ihre Identifizierung in einem beschränkten Personenkreis ermöglichen. Insbesondere die Angaben zu ihrem Beruf, die Art ihres Bachelorabschlusses, ihre Wohnverhältnisse und die Anzahl ihrer weiteren Kinder bewertet der Senat als überschießend.
Für den Senat: Christa Zöchling, Sprecherin des Senats 3 (info@presserat.at)“