Leistbares Wohnen: „Es war nie leicht, doch ist jetzt noch einmal verschärft.“

Notschlafstellen bieten bei Kälte obdachlosen Personen Schutz. Doch viel stärker als die Kälte merken die Caritas die Teuerung und die Mietpreise als Faktoren für die Nachfrage.
Auf einen milden Winterstart folgten zuletzt eisige Temperaturen. Das kann gefährlich werden. 567 Kältetote hat es in den vergangenen 21 Jahren laut Statistik Austria in Österreich gegeben. Doch welche Reaktion ist die Richtige, wenn eine schlafende Person auf der Straße entdeckt wird? „Wenn man jemanden auf der Straße sieht, sollte man die Person ansprechen und fragen, ob Hilfe gewünscht ist“, so Alexandra Achatz von der Caritas. Keinesfalls sollte man jedoch die schlafende Person berühren und wachrütteln, warnt sie. Dies sei grenzüberschreitend und man könne nicht voraussehen, wie die Person reagiert. Personen, die im öffentlichen Raum schlafen, seien sowieso schon der Schutzlosigkeit ausgeliefert und könnten sich womöglich erschrecken und deswegen aggressiv reagieren.

Rufnummern
Caritas
Caritas Center Feldkirch: 05522/2001700
Notschlafstelle am Jahnplatz 4 in Feldkirch: 055222001200
Caritas Café: 05222001570
Dowas:
+43 5574 90 902 34
Notruf Rettung:
144
Wenn die Person Hilfe wünscht, gibt es die Möglichkeit, die Vorarlberger Caritasstellen zu kontaktieren. Im Gegensatz zu den restlichen Bundesländern gibt es in Vorarlberg kein explizites Kältetelefon. Die Caritas beraten stattdessen telefonisch über Einrichtungen in der Nähe. Dabei sollte jedoch respektiert werden, ob Personen Hilfe wahrnehmen wollen, so die 48-Jährige. Anders als beim Kältetelefon steigt das Team der Caritas auch nicht sofort nach dem Anruf in einen Bus, um vor Ort Hilfe zu leisten.

Wenn das Leben der betroffenen Person gefährdet sein könnte, rät Achatz, den Notruf der Rettung zu kontaktieren. Etwa wenn die Person blutet oder erfrieren könnte. Hinweise sind Zittern, blaue Lippen und Orientierungslosigkeit. Falls kein medizinischer Notfall besteht, sind Notschlafstellen mögliche Anlaufstellen. In Vorarlberg gibt es zwei davon: eine von Dowas mit zwölf Betten in Bregenz und eine der Caritas mit acht Betten in Feldkirch.

Wetter hat keinen Einfluss
In letzterer ist Achatz die Leiterin. In Feldkirch übernachten im Durchschnitt vier bis fünf Personen am Tag. Kälte ist dort aber keinesfalls der Hauptgrund für die Übernachtungen in der Notschlafstelle. Von Temperatur und Jahreszeit ist die Nachfrage bei der Notschlafstelle nämlich entgegen der Erwartung unabhängig. Stattdessen kämen meist mehrere Probleme zusammen, weshalb Personen in der Einrichtung nach einem Dach über dem Kopf suchen, so Achatz. Etwa Konflikte in Beziehungen, keine finanziellen Mittel für die Miete, Schulden oder von der Polizei ausgesprochene Annäherungs- und Betretungsverbote nach ausgeübter Gewalt. Diese Faktoren seien in den vergangenen 19 Jahren, in denen sie in der Notschlafstelle tätig ist, gleichgeblieben.

„Das Einzige, an dem ich die Nachfrage zeitlich festmachen kann, ist der 24. Dezember“, entgegnet sie. Um Weihnachten herum sei die Nachfrage im Vergleich zum restlichen Jahr am niedrigsten. Dann kämen die meisten eher bei Bekannten, Freunden oder Familie unter. Im Dezember 2023 musste etwa nie jemand in der Notschlafstelle in Feldkirch aufgrund von fehlenden Betten abgewiesen werden. Bisher mussten im Jänner hingegen schon vier Personen abgewiesen werden, weil alle Betten belegt waren. Im Durchschnitt übernachten hier vier bis fünf Personen am Tag. 2023 waren es etwa 200 im Jahr.

Ein Grund für die Wohnungslosigkeit hat sich jedoch verändert: „Wir merken die Teuerung“. Diese macht sich auch bei Mieten und Betriebskosten bemerkbar. „Es fehlt leistbarer Wohnraum“, kritisiert die Leiterin. „Es war nie leicht, doch ist jetzt noch einmal verschärft.“ Wenn an einem Tag in der Zeitung etwa zwanzig Wohnungsanzeigen abgedruckt seien, hätten manche Personen Glück, wenn ein bis zwei Wohnungen darunter seien, die sie sich leisten könnten, beschreibt Achatz die Probleme am privaten Wohnungsmarkt. Achatz fordert, dass für marginalisierte Personengruppen mehr leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Dabei sei etwa auf Landesebene die Anpassung der Kriterien und des Systems für den Zugang zu Gemeinde- und Stadtwohnungen gefragt.
Was bedeutet leistbar? Leistbar bedeutet laut Achatz, dass noch ausreichend Geld für Lebensmittel und soziale Teilhabe übrig bleibt. Sie spricht davon, dass nicht mehr als 30 Prozent des Gehaltes für das Wohnen ausgegeben werden – ein älterer Richtwert, der heutzutage nicht mehr Realität ist. Was sich auch verändert habe, sei, dass die Unterstützung bei den Problemlagen komplizierter geworden sei. Das betrifft etwa das Wissen, wohin man sich wenden muss.

Mehr Männer
Derartige behördliche Besuche machen die Bewohner der Notschlafstelle untertags, wenn die Stelle geschlossen hat. Die Zimmer sind beim Besuch der NEUE deswegen leer. Der Geruch nach Parfum, Namensschilder an der Tür, Bücher, Hausschuhe und ein Radio sind Hinweise, dass hier schon länger jemand wohnt. Die Besucher können je nach Anspruch laut Bezirkshauptmannschaft maximal 28 oder vier Nächte bleiben. Ziel ist dabei, dass sie dort nicht zu lange bleiben oder gar wiederkommen müssen. „Sie hat eine Wohnung gefunden und zieht morgen aus“, erzählt Achatz strahlend und zeigt auf ein Namensschild. „Es sind immer Festtage, wenn jemand eine leistbare Wohnung gefunden hat und einen Mietvertrag unterschrieben hat.“ Fünf Personen haben in den Zimmern in der Nacht zuvor geschlafen. Sie sind ganz unterschiedlich – manche arbeiten, manche sind süchtig oder psychisch belastet.
Dabei ist der Anteil der Männer größer. Nur etwa 20 Prozent sind Frauen. „Für Männer ist es leichter, Hilfe zu suchen“, so Achatz. Für Frauen sei die Hürde höher – etwa aus Scham. Sie würden eher in prekären Wohnverhältnissen schlafen, Unterkunft bei Bekannten suchen – teilweise auch für sexuelle Gegenleistungen oder länger in Beziehungen bleiben. Dann ist von verdeckter Wohnungslosigkeit die Rede.